Bundesrat setzt beim Bankgeheimnis auf massgeschneiderte Lösungen

Jedes Land habe eine andere Ausgangslage, und innerhalb der EU sei noch keine Einigung erzielt worden. «Die EU ist noch nicht so weit», sagte der Finanzminister. Bilaterale Lösungen seien deshalb Erfolg versprechender. Verhandeln will der Bundesrat sowohl über die Regularisierung der unversteuerten Gelder als auch über den Umgang mit neuen Geldern. «Wir müssen hinausgehen und verhandeln», sagte Merz. Wie weit die Schweiz dabei gehen will, verriet er nicht. «Wer gibt schon seine Verhandlungsposition von Anfang an preis?», lautete seine Antwort auf eine entsprechende Frage.


Abgeltungssteuer als eine mögliche Lösung
Als Beispiele für mögliche Lösungen nannte der Finanzminister die Abgeltungssteuer, die Erweiterung der Zinsbesteuerung sowie Amnestielösungen. Welche Varianten er bevorzugen würde, wollte Merz nicht sagen. Es gebe keinen Königsweg, stellte er fest. Zum Zeitplan hielt er sich ebenfalls bedeckt. Die Abgeltungssteuer werde wohl «demnächst» mit Deutschland thematisiert.


Kein automatischer Informationsaustausch
Deutlich wurde an der Medienkonferenz jedoch, was der Bundesrat ausschliesst: Der automatische Informationsaustausch, der seitens der EU gefordert wird, kommt für ihn nicht in Frage. Er will laut Merz an der Wahrung der Privatsphäre von Bankkunden – also am Bankgeheimnis – festhalten.


Bundesrat will kein umfassendes Dienstleistungsabkommen
Ebenfalls vom Tisch ist der Plan, im Gegenzug für Konzessionen beim Bankgeheimnis ein Dienstleistungsabkommen mit der EU auszuhandeln. Der Bundesrat strebt zwar einen verbesserten Marktzutritt für Finanzdienstleister an, will aber kein umfassendes Dienstleistungsabkommen. «Wir haben das verworfen, das Thema ist erledigt», sagte Merz. Die Verhandlungen wären «zu komplex».


Unterscheidung zwischen Steuerhinterziehung und -betrug bleibt im Inland
Schliesslich steht laut Merz nicht zur Diskussion, in der Schweiz die Unterscheidung zwischen Steuerhinterziehung und Steuerbetrug aufzuheben. Neben kantonalen Finanzdirektoren hatte sich jüngst Justizministerin Eveline Widmer-Schlumpf für diesen Schritt ausgesprochen. Merz sagte dazu, die Forderung komme zum falschen Zeitpunkt und im falschen Kontext. Die Frage werde sich allenfalls im Zusammenhang mit dem geplanten Amtshilfegesetz wieder stellen. Mit diesem Gesetz soll die Umsetzung der neuen Doppelbesteuerungsabkommen geregelt werden.


Neue DBA nach OECD-Standards
Der Bundesrat habe an der Klausursitzung vom Mittwoch den eingeschlagenen Weg bekräftigt, sagte Merz. Den Kern bilden die neuen Doppelbesteuerungsabkommen nach OECD-Standard, die Amtshilfe nicht nur bei Steuerbetrug, sondern auch bei schwerer Steuerhinterziehung zulassen. Dies sei der «Weltstandard», sagte Merz. Der Schweizer Finanzplatz stehe auch in Konkurrenz mit den Finanzplätzen der USA und des Fernen Ostens, gab er zu bedenken. «Wir müssen das global im Auge behalten, es gibt nicht nur die EU.»


Bundesrat befürwortet «weitgehende Kooperation» bei Steuerdelikten
In der Mitteilung zur Klausursitzung hält der Bundesrat fest, er lehne unversteuerte Gelder auf Schweizer Banken ab und befürworte eine «weitgehende Kooperation» bei Steuerdelikten. Der Bundesrat richte seine Finanzmarktstrategie auf die Verwaltung von versteuerten Vermögen aus.


Unversteuerte Vermögen sollen regularisiert werden
Die unversteuerten Vermögen, die auf Schweizer Bankkonten liegen, seien «unter Wahrung der Privatsphäre» zu regularisieren. Um zu verhindern, dass neue unversteuerte Gelder in die Schweiz gelangten, werde das Finanzdepartement «Lösungsvarianten» ausarbeiten.


EU hält am automatischen Informationsaustausch fest
Der Bundesrat wird es mit seiner Finanzmarktstrategie aber nicht leicht haben. Die EU hielt umgehend fest, dass sie die Einführung des automatischen Informationsaustauschs weiter vorantreiben werde. Dies teilte die EU-Kommission am Donnerstag mit. Das sei der beste Weg, die Besteuerung nach den Ansätzen des Wohnsitzlandes des Steuerpflichtigen zu gewährleisten. «Die Kommission wird sich darum weiter darum bemühen, den automatischen Informationsaustausch so breit wie möglich durchzusetzen», heisst es in der Mitteilung aus dem Büro von EU-Steuerkommissar Algirdas Semeta.


Gleich lange Spiesse für alle Länder
Es sei im Interesse aller EU-Staaten, gleich lange Spiesse wie die Schweiz zu haben. Darum werde die Kommission auch auf ein einziges Abkommen hinarbeiten. Abkommen einzelner Länder mit der Schweiz würden diese Bemühungen untergraben, warnt die Kommission. Die Befürchtung, dass einzelne Mitgliedstaaten vom gemeinsamen Kurs abkommen könnten, scheint indes unbegründet. Immer wieder haben Regierungsmitglieder und EU-Diplomaten klar gemacht, wie wenig sie etwa von einer Abgeltungssteuer halten.


«Keine Priorität»
Obwohl auch Österreich der automatische Informationsaustausch droht, hatte selbst Finanzminister Josef Pröll erklärt, eine solche Steuer sei «keine Priorität» für sein Land. Er reagierte damit auf den Vorschlag von Luxemburgs Finanzminister Luc Frieden, der eine Abgeltungssteuer von 25 Prozent auf ein breites Spektrum von Einkünften vorgeschlagen und dafür nur wenig Beifall geerntet hatte.


Erst vor wenigen Tagen hatte EU-Botschafter Michael Reiterer die Abgeltungssteuer als «Konzept von gestern» bezeichnet. Diese habe die Wahrung der Anonymität statt Transparenz zum Ziel. Zudem würde auch damit einem Staat Geld entzogen, weil sich die Steuer auf maximal 35 Prozent statt wie im Herkunftsland auf 40 oder 50 Prozent belaufen würde.


Bürgerliche Parteien mit hohen Erwartungen
In der Schweiz dagegen findet das Konzept, das die Bankiervereinigung ins Spiel gebracht hatte, mehr Zuspruch. Die bürgerlichen Parteien knüpfen hohe Erwartungen an eine Abgeltungssteuer und hoffen sogar, der EU im Gegenzug Zugeständnisse im Dienstleistungsbereich abringen zu können. Auch die Wirtschaftsverbände zeigen sich interessiert. Wenig Verständnis hat dagegen die SP, die die Abgeltungssteuer als «Ausweichmanöver» bezeichnet. Zudem setze sie am falschen Punkt an, weil damit nur das Vermögen, nicht aber das Einkommen erfasst werde. (awp/mc/ps/pg/16)

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