Corti siegt – Gericht schmettert Anklagepunkte ab

Bald sieben Jahre nach dem Grounding der Swissair steht nun fest, dass nach der grössten Milliardenpleite der Schweiz keine Person von der Strafjustiz ins Recht gefasst wird. Das Zürcher Obergericht hat am Freitag den 61-jährigen Mario Corti vom letzten Vorwurf der unwahren Angaben über kaufmännisches Gewerbe einstimmig freigesprochen und damit einen Entscheid des Bezirksgerichts Bülach in vielen Teilen geschützt. Die Staatsanwaltschaft hatte bereits den erstinstanzlichen Freispruch akzeptiert. Nicht aber vier Geschädigte. Darunter Belgien und der Kanton Neuenburg. Sie hatten nicht nur Berufung eingelegt, sondern auch die Rückweisung des Verfahrens an die Staatsanwaltschaft gefordert. Mit dem Ziel, die Untersuchung auf Buchführungsdelikte auszudehnen.


Ernüchterndes Fazit
Nach einer Urteilsberatung von über vier Stunden kam der Gerichtsvorsitzende Thomas Meyer zu einem ernüchternden Fazit. So habe man eine Riesenuntersuchung mit einer enormen Erwartungshaltung der Bevölkerung geführt. Man habe dabei nach Schuldigen für das unglaubliche Debakel gesucht. Vergeblich, wie Meyer ausführte. Er verstehe den Frust vieler Leute, sagte er. Der Swissair-Untergang sei auch schwierig zu ertragen. «Trotzdem dürfen wir nicht einfach irgendeinen Prügelknaben finden», sagte Meyer und zeigte sich vom Freispruch Cortis absolut überzeugt.


«Geradezu bizarr»
Mit-Oberrichter Daniel Bussmann bezeichnete es als geradezu bizarr, dass nach dem grössten Desaster der Schweizer Wirtschaftsgeschichte gerade noch ein unbedeutender Anklagepunkt übrig geblieben sei. Der einzige Anklagepunkt ging auf den 25. April 2001 zurück. Damals hatte Corti an einer Generalversammlung verkündet, dass man mit den drei Grossbanken Citibank, CSFB und Deutsche Bank ein Agreement getroffen habe. Für die Errichtung einer neuen Kreditlinie von 1 Mrd CHF. Damit sei auf alle Fälle sichergestellt, das man nun die Sanierung der Gruppe in Angriff nehmen könne, ohne dass die Liquidität als solche gefährdet sei, führte Corti damals aus. Was laut Anklage aber nicht der Wahrheit entsprach, da es sich beim Kredit bloss um einen Finanzierungsvorschlag gehandelt habe. Also eine Lüge als letzter Vorwurf.


Schnell klar, dass alles für Corti lief
Während der Urteilsberatung wurde schnell klar, dass alles für Corti lief. Referent Martin Burger lehnte zunächst eine Rückweisung des Verfahrens an die Anklagebehörden zwecks Ergänzung aus prozessualen Gründen ab. So sei dies nur möglich, wenn das Gericht mit einer hohen Wahrscheinlichkeit von einer Verurteilung Cortis ausgehen würde. Das sei aber gerade nicht der Fall.


Keine Gerichtskosten mehr auferlegt
In einem zweiten Teil zeigte Burger akribisch den Kenntnisstand des Angeklagten zur Tatzeit auf. Demnach war Corti damals noch klar überzeugt, dass es zu keinen Liquiditätsengpässen kommen würde. «Der Angeschuldigte durfte davon ausgehen, dass der Abschluss des Kreditvertrages in nützlicher Frist gelingen würde», erklärte Burger und kam zu einem vollen Freispruch. Dem sich die beiden weiteren Oberrichter anschlossen. Im Gegensatz zur Vorinstanz wurden Corti keine Gerichtskosten mehr auferlegt. Zudem soll er eine volle Prozessentschädigung erhalten.


Liquidität und Zahlungsfähigkeit der Swissair war klar gegeben
Wesentlich war, dass sich die Oberrichter überzeugt zeigten, dass die Liquidität und Zahlungsfähigkeit der Swissair noch im Sommer 2001 klar gegeben gewesen seien. Erst die Terroranschläge vom 11. September 2001 hätten alles auf einen Schlag geändert. Damit vertrat das Obergericht sinngemäss die Auffassung, dass der «11. September» die Hauptschuld am Untergang der Swissair trage. (awp/mc/gh)

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