CS-Studie: In Appenzell Innerrhoden lebt es sich am günstigsten

Über steuergünstige Wohngemeinden wird breit diskutiert. Die eigene Steuerbelastung mit einem Umzug zu senken scheint opportun. Vergleiche der Steuerbelastung alleine greifen jedoch zu kurz. Denn neben der unterschiedlichen Besteuerung fallen eine Reihe weiterer, regional unterschiedlicher Zwangsabgaben und Fixkostenan, welche die finanziellen Folgen eines Wohnortswechsels beeinflussen. Das geeignete finanzielle Kriterium bei der Wohnortwahl ist das frei verfügbare Einkommen, welches sich nach Berücksichtigung sämtlicher wohnortsgebundener Kosten ergibt. Die Ökonomen der Credit Suisse berechnen das frei verfügbare Einkommen in den rund 2’700 Schweizer Gemeinden seit 2006 für eine Vielzahl von hypothetischen Haushaltstypen, wie die Credit Suisse Group am Dienstag mitteilte.


Appenzell Innerrhoden verteidigt seine Spitzenposition
Mit dem RDI-Indikator (Regional Disposable Income) für die Kantone fassen die Ökonomen der Credit Suisse die Werte des frei verfügbaren Einkommens für eine Vielzahl von Falltypen zusammen. Wie bereits im Jahre 2006 erreicht der Kanton Appenzell Innerrhoden die höchste Bewertung. Dank einer moderaten Steuerbelastung und tiefer Immobilienpreise bleibt AI für den breiten Mittelstand am attraktivsten. Gemeinsam mit Nidwalden weist Innerrhoden auch die tiefsten Krankenversicherungsprämien auf. Als Folge der Optimierung ihrer steuerlichen Rahmenbedingungen weisen die Kantone Obwalden, Thurgau, Solothurn und Schaffhausen gegenüber 2006 deutliche Rangverbesserungen auf.


Wachstum der Wohnkosten relativiert Steuervorteile
Hauptsächlich aufgrund des überdurchschnittlichen Wachstums der Miet- und Immobilienpreise haben hingegen die Kantone Schwyz, Nidwalden und Zug für den breiten Mittelstand an Attraktivität eingebüsst; die steuerlichen Vorteile werden sogar teilweise durch die erhöhten Wohnkosten aufgewogen. Seit 2006 ziehen mehr Personen aus dem Kanton Zug weg, als aus anderen Kantonen zuziehen. Gemäss Einschätzung der Ökonomen der Credit Suisse ist diese Trendwende hauptsächlich auf die sinkende finanzielle Wohnattraktivität dieses Kantons zurückzuführen. Dank einer ungebrochenen internationalen Anziehungskraft weist Zug jedoch weiterhin ein hohes Bevölkerungswachstum auf.


In den Grosszentren lebt sich’s teuer
Am unteren Ende der Skala rangieren weiterhin die Stadtkantone Genf und Basel-Stadt. Hohe Wohnkosten führen – zusammen mit einer überdurchschnittlich starken Steuerbelastung sowie rekordhohen Gesundheitskosten – zu einer tiefen finanziellen Wohnattraktivität. Die Zentrumskantone Bern, Zürich und das Waadtland sind dank ihren ausgedehnten Agglomerationen und ländlichen Regionen etwas näher am Schweizer Mittel platziert als die reinen Stadtkantone, rangieren aber klar hinter der Mehrheit der Kantone. Hier wirken sich die hohen Wohnkosten und Krankenversicherungsprämien in Ballungsräumen auf die Budgets der ansässigen Haushalte belastend aus. Eine Ausnahme stellt Winterthur dar, welches als sechstgrösste Stadt im Schweizer Vergleich weiterhin überdurchschnittliche RDI-Werte erreicht und sich damit unter den grösseren Städten als äusserst attraktiv erweist. Für die Gemeinden im Umfeld der Grosszentren bietet sich die Chance, sich als finanziell attraktive Wohnorte zu positionieren: So sind um Zürich – und in geringerem Ausmass auch um Basel – Agglomerationsgürtel entstanden, in welchen die frei verfügbaren Einkommen höher liegen als in der Kernzone. Im Umfeld der Grosszentren Bern und Lausanne ist eine vergleichbare Entwicklung noch weniger weit fortgeschritten.


Verschärfter Standortwettbewerb
Der Standortwettbewerb zwischen den Regionen der Schweiz hat in den letzten Jahren an Intensität zugenommen. Angesichts der in der Regel soliden finanziellen Lage und weiterer günstiger Voraussetzungen haben die Kantone und Gemeinden den Spielraum bei der Gestaltung ihrer Umverteilungs-, Steuer- und Gebührensysteme umfassend genutzt. Einzelne Kantone haben – rückblickend betrachtet – sogar wieder zu revidierende Massnahmen zur Erhöhung ihrer Attraktivität für Zuzüger ergriffen. Prominenteste Beispiele sind das degressive Steuermodell Obwaldens sowie die starke Reduktion des steuerbaren Eigenmietwerts im Kanton Basel-Landschaft. Beide Massnahmen wurden vom Bundesgericht für ungültig erklärt und verdeutlichen, wie intensiv der Steuerwettbewerb geführt wird.


Fixkosten sind mitentscheidend bei der Wohnortswahl
Bei der Wohnortswahl berücksichtigen die Haushalte zahlreiche Faktoren. Neben Wohnlage und Infrastrukturangebot, der Verfügbarkeit passender Wohnobjekte, emotionalen Kriterien und persönlicher Vernetzung an einem Ort spielen finanzielle Faktoren eine wichtige Rolle. Gemäss Einschätzung der Ökonomen der Credit Suisse sollten dabei neben der Steuerbelastung auch andere obligatorische Abgaben, etwa die Krankenversicherungsprämien oder die Ausgestaltung der Eigenmietwertbesteuerung für Wohneigentümer, berücksichtigt werden. Darüber hinaus wird die finanzielle Attraktivität eines Wohnorts von einer Reihe standortgebundener Fixkosten beeinflusst. Regional unterschiedliche Preise für Immobilien, Nebenkosten oder Elektrizität haben teilweise sogar einen höheren Anteil an den Ausgaben eines Haushalts als die obligatorischen Abgaben.


Was unter dem Strich bleibt: das frei verfügbare Einkommen
Das frei verfügbare Einkommen stellt das zentrale finanzielle Kriterium bei der Wohnortwahl dar. Es bezeichnet denjenigen Betrag, welcher einem Haushalt unter Berücksichtigung aller Einkommenskomponenten und nach Abzug sämtlicher Zwangsabgaben (Einkommens- und Vermögenssteuern, Sozialversicherungsbeiträge, berufliche Vorsorge, Krankenversicherungsprämien) und Fixkosten (Wohn-, Neben- und Elektrizitätskosten) für den Konsum zur Verfügung steht. Da dieser Wert je nach den spezifischen Eigenschaften eines Haushalts unterschiedlich ist, haben die Ökonomen der Credit Suisse das frei verfügbare Einkommen für eine Vielzahl von hypothetischen Haushaltstypen in den rund 2’700 Schweizer Gemeinden berechnet.


Bereits auf kleinem Raum beachtliche Unterschiede
Die Unterschiede der finanziellen Wohnattraktivität zwischen den Gemeinden können deutlich ausfallen, wie das folgende hypothetische Beispiel zeigt: Familie Muster wohnt in Bettingen (BS) in einem Einfamilienhaus mit mittlerem Ausbaustandard (Fremdfinanzierung 80%). Herr und Frau Muster haben zwei Kinder, verfügen über ein erspartes Vermögen von 300’000 CHF und erzielen gemeinsam ein Erwerbseinkommen von 150’000 CHF. Mit der Familienzulage und dem Vermögensertrag erreicht der Haushalt ein Bruttoeinkommen von rund 156’600 CHF. Nach Abzug aller Zwangsabgaben (Steuern, Vorsorge- und Sozialversicherungsbeiträge, Prämien der obligatorischen Krankenkasse) sowie der Wohnkosten, Wohnnebenkosten und Elektrizitätskosten resultiert ein frei verfügbares Einkommen von 36’800 CHF. Im nahe gelegenen Rheinfelden (AG) würden der Familie 61’400 CHF für den Konsum zur Verfügung stehen, was einer Differenz von über 24’000 CHF entspricht.


Wie viele Rappen eines zusätzlichen Lohn-Frankens bleiben für den Konsum?
Aufgrund der Einkommenssteuer und weiterer einkommensabhängiger Kostenfaktoren bleibt von jedem zusätzlichen Franken Erwerbseinkommen nur ein Teil für den Konsum übrig, das sogenannte Grenzeinkommen. Die regionalen Unterschiede zeigen sich auch anhand dieses Indikators: Während die Zuger Haushalte durchschnittlich 73 Rappen eines zusätzlichen Frankens zur Verfügung haben, müssen sich die Neuenburger mit 57 Rappen begnügen. Sie liegen damit deutlich unter dem Schweizer Durchschnitt von 65 Rappen. Bezüglich des Grenzeinkommens konnten sich die Kantone Obwalden, Luzern und Basel-Landschaft gegenüber 2006 am stärksten verbessern. (cs/mc/ps)

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