DE: Wirtschaft drängt auf Reformen – Verluste am Aktienmarkt

Der Leitindex DAX sank zeitweise um mehr als zwei Prozent auf 4.873 Punkte, erholte sich dann aber auf rund 4.927 Punkte. Am schlechtesten schnitten die Aktien der grossen Energieversorger ab, die sich weniger Chancen auf die Verlängerung der Restlaufzeiten von Atomkraftwerken ausrechnen. Der Euro rutschte zunächst auf den tiefsten Stand seit sieben Wochen. Die europäische Gemeinschaftswährung fiel zeitweise unter die Marke von 1,21 Dollar. Der Euro kostete gegen Mittag 1,2135 Dollar. Am Freitag lag der Referenzkurs noch bei 1,2243 Dollar.


«Chance verpasst»
Ein schneller und umfassender Reformkurs sei nach diesem unklaren Wahlausgang nicht mehr zu erwarten, sagte der Leiter des ZEW-Forschungsbereich öffentliche Finanzwirtschaft, Friedrich Heinemann, am Montag in einem dpa-Gespräch in Mannheim. «Insgesamt bedeutet das, dass die Chance verpasst wurde, Deutschland auf einen hohen Wachstumspfad zu hieven.»


Konsequenter Reformkurs
Der unklare Ausgang der Bundestagswahlen wird nach Einschätzung des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) keine unmittelbaren Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum haben. Auch der Einfluss auf Eurokurs und Börse sei nur kurzfristig, sagte DIHK-Präsident Ludwig Georg Braun in Berlin. Wichtig sei aber, dass jetzt eine stabile Regierung für die gesamte Legislaturperiode gebildet werde, die einen konsequenten Reformkurs verfolge. Indirekt befürwortete Braun eine schwarz-gelb-grüne oder eine schwarz-rote Koalition. Nach Einschätzung des Hamburger Wirtschaftswissenschaftlers Thomas Straubhaar wird der ungewisse Wahlausgang negative Auswirkungen auf die Wirtschaft nach sich ziehen. «Eine grosse Koalition wird sich über einige Punkte schnell einigen können, aber zu Lasten Dritter», sagte der Direktor des Hamburgischen WeltWirtschafts-Instituts (HWWI) der dpa in Hamburg.


«Desaster»
Der Vorstandschef des Chemie- und Pharmakonzerns Altana, Nikolaus Schweickart, hat das Ergebnis der Bundestagswahl der «Financial Times Deutschland» (Montag) zufolge als ein «Desaster» für die deutsche Wirtschaft bezeichne. Eine grosse Koalition bedeute Stillstand.


«Schöpferische Pause»
Eine «schöpferische Pause» – ob in der Politik oder der Wirtschaft – kann sich, angesichts des zunehmenden Wettbewerbsdrucks und der Herausforderungen für den Standort Deutschland, niemand leisten», betonte VDA-Präsident Bernd Gottschalk.


Reformtempo verlangsamt
Das Reformtempo in Deutschland wird sich nach Einschätzung der Grossbank UBS deutlich verlangsamen. Unabhängig davon, welche Parteien nun die Regierung bilden, werde der Reformprozess ins Stocken geraten oder sogar ganz gestoppt werden, schrieben die UBS-Analysten Bernd Janssen und Ralf Kugelstadt am Montag in einer Studie.


Grosse Koalition
«Noch ist nicht alles verloren», sagte ifo-Chefvolkswirt Gernot Nerb in München. Auch in einer grossen Koalition könne man einiges bewegen. «Warum sollte das nicht funktionieren?» In jedem Fall müsse aber der Reformkurs weitergeführt werden. (awp/mc/gh)

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