Der Wegelin Anlagekommentar: «Basel II» bereits obsolet?

Obwohl der Autor des Kommentars, Dr. Konrad Hummler, Anfang Juli 2007 zu den frühen Warnern vor dem sich aufbauenden Unheil gehörte, muss er heute feststellen, dass sich die Krise als schlimmer und hartnäckiger herausstellt, als anfangs befürchtet. Gemäss den Schätzungen von Wegelin beläuft sich der Schaden auf 1’000 bis 1’500 Mrd. US Dollar, entsprechend der Summe, die ab 2003 übermässig in Richtung «Subprime-» und «Alternative-A-» Hypotheken in den USA floss und heute als «unwiederbringlich verbrannt» gelten muss. Das liegt in etwa im Bereich der Schätzungen des IMF, aber immer noch deutlich unterhalb derer von anerkannten Ökonomen wie R. Shiller und N.
Roubini.

Eher «too big to rescue» als «too big to fail»
Stellt man diesen Zahlen den aktuellen Stand an Abschreibungen von weltweit 503 Mrd. und die erfolgten Kapitalerhöhungen von 352 Mrd. US Dollar gegenüber, so wird deutlich, wie ernst die Lage noch immer ist. Dies gilt um so mehr, als dass bislang vor allem Banken betroffen waren und die Liquidität für weitere Rettungsmassnahmen noch deutlich schwieriger zu beschaffen sein wird – auch angesichts der inzwischen äusserst engen Handlungsspielräume der Zentralbanken. Heute kann niemand mehr auf die implizite Staatsgarantie vertrauen: Es gilt eher «too big to rescue» als «too big to fail». Unter all diesen Vorzeichen ist vorerst an ein Ende der Kreditmarktkrise nicht zu denken – der Anleger ist weiterhin gut beraten, Vorsicht walten zu lassen.


Angemessene Eigenkapitalquote statt maximaler «Return on Equity»
Die ersten Lehren aus der Krise können allerdings bereits gezogen werden. So zeigt ein Blick auf die Finanzkrisen der letzten 25 Jahre, dass Extremereignisse um ein Vielfaches häufiger vorkommen, als das in den allgegenwärtigen statistischen Modellen angenommen wird. Auf solchen Modellen bauen auch zentrale Regelwerke wie etwa das kürzlich eingeführte «Basel II» auf, das den Banken für «liquide» Positionen in der Bilanz nominelle Reduktionen auf den erforderlichen Eigenmitteln erlaubt. Wenn es aber so etwas wie Liquiditätsübertreibungen gibt, die in unregelmässigen Abständen schockartig zu Ende gehen, dann sind die Vorschriften in bezug auf die erforderlichen Eigenmittel für Banken grundsätzlich zu hinterfragen. Der Autor geht sogar noch weiter: Es gibt Indizien dafür, dass die Aktienmärkte nicht nur in den letzten 12 Monaten Banken mit im Branchenvergleich relativ höheren Eigenmitteln mit einer besseren Performance belohnen. Eine vorsichtigere Vorgehensweise des Managements würde damit belohnt und das Geschäfts- und Entschädigungsmodell vieler Banken revisionsbedürftig. Es ginge plötzlich nicht mehr um den maximalen «Return on Equity», sondern um eine angemessene Eigenkapitalquote.

(Wegelin/mc/hfu)





Der Anlagekommentar von Wegelin & Co. Privatbankiers
wird seit 1909 publiziert. Der Kommentar erscheint sieben Mal jährlich mit einer Auflage von mehr als 60’000 Exemplaren.  Der Anlagekommentar wird von Dr. Konrad Hummler, geschäftsführendem und unbeschränkt haftendem Teilhaber von Wegelin & Co., verfasst. Die Wegelin-Anlagekommentare sind als Printversion (pdf) und Podcast auf www.wegelin.ch abrufbar.

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