Etienne Jornod, CEO Galenica Gruppe

von Patrick Gunti


Herr Jornod, Galenica hat auch 2007 mit einem Rekordergebnis und einer Gewinnsteigerung von 30,1 % aufgewartet. Was hat das Geschäftsjahr 2007 geprägt, in welchem Umfeld ist es zu Stande gekommen?


Ich denke, dass wir 2007, wie in den vergangenen Jahren, von der guten strategischen Positionierung unserer Gruppe in allen vier Geschäftsbereichen profitieren konnten. Wir ernten die Früchte der Entscheide, die wir in den letzten 13 Jahren getroffen haben und die nicht immer einfach waren. Überall, in der Schweiz wie im Ausland, sind wir mehr gewachsen als die jeweiligen Märkte. Das heisst aber nicht, dass wir keine Probleme haben. Unsere Herausforderung ist, unser Handeln immer wieder in Frage zu stellen, denn der Markt verändert und entwickelt sich von Tag zu Tag immer schneller.


Im Pharmabereich wurde der Vorjahresumsatz um 11,6 % übertroffen, das Betriebsergebnis gar um 18,1 %. Welches waren die Wachstumstreiber?


Wir haben die Abrechnungsmodalitäten mit einigen unserer Agenten geändert und wir haben auch Produktegruppen abgetreten. Unter Berücksichtigung dieser Einflüsse haben wir sogar ein Plus von 15,6% erwirtschaftet. Drei wichtige Parameter haben unsere Umsätze beeinflusst: Unsere Eisenpräparate Venofer® und Maltofer® sind weltweit weiter gewachsen. Die OTC-Produkte in England haben sich sehr gut entwickelt dank einem sehr guten internen Wachstum und dank Produkteakquisitionen wie EquazenTM IQ, das wir ab April auch in der Schweiz verkaufen. Und schliesslich verzeichneten auch die OTC-Produkte in der Schweiz ein sehr gutes Wachstum, allen voran Algifor®, Triofan® und Perskindol® (+4,8% bei einem Gesamtmarktwachstum von +1% (IMS).


2007 wurde in der Schweiz sowie in 18 EU-Ländern Ferinject registriert, eine neuartige, intravenös zu verabreichende Eisenersatztherapie. Die erste Markteinführung erfolgte in Deutschland, seit Februar ist das Medikament auch in der Schweiz erhältlich. Wie sieht der weitere Fahrplan aus?


Wir planen, Ferinject® im zweiten Halbjahr 2008 auch in England, Schweden, Norwegen, Dänemark und Spanien auf den Markt zu bringen.


Die therapeutische Anwendung injizierbarer Eisenpräparate ausserhalb der Dialyse ist in den meisten europäischen Ländern ein Novum. Welche Herausforderung stellt der Informationsprozess in den jeweiligen Ländern dar?


Die Herausforderung wird sein, die Opinion-Leader für die jeweiligen Indikationen wie Gastroenterologie, Gynäkologie, Kardiologie oder Onkologie zu überzeugen, und zwar mittels fundierten wissenschaftlichen Arbeiten, sowie wir es in der Schweiz gemacht haben. Der Erfolg spricht für sich: heute werden injizierbare Eisenpräparate in über 85% der Fälle ausserhalb der Dialyse angewendet.



«Wir sind überzeugt, dass die Erfahrungen, die wir zur Zeit in Europa sammeln, und die zusätzlichen klinischen Studien, die wir durchführen werden, uns weitere Antworten auf die Fragen der FDA geben werden.» (Etienne Jornod, CEO Galencia)


In den USA hat die Federal Drug Administration FDA Ferinject resp. Injectafer, wie das Medikament dort heisst, zumindest vorerst nicht zugelassen. Was beanstandet die FDA?


Seit den Vorfällen rund um das Medikament Vioox im Jahr 2004 lässt die FDA bei der Zulassung von neuen Medikamenten äusserste Vorsicht walten. 2007 wurden in den USA nur 17 neue Produkte zugelassen. Kommt hinzu, dass die Anwendung von intravenös verabreichbarem Eisen ausserhalb des Dialysebereichs in den USA etwas völlig Neues ist. Die FDA verlangt zusätzliche Studien, die wir durchführen werden, auch um den Mehrwert des neuen Medikamentes aufzuzeigen.


Sind Sie zuversichtlich, dass die Genehmigung noch erfolgt und in welchem Zeitrahmen könnte diese frühestens der Fall sein?


Wir sind überzeugt, dass die Erfahrungen, die wir zur Zeit in Europa sammeln, und die zusätzlichen klinischen Studien, die wir durchführen werden, uns weitere Antworten auf die Fragen der FDA geben werden. Ein Terminplan ist noch nicht definiert.


Anfang dieses Jahres hat Galenica die Übernahme der kanadischen Aspreva abgeschlossen. Aspreva wird als eigenständige Tochtergesellschaft in den Pharmabereich integriert. Welche Erwartungen und Pläne sind mit der Übernahme von Aspreva verbunden?


Aspreva ergänzt unsere pharmazeutischen Aktivitäten ideal. Bis anhin haben wir uns vor allem auf die Bereiche Forschung und Entwicklung sowie auf die Produktion fokussiert. Die Marktbearbeitung haben wir Agenten übertragen. Aspreva wird zur Zeit vollumfänglich in den Bereich Pharma integriert und wir schaffen eine neue spezialisierte Pharmagruppe mit dem Namen Vifor Pharma. Aspreva bringt insbesondere erstklassige internationale Kompetenzen in den Bereichen Clinical Development und Medical Affairs mit.


Wie wird sich die Übernahme von Aspreva und deren Integration in die neu Galenica-Pharmagruppe Vifor Pharma zahlenmässig auswirken?


Unabhängig von den ursprünglichen Aktivitäten von Aspreva werden wir einen grossen Teil ihrer Einnahmen einsetzen für die Entwicklung unseres internationalen Netzwerkes von Filialen, für die Lancierung von Ferinject® in Europa und für die Realisierung von klinischen Studien. Mit diesen Studien wollen wir die weiteren möglichen Indikationsbereiche von Ferinject® aufzeigen, die ich bereits erwähnt habe, was uns bei der Zusammenarbeit mit den Meinungsführer unterstützen wird.

Wir haben nie Zahlen prognostiziert, aber immer präzisiert: Trotz der hohen Zusatzkosten und trotz der schnellen Abschreibung der immateriellen Anlagen in Zusammenhang mit dieser Akquisition, wird sich der konsolidierte Gewinn zum 13. Mal in der Folge im zweistelligen Prozentbereich entwickeln. Genau gesagt haben wir immer von über 20% gesprochen.


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Was hat das Jahr der umsatzmässig grössten Sparte Logistics gekennzeichnet?


Zwei Schlüsselelemente haben die hervorragende Leistung 2007 (Umsatz + 17,9%, EBIT + 63,9%) beeinflusst: Die erfolgreiche Integration der Tessiner Pharmagrossistin Unione und die Qualität unserer Leistungen, dank denen wir wiederum Marktanteile gewonnen haben.


Wann wird das neue Distributionszentrum in Niederbipp seinen Betrieb aufnehmen und welche Möglichkeiten eröffnen sich dadurch?


Das neue Distributionszentrum wird im Juli den Betrieb voll aufnehmen, ab dann werden die Liefertouren sukzessive von Schönbühl und Zürich nach Niederbipp transferiert. Das Projekt umfasst nicht nur die Zusammenlegung von zwei Standorten, sondern ermöglicht uns vor allem, neue logistische Prozesse zu definieren und einzuführen. Beispielsweise verfügen wir heute über einen Automatisierungsgrad von 35% und zwar nur im Bereich der Versandvorbereitung. In Niederbipp streben wir Werte von 65 – bis 70% an, und dies für alle Prozesse, von der Warenannahme bis zum Versand. Dies erreichen wir vor allem mit dem Einsatz neuer Technologien.


Der Retail-Bereich wuchs leicht über dem Schweizerischen Apothekenmarkt. Sie verfügen heute über ein Apotheken-Netzwerk von 228 Standorten. Wann wird das strategische Ziel von 300-350 Standorten erreicht sein?


Der Bereich Retail wuchs 2007 um 19,6%. Einerseits haben wir neue Standorte akquiriert, andererseits wurden auch Standorte geschlossen und zusammengelegt. Geht man davon aus, dass pro Jahr durchschnittlich circa 10 bis 25 Akquisitionen, Neueröffnungen, Franchise- und weitere Partner hinzukommen, sollten wir unser Ziel in 5 bis 7 Jahren erreichen.



«In Niederbipp streben wir Automatisierungs-Werte von 65 – bis 70% an, und dies für alle Prozesse, von der Warenannahme bis zum Versand.» (Etienne Jornod)


Welches Konzept verfolgt die ebenfalls 2007 übernommene MediService?


MediService ist eine Schweizer Spezialapotheke, die sich auf die Bedürfnisse von chronisch- und schwerkranken Patienten mit eingeschränkter Mobilität und anspruchsvollen Therapien spezialisiert hat. Die Geschäftstätigkeiten basiert auf zwei Säulen: Im Bereich Pharma Direct stellt MediService ihren Patienten rezeptpflichtige Medikamente direkt nach Hause zu. Der Bereich Pharma Care ist zusätzlich auf die Betreuung und Pflege von Menschen mit schweren und seltenen Krankheiten spezialisiert, wobei ausgebildete Pflegefachleute die Patienten bei ihren anspruchsvollen Therapien vor Ort betreuen. Die integrierte pharmazeutische Therapie beinhaltet auch administrative Unterstützung und versicherungstechnische Beratung. Pharma Care beinhaltet ein vielversprechendes Wachstumpotenzial und erwirtschaftet nach nur drei Jahren Aktivität bereits rund 50% des Umsatzes von MediService.


Wie hat sich der Bereich HealthCare Information im vergangen Jahr entwickelt?


Der Bereich HealthCare Information spielt eine wichtige strategische Rolle für unsere Aktivitäten in der Schweiz und er ermöglicht den verschiedenen Leistungserbringern im Gesundheitswesen, sich zu vernetzen und Synergien zu nutzen. Wir entwickeln unsere verschiedenen Produkte konsequent weiter. Zum Beispiel mit der Übernahme der Schweizer Softwarefirma BMC, welche eine hervorragende Ergänzung zu den Software-Produkten von Triamun bildet.

Ich bin überzeugt, dass sich im laufe der nächsten Jahre unsere Kunden und Partner sowie vor allem auch unsere eigenen Apotheken von den technologischen und Informations-Vorteilen profitieren. Sie werden es ihnen ermöglichen, besser als die Konkurrenz mit den Turbulenzen umzugehen, die der Gesundheitsmarkt uns noch bringen wird.


Herr Jornod, besten Dank für das Interview.





Zum Unternehmen:
Galenica ist eine diversifizierte Unternehmensgruppe im Gesundheitsmarkt, die unter anderem Pharmazeutika entwickelt, produziert und vertreibt, Apotheken führt, Logistikdienstleistungen anbietet sowie Datenbanken offeriert und Netzwerke etabliert. In allen ihren Geschäftsbereichen  – Pharma, Logistics, HealthCare Information und Retail – hat die Galenica Gruppe eine führende Position inne. Sie realisiert einen grossen Teil ihres Ertrags im internationalen Umfeld.


Zur Person:
Etienne Jornod – Präsident und Delegierter des Verwaltungsrats Galenica Gruppe


– geboren 1953, Schweiz
– lic. oec., HEC Universität Lausanne / Senior Executive Program, Stanford (USA)
– 1975 Eintritt in die Gruppe als Junior Product Manager, verlässt die Gruppe 1978, Rückkehr nach Universitätsabschluss 1981 als Assistent der Generaldirektion, 1989 Mitglied der Generaldirektion, seit 1996 Präsident und Delegierter des Verwaltungsrats von Galenica
– Mitglied des Vorstands SGCI Chemie Pharma Schweiz, Zürich

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