EU fordert von Irland Zugeständnisse für Rettung

Der Druck wächst: Im Gegenzug für Finanzhilfen soll die Regierung in Dublin die Unternehmen höher besteuern. «Wir werden mit unseren irischen Freunden über die anstehenden Schritte beraten», sagte der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Werner Hoyer, am Montag in Brüssel am Rande von Beratungen der EU-Aussenminister. «Sie werden sich einem guten Rat nicht verweigern. Deshalb bin ich sicher, dass diese Frage auch mitdiskutiert wird», sagte Hoyer. In Irland ist die Unternehmenssteuer mit 12,5 Prozent im europaweiten Vergleich besonders niedrig – ein grosser Anreiz für ausländische Unternehmen, sich anzusiedeln. Das wird von vielen EU- Ländern, darunter auch Deutschland, als unlauterer Vorteil angesehen, der nun abgeschafft werden sollte. Irland wehrt sich heftig dagegen.


Unter EU-Rettungsschirm geschlüpft
Allerdings sind Steuern nationale Angelegenheiten. Der Sprecher von EU-Währungskommissar Olli Rehn sagte dazu denn auch, «es ist Sache der irischen Regierung, über die Einnahmen und Ausgaben selbst zu entscheiden». Regierungssprecher Steffen Seibert sagte in Berlin, die Körperschaftsteuer oder Unternehmenssteuer sei einer von mehreren Ansatzpunkten, wenn es darum gehe, die Einnahmeseite in Irland zu verbessern. Irland war am Sonntagabend unter den insgesamt 750 Milliarden Euro schweren Rettungsschirm geschlüpft. Einen entsprechenden Antrag hat die irische Regierung nach Aussage des Bundesfinanzministeriums vom Montag inzwischen bei der Euro-Gruppe gestellt. Details und Umfang der Hilfen sind offen. Klarheit wird in dieser Woche erwartet. Die irische Regierung hatte von «unter 100 Milliarden Euro» gesprochen. Spekuliert wird über 90 Milliarden Euro.


Wirkung der «Beruhigungspille» verpufft an Märkten
Die Finanzmärkte reagierten am Montag auf die Irland-Lösung zunächst durchweg positiv, der Euro erholte sich. Die «Beruhigungspille», wie es im Handel hiess, wirkte nur aber nur kurz – der Deutsche Aktien-Index fiel am Nachmittag ins Minus – der Markt warte auf «harte Fakten», wurde moniert. Bei den deutschen Banken, die mit insgesamt rund 115 Milliarden Euro in Irland engagiert sind, und sich nun entspannt zurücklehnen können, herrschte aber durchweg Erleichterung, wie hinter den Kulissen zu vernehmen war. Springen doch erneut die Staaten und damit die Steuerzahler in die Bresche.


Details des Rettungspakets in Klärung
Die Details des Pakets werden derzeit von einer Expertengruppe von EU, IWF und Europäischer Zentralbank (EZB) in Dublin geklärt. Die Verhandlungen werden bis Ende November dauern, sagte EU-Währungskommissar Rehn. Das Nicht-Euro-Land Schweden überraschte mit einem Hilfsangebot von bis zu 1,1 Milliarden Euro. Finanzminister Andres Borg begründete die bilaterale Hilfe damit, dass Irland für die EU «systemrelevant» sei und ein finanzieller Kollaps dort über Grossbritannien und Deutschland auch voll auf Schweden durchschlagen würde.


Hoyer: «Keine Ansteckungsgefahr»
Eine Voraussetzung für die internationalen Milliardenhilfen ist nach Darstellung der Bundesregierung auch eine schriftliche Erklärung von EU-Kommission und EZB, dass durch die Notlage in Irland die gesamte Euro-Zone destabilisiert werden könnte. Hoyer sieht keine Ansteckungsgefahr für andere Wackelkandidaten wie Spanien oder Portugal. Als Reaktion auf die Vertrauenskrise an den Finanzmärkten hatten die EU-Regierungschefs im Frühjahr einen Rettungsschirm beschlossen. Als erste Notfallhilfen können 60 Milliarden Euro der EU-Kommission sofort fliessen. Reicht das Geld nicht, leisten die Euro-Staaten Kreditgarantien von bis zu 440 Milliarden Euro. Dritter Teil sind Hilfen des Internationalen Währungsfonds (IWF) von bis zu 250 Milliarden Euro.


Deutscher Garantierahmen bis zu 123 Mrd Euro
Der Beitrag der teilnehmenden Euro-Länder richtet sich nach ihrem Anteil am Kapital der EZB – für Deutschland rund 28 Prozent. Dazu käme ein Risikopuffer von bis zu 20 Prozent, wenn klamme Staaten nicht mitziehen können und stärkere für sie einspringen müssen. Der deutsche Garantierahmen beträgt also bis zu 123 Milliarden Euro und kann auf rund 148 Milliarden Euro steigen. Die Garantiezusagen sollen bis 30. Juni 2013 befristet sein. Bei den Not-Krediten soll es auch keinen Automatismus geben. Die Euro-Staaten müssen sie einstimmig genehmigen. Kosten entstehen Deutschland zunächst nicht. Die Steuerzahler haften aber für das Risiko. Werden jedoch Notkredite zurückgezahlt und fallen nicht aus, macht der Bund sogar ein gutes Geschäft. Beim Bundesverfassungsgericht sind noch mehrere Klagen anhängig.


Situation mit Griechenland vergleichbar
In der EU werden strengere Massnahmen diskutiert – für die Zeit nach Auslaufen des aktuellen Rettungsschirms im Jahr 2013. Dabei geht es auch um eine vor allem von Deutschland geforderte Beteiligung privater Geldgeber an der Sanierung eines Euro-Landes. Diese Pläne haben für Unruhe unter Investoren und an den Märkten gesorgt. Luxemburgs Aussenminister Jean Asselborn verglich Irland mit Griechenland, das im Mai ebenfalls mit einem milliardenschweren Kreditpaket von EU und IWF vor dem Bankrott gerettet werden musste – der Rettungsschirm wurde aber erst danach geschaffen. «Irland befindet sich in einer sehr schwierigen Phase, die Griechenland vergleichbar ist», sagte er. «Wir werden das Problem Irland lösen wie wir das Problem Griechenland gelöst haben. Und dann hoffe ich, dass die Lage sich stabilisiert.» 


Grossbritannien will ‹Freund in Not› helfen
Ungeachtet eigener Haushaltsprobleme hat Grossbritannien seinem Nachbarn Irland am Montag offiziell Finanzhilfe in Milliardenhöhe angeboten. Irland sei «ein Freund in Not» sagte Schatzkanzler George Osborne im Unterhaus in London. Über die Höhe eines bilateralen Kredites machte Osborne noch keine Angaben. Einzelheiten müssten noch ausgehandelt werden. Britische Medien gingen von einem Umfang von rund sieben Milliarden Euro aus. Grossbritannien ist nicht Mitglied der Eurozone und somit nur sehr begrenzt am Rettungsschirm der Euro-Länder und des Internationalen Währungsfonds beteiligt, der über Irland aufgespannt wird. Auch Schweden – ebenfalls nicht Mitglied der Eurozone – bot Irland Hilfe in Höhe von bis zu 1,1 Milliarden Euro an.


Britische Banken unter Hauptgläubigern Irlands
Osborne hatte erst im Oktober erhebliche Haushaltskürzungen für sein eigenes Land in Höhe von 81 Milliarden Pfund für die nächsten vier Jahre verkünden müssen, das nach seiner eigenen Darstellung am «Rande der Pleite» gestanden hatte. Nichtsdestotrotz hat Grossbritannien nationale Interessen, die eng mit dem Schicksal Irlands verbunden sind. Die britischen Banken zählen neben deutschen und französischen Investoren zu den Hauptgläubigern Irlands. Über Nordirland ist Grossbritannien direkter Nachbar – die einzige Landgrenze des Insel-Königreichs. Das britische Handelsvolumen mit Irland ist grösser als mit den aufstrebenden Industrienationen Brasilien, Russland, China und Indien zusammengerechnet. (awp/mc/ps/21)

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