Eurizon: Konsensprognosen für das zweite Halbjahr

Eurizon: Konsensprognosen für das zweite Halbjahr
Alessandro Solina, Deputy General Manager & CIO bei Eurizon. (Bild: Eurizon/mc)

Wie wird sich das Jahr 2025 an den Märkten entwickeln? Der Blick richtet sich auf den Konsens, gestützt auf die durchschnittlichen Prognosen von Ökonomen und Finanzanalysten sowie auf die in den Marktpreisen enthaltenen Erwartungen. Die Analyse des Konsenses im Vergleich zu den Erwartungen zu Jahresbeginn dient nicht der Erstellung einer präzisen Prognose. Sie hilft vielmehr dabei, die Entwicklung der Märkte besser einzuordnen.

Makroökonomisch haben sich in der ersten Hälfte des Jahres 2025 die Erwartungen an eine Fortsetzung des globalen Konjunkturzyklus bestätigt, wenn auch in abgeschwächter Form. Die durch Handelszölle und zunehmende geopolitische Spannungen verursachten Volatilitätsspitzen haben diesen Trend nicht grundsätzlich infrage gestellt. Im Jahr 2025 dürfte das Wachstum in der Eurozone bei rund 0,9% liegen. Für 2026 wird ein leichter Anstieg auf etwa 1% erwartet. In den USA prognostizieren Analysten für 2025 ein Wachstum von 1,4 %. Das entspricht einem deutlichen Rückgang gegenüber den 2,8 % im Jahr 2024. Für 2026 wird eine moderate Erholung auf 1,6% erwartet. Die Abschwächung der US-Konjunktur ist auf die Unsicherheiten infolge der Handelskonflikte sowie auf den jüngsten Anstieg des Ölpreises im Zusammenhang mit geopolitischen Themen zurückzuführen. Europa wartet unterdessen auf die Konkretisierung der Pläne für eine expansive Fiskalpolitik in Deutschland und durch die EU- Kommission.

Im Jahr 2025 bestätigt sich die Inflation als stabilisierend. Zunächst hatten die von den USA eingeführten Handelszölle die Inflationserwartungen der Märkte ansteigen lassen. Inzwischen haben sich diese Befürchtungen jedoch weitgehend gelegt. In der Eurozone hatte sich die Inflation im Jahr 2024 bei 2,4% eingependelt. Im ersten Halbjahr 2025 zeigte sich ein rückläufiger Trend. Der Konsens rechnet daher mit einer Inflationsrate von 2,0 % für 2025 und 1,9 % für 2026. Die Kerninflation lag 2024 im Durchschnitt bei 2,9 %. Für 2025 wird ein Rückgang auf 2,4 % erwartet, womit sie sich dem Zielwert der EZB von 2% annähert. Im Jahr 2026 dürfte sie voraussichtlich unter diesen Wert fallen. In den USA lag die Inflation im Jahr 2024 bei 3,0 %. Für 2025 bestätigt sich der Konsens auf demselben Niveau. Zwar hat sich das Tempo zuletzt verlangsamt, doch die mittelfristigen Auswirkungen der Handelspolitik und der fiskalpolitischen Reform veranlassen die Anleger, an ihren Erwartungen von 3,0 % festzuhalten. Die von der Fed bevorzugte Messgrösse, die Kerninflation, lag 2024 bei 2,8 %. Für 2025 wird ein Anstieg auf 3,0 % erwartet. Diese Erwartungen deuten auf eine Normalisierung der Preise hin und schliessen grössere Ausschläge aus. Das gilt auch vor dem Hintergrund der neuen Spannungen im Nahen Osten und der bislang begrenzten Auswirkungen auf den Ölpreis.

Das Jahr 2025 erweist sich als ein Jahr der Zinssenkungen durch die Zentralbanken, wenn auch mit unterschiedlicher Geschwindigkeit. Der Markt erwartet, dass der Einlagesatz der EZB bis Jahresende von 2,0 % auf 1,75 % sinkt. Seit Juni 2024 hat die Zentralbank die Zinsen bereits um insgesamt 200 Basispunkte gesenkt. Für die Fed haben die Ankündigung neuer Zölle und die erwarteten fiskalpolitischen Impulse die Erwartungen für Zinssenkungen zwar abgeschwächt, aber nicht vollständig aufgehoben. Der Markt rechnet nun mit einem Zinssatz von 3,75% bis Ende 2025. Das entspricht zwei Zinssenkungen im Vergleich zu den sieben, die Ende 2024 noch erwartet worden waren. Der Vergleich zwischen geld- und inflationären Erwartungen zeigt: Eine Senkung des EZB- Leitzinses auf 1,75 % würde bedeuten, dass die Zinsen leicht unter der Inflationsrate liegen. Die Geldpolitik läge damit zwischen neutraler Ausrichtung und moderater Expansion. Angesichts des schwachen Wachstums in der Eurozone erscheint diese Annahme realistisch. Für die Fed würde eine Senkung der Zinsen auf 3,75 % bedeuten, das Zinsniveau weiterhin über der Inflationsrate zu halten. Die Geldpolitik bliebe damit in einem leicht restriktiven Bereich. Angesichts einer nur moderat nachlassenden Konjunktur und einer weiterhin über dem Zielwert liegenden Inflation erscheint auch dies als angemessener Schritt.

Für die Anleihenmärkte lassen sich auf Basis der Forward-Sätze Prognosen ableiten, da diese die in der aktuellen Zinskurve implizierten zukünftigen Zinssätze abbilden. Die Euro-Zinskurve mit kurzfristigen Renditen von 2,0% und langfristigen Renditen von 2,6% (für zehnjährige Laufzeiten) signalisiert für das kommende Jahr eine positive Neigung. Erwartet werden sinkende kurzfristige Renditen, während die langfristigen leicht über dem aktuellen Niveau bleiben dürften. Die Veränderungen der US-Zinskurve fallen noch moderater aus. Kurz- und mittelfristige Zinsen gehen leicht zurück und spiegeln die geldpolitischen Schritte der Fed wider. Die langfristigen Zinsen liegen geringfügig über dem aktuellen Niveau. Diese Angaben entsprechen den Erwartungen in Bezug auf Wirtschaftswachstum, Inflation und Geldpolitik. Dass die kurzfristigen Zinsen in einem Jahr voraussichtlich unter dem heutigen Niveau liegen, spiegelt die in den aktuellen Zinssätzen der EZB und der Fed enthaltenen Markterwartungen wider. Dass sich die langfristigen Abschnitte der Zinskurven nicht verändern, deutet hingegen auf die Erwartung eines fortgesetzten Konjunkturzyklus hin. Es wird erwartet, dass Anleger von den Kuponzahlungen der Anleihenmärkte profitieren und zusätzlich Kapitalgewinne erzielen können, falls es zu einer unerwarteten Konjunkturabschwächung kommt. Dies wirkt wie eine Art Versicherung gegen eine Rezession.

An den Aktienmärkten hängt die zukünftige Entwicklung der Indizes von der kombinierten Entwicklung der Unternehmensgewinne und der Bewertungsmultiplikatoren (KGV) ab. Während es keine Konsenserwartungen für die Entwicklung der KGVs gibt, liefern Analysten Gewinnschätzungen für die kommenden Jahre. In der Eurozone, gemessen am Eurostoxx, werden die Gewinne bis 2025 um 2,6 % steigen und sich 2026 auf +11,3 % beschleunigen. In den USA wird für den S&P 500 ein Anstieg von +9 % im Jahr 2025 und eine weitere Steigerung auf +13,9 % im Jahr 2026 erwartet. Diese Schätzungen spiegeln für die USA die Erwartungen hinsichtlich fiskalischer Massnahmen zur Unterstützung der Unternehmen und den üblichen wichtigen Beitrag der Gewinne aus dem Technologiesektor wider. Für Europa liegen die Wachstumsraten unter denen der USA, was den Erwartungen hinsichtlich eines geringen Wirtschaftswachstums und einer niedrigen Inflation entspricht. Das Gewinnwachstum allein sollte nicht als Schätzung der erwarteten Rendite der zugrunde liegenden Märkte verstanden werden, da es in Verbindung mit der Entwicklung des Multiplikators (KGV) betrachtet werden muss. Aus dieser Perspektive wirkt der US-Markt hoch bewertet, während die europäischen Multiplikatoren weitgehend dem langfristigen historischen Durchschnitt entsprechen.

Alessandro Solina, Deputy General Manager & CIO bei Eurizon, kommentiert: „Neben den zunehmenden geopolitischen Spannungen liegt das Hauptaugenmerk der Anleger auf den wirtschaftspolitischen Entscheidungen in den USA. Während die Realwirtschaftsdaten in den USA solide bleiben, geht die Inflation zurück. Europa macht unterdessen eine leichte Schwächephase durch, da die Märkte auf die Veröffentlichung genauer Einzelheiten zu neuen Ausgabenplänen warten.

Für 2025 erwarten die Märkte eine Wiederaufnahme der Lockerungspolitik durch die Fed, welche die Zinsen auf 3,75 % senken dürfte, sowie auf weitere Massnahmen der EZB, welches die Zinsen bis auf 1,75 % senken würden.

Vor diesem Hintergrund halten wir Staatsanleihen aufgrund ihrer über der Inflation liegenden Kuponzahlungen und ihrer Fähigkeit, das Portfolio abzusichern, weiterhin für attraktiv. Auch Unternehmensanleihen, die im Vergleich zu Staatsanleihen eine valide Quelle für zusätzliche Renditen bieten, sehen wir weiterhin positiv.

Die Aktienmärkte profitieren von den Erwartungen einer anhaltenden Konjunkturbelebung, wenngleich geopolitische Unsicherheiten für Volatilität sorgen könnten.“ (Eurizon/mc/ps)

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