Fastweb: Ausmass der Vorwürfe überrascht Swisscom

Nach derzeitigem Kenntnisstand sei das Geschäft von Fastweb nicht beeinträchtigt, heisst es. Das Unternehmen sei zwar beim Fastweb-Kauf im Jahr 2007 über ein Verfahren wegen mutmasslicher Steuerhinterziehung informiert gewesen, habe die jüngsten Entwicklungen aber nicht erwartet, teilte die Swisscom am Mittwoch mit. So dehnten die italienischen Behörden die Untersuchung auf weitere Verdächtige aus, wie am Vorabend bekannt wurde. Haftbefehle liegen demnach gegen 56 Personen vor und es gab bereits erste Festnahmen.


Ermittlungen gegen Firmengründer
Die Ermittlungen richten sich unter anderem gegen fünf frühere Manager und Mitarbeiter von Fastweb. Betroffen ist auch Firmengründer Silvio Scaglia. Dieser liess über seinen Anwalt mitteilen, er befinde sich im Ausland und sei bereit, zur Aufklärung beizutragen. Scaglia erklärte sich für unschuldig. Er hatte seine Aktien 2007 an Swisscom verkauft. Untersuchungen richten sich zudem gegen Ex-Verwaltungrat Mario Rossetti und den amtierenden CEO Stefano Parisi. Auch Manager der Telecom-Italia-Tochter Sparkle sind im Visier der Behörden.


Geldwäscherei-Vorwürfe
Zum Mehrwertsteuerbetrug kommen Vorwürfe der Geldwäscherei hinzu, die sich an das Personal der missbräuchlich handelnden Drittfirmen und der beteiligten Firmen richten, wie die Swisscom erklärte. «Eine Gesamtsumme von 2 Mrd EUR hinterzogener Mehrwertsteuern soll im Spiel sein, weil eine Vielzahl von Unternehmen betroffen ist, darunter Fastweb mit rund 40 Mio EUR», so der Telekomkonzern.


Zweifelhafte Transaktionen
Fastweb hatte den Angaben zufolge in den Jahren 2003 bis 2006 Telefonkarten und Sprachverkehr von italienischen Anbietern eingekauft und weiterverkauft. In den Einstandspreisen waren die italienischen Mehrwertsteuern enthalten. Der Vorwurf lautet, dass die Transaktionen von den Lieferanten nur eingegangen wurden, um die Bezahlung der von Fastweb geleisteten Mehrwertsteuern an den Staat zu umgehen. Als Folge der Untersuchung wurden Fastweb bis heute noch nicht sämtliche Mehrwertsteuern zurückerstattet.


Fastweb sieht sich als Geschädigte
Swisscom lagen bei der Fastweb-Akquisition nach eigenen Angaben zwei verschiedene Gutachten von Steuerberatungsgesellschaften vor, nach denen die beanstandeten Transaktionen korrekt waren und Fastweb zur Rückerstattung der Mehrwertsteuern berechtigt ist. Die fehlende Rückforderbarkeit war gemäss damaligem Kenntnisstand als Risiko in das Kaufangebot eingeflossen. Fastweb selbst sieht sich als geschädigte Partei.


Kommissarische Verwaltung droht 
Die italienischen Behörden beantragten dem Gericht die Bestellung eines Kommissars gegenüber Fastweb. Dies ist laut Swisscom eine behördliche Aufsicht, die die Weiterführung der Geschäftstätigkeit nicht beeinträchtigen soll. Über das sogenannte Commissariamento entscheidet ein Richter am 2. März. Analysten werten dies jedoch als Risiko. Es könnte Fastweb etwa bei der Lancierung neuer Produkte lähmen und der Konkurrenz einen Vorsprung verschaffen, heisst es.


Mögliche Wertberichtigungen bereiten Analysten Sorgen
Auch mögliche Wertberichtigungen machen den Analysten Sorgen. Inklusive der übernommenen Schulden hatte die Swisscom vor knapp drei Jahren 6,9 Mrd CHF für Fastweb bezahlt. Der gesamte Goodwill in der Bilanz lag Ende 2009 bei 6,7 Mrd CHF und der Anteil der italienischen Tochter wird bei 2,6 Mrd CHF gesehen. Auch in den sonstigen immateriellen Vermögenswerten der Swisscom von 2,3 Mrd CHF könnten noch Fastweb-Positionen enthalten sein, zum Beispiel Kundenbeziehungen.


Fastweb-Aktie weiter im Sinkflug
Das Unternehmen selbst macht zum jetzigen Zeitpunkt keine Angaben zu den möglichen finanziellen Folgen. Mutter- und Tochtergesellschaft wollen nach eigenen Angaben eine raschen Klärung der Vorwürfe und sichern der Justiz volle Unterstützung zu. Die Börse reagiert hierzulande negativ, die Aktien der Swisscom tendieren kurz vor Mittag in einem kaum veränderten Gesamtmarkt 1,2% leichter bei 368,20 CHF. Die Fastweb-Valoren knüpfen an der Mailänder Börse an die negative Tendenz vom Vortag (-7,6%) an und verlieren in einem eher schwachen Umfeld 3,7% auf 14,50 EUR.&(awp/mc/ps/09) 

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