Franz Julen, CEO IIC Intersport International Corp.

von Jolanda Lucchini


Herr Julen, der Winter 2008/2009 brachte der Intersport Gruppe ein Rekordergebnis. Ist der Start in die diesjährige Wintersaison auch geglückt?

Gerade in den Wintermonaten ist unser Geschäft ganz entscheidend vom Wetter abhängig. Die Saison hat positiv angefangen. Es war kalt im Oktober, und so verzeichneten wir in diesem Monat gute Einzelhandelsumsätze. Der November war dann eher harzig, da besonders die zweite Hälfte des Monats zu warm war. Im Dezember – gerade in den wichtigen Wochen vor Weihnachten – war es wiederum in ganz Europa sehr kalt und winterlich. Obwohl es zum Jahreswechsel hin in ganz Europa recht warm wurde lief das Geschäft auch im Dezember äusserst erfreulich. Seit Oktober bis Ende Dezember sind wir gegenüber dem Vorjahr weltweit mit 6 % im Plus. 


Was macht ein richtig kalter Winter bei Ihnen in Zahlen aus?

Ob es im Dezember kalt oder plus 15 Grad ist, was wir auch schon erlebt haben, kann einen Unterschied im Einzelhandelsumsatz von bis 20 % ausmachen.


Mit welchem Gesamtumsatz 2009 rechnen Sie konkret?

Von den meisten Ländern kennen wir bereits die Einzelhandelsumsätze 2009. Wir rechnen 2009 mit einer Umsatzsteigerung von mindestens 5 %. Die bevorstehende Fussball-WM in Südafrika spielt dabei auch bereits eine Rolle. Der offizielle WM-Ball oder die Heim-Trikots waren ein beliebtes Weihnachtsgeschenk. Wir gehen davon aus, dass der Einzelhandelsumsatz der ganzen Intersport Gruppe 2009 das erste Mal 14 Milliarden Franken übersteigen wird.


Spürten Sie die Finanzkrise überhaupt nicht?

In Italien und Spanien schon, weil dort die Wirtschaftslage extrem schwierig ist. In beiden Ländern sind wir 2009 mit Umsatzrückgängen konfrontiert. Wir gehen davon aus, dass dort jetzt die Talsohle auch erreicht ist, rechnen aber nicht mit einem grossen Wachstum für 2010.


Trotz Fussball-WM? Spanien und Italien sind doch grosse Fussballnationen?

Sicher, die WM wird helfen, sofern diese beiden Länder ins Halbfinale oder gar ins Finale kommen. In einem WM oder EM Jahr machen wir mit Fussballartikeln immer zwischen 10 und 20 % mehr Umsatz. Wir sind ja der grösste Fussballartikelhändler der Welt und verzeichnen allein in diesem Bereich jährlich 1 Milliarde Franken Einzelhandelsumsatz.


«In einem WM oder EM-Jahr machen wir mit Fussballartikeln immer zwischen 10 und 20 % mehr Umsatz.»


Was trug denn dazu bei, dass Sie für 2009 trotz den schwierigen Märkten in Spanien, Italien, aber auch in den ehemaligen Ostblockstaaten insgesamt einen Umsatzzuwachs verzeichnen können?

In den letzten 12 Monaten hat es sich einmal mehr erwiesen, dass wir generell mehr Wetter- als Konjunkturabhängig sind. Das Sportartikelgeschäft ist viel resistenter gegen eine Wirtschaftkrise. Wenn es kriselt, machen die Leute lieber zuhause Ferien und gehen hinaus in die Natur. Der Outdoor-Bereich ist ein boomendes Geschäft mit zweistelligen Zuwachsraten.


Sparen die Leute denn überhaupt nicht?

Nicht bei normalen Sportgeräten, deren Preise zwischen 100 und 500 Franken liegen. Bei ganz teuren Bikes oder Fitnessgeräten, die bis zu 5000 Franken kosten, spüren wir die Zurückhaltung aber schon. Insgesamt ist es aber so: Wir haben in der Vergangenheit festgestellt, dass es uns jeweils in der Hochkonjunktur gut geht ? und auch dann noch, wenn es wirtschaftlich schwierig wird. Erst wenn die Wirtschaft nach einem Tief wieder langsam anzieht, wird es für uns härter.


Wie erklären Sie sich das?

Der Konsument gibt wieder Geld für grössere Dinge aus, die er in der unsicheren Zeit zurückgestellt hat. Zum Beispiel verreist er wieder in die Ferien, kauft Autos, TV-Geräte, PCs oder Möbel, dafür wird der Neukauf eines Tennisschuhs gerne um 6 Monate verschoben.


«Die über 60-Jährigen wollen jünger, besser und fitter aussehen, und da hilft auch der Sport entscheidend mit.»


Welche Trends zeichnen sich künftig für Ihre Branche ab?

Wir haben mit drei Instituten eine Mega-Trendanalyse gemacht. Dabei haben sich vier Haupttrends herauskristallisiert. Der erste Trend betrifft die Überalterung der Gesellschaft. 2020 werden 60 % der Menschen in Europa über 60 Jahre alt sein. Diese Bevölkerungsgruppe eröffnet uns ein riesiges Potential, denn sie hat Zeit und Geld und investiert beides unter anderem gerne in sportliche Aktivitäten.


Sie sprechen von Aging-down-Effekt?

Ja, die über 60-Jährigen wollen jünger, besser und fitter aussehen, und da hilft auch der Sport entscheidend mit. Zudem legen diese Konsumenten besonders viel Wert auf ein solides, seriöses und nachhaltiges Produkt. Sie wollen Qualität, Beratung und Service. Und gerade Intersport steht nicht für Discount-, sondern für Fachhandel, eröffnet das enorme Perspektiven.


Das heisst in Zahlen?

Wir rechnen in diesem Kundensegment für die kommenden Jahre mit einem Umsatzplus von mindestens 10 %.


Welches ist der zweite Megatrend?

Die Woman-Power. Immer mehr Frauen sind berufstätig und finanziell unabhängig. Sie müssen von uns besser abgeholt werden. Mit einem Running-Schuh, der Frauenfarben hat, ist es nicht getan. Es braucht ein Gesamtkonzept vom Produkt über Atmosphäre und Merchandisings im Geschäft via entsprechender Gestaltung der Ladeneinrichtung bis hin zur Kommunikation.


Und die weiteren Trends?

Das sind der Wellness- und der Have-Fun-Trend. Begünstigt werden sie nicht zuletzt durch das härtere Arbeitsumfeld. Die Menschen suchen als Ausgleich in der Freizeit mehr Spass, Freude und Erholung. Und sie möchten etwas für die Gesundheit tun. Heute geht man nach der Arbeit nicht mehr einfach nur etwas trinken, vorher treibt man zusammen noch etwas Sport. Das hat stark mit dem Community-Thinking zu tun. Vorläufer dieser Tendenz sind Sportarten wie Nordic Walking oder Aqua Gym.


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Der französische Sportriese Decathlon will 2010 in die Schweiz expandieren. Was bedeutet dies für Intersport?

Decathlon ist für uns sicher auf die nächsten 5 bis 10 Jahre hinaus gesehen der grösste Konkurrent. Er ist schon jetzt nach Intersport der zweitgrösste Sportartikelhändler auf der Welt. Das Konzept ist aber ganz anders als das unsrige. Bei Decathlon sind ungefähr 60 bis 65 % Eigenmarken, bei uns beträgt dieser Anteil 17 bis 18 %. Natürlich stehen wir zu unseren Eigenmarken. Unser Ziel ist es, auf 25 % zu kommen. Wir profilieren uns aber vor allem als Fachhandel und über Markenprodukte wie Nike, Salomon, Atomic und Adidas sowie mit Service und Beratung.

Haben Sie demnach keine Angst vor Decathlon?

In der Schweiz habe ich, sofern Decathlon wie in Spanien oder Frankreich auf billige Eigenmarken setzt, weniger Angst. Der Schweizer legt grossen Wert auf Qualität, Service und Beratung. Weltweit gesehen ist Decathlon aber ein grosser Mitbewerber, den wir sehr ernst nehmen und ganz genau beobachten.


Das schwedische Unternehmen H&M verkauft auch erfolgreich sportliche Freizeitmode. Auch eine ernsthafte Konkurrenz für Intersport?

Neben Decathlon und vielen eher national ausgerichteten Mitbewerbern sehen wir vor allem zwei Konkurrenten. Einerseits sind es die elektronischen Medien. Die Jungen geben für Handys und Videogames viel Geld aus, das früher sicher teilweise in Sportartikel ging. Wir müssen die 12- bis 15-Jährigen deshalb wieder für den Sport begeistern. Der zweite Typus Mitbewerber sind Einzelhandelsketten wie H& M, Tchibo oder auch Aldi. Sie haben erkannt, dass Sport sexy und recht konjunkturresistent ist und setzen daher immer mehr auch auf Sportprodukte. Sie werden uns unsere Marktstellung streitig machen wollen.


«Weltweit gesehen ist Decathlon aber ein grosser Mitbewerber, den wir sehr ernst nehmen und ganz genau beobachten.»


Wird ihnen das auch gelingen?

Bei den beratungsintensiven Produkten wie Skischuhe, Skis, Fussball- und Runningschuhe oder Tennisschlägern werden sie keine Chance haben. Aber im Freizeitbereich darf man sie nicht unterschätzen.


Im Mai 2007 vergaben Sie eine Intersport-Lizenz an die Al-Futtaim Group in Dubai, weil Sie die Vereinigen Arabischen Emirate als «idealen Ort für Intersport» einschätzten. Ziel war es, bis 2009 fünf 1000 m2 Läden zu realisieren. Ihre Erwartungen sind nicht erfüllt worden. Warum?

Die Wirtschaftskrise hat gerade diesen Teil der Welt sehr stark getroffen. Deshalb wurden Shopping Malls nicht oder verspätet fertig gestellt. Wir haben aber heute zwei Geschäfte in Dubai, beide über 1000 m2 gross. Sie laufen gut. Al-Futtaim hat zudem in Kuwait ein Geschäft eröffnet, 2010 werden wir eines in Abu Dhabi, ein weiteres in Dubai und vier in Saudi Arabien eröffnen. 2011 ist zudem die Expansion nach Ägypten geplant.


Die Zusammenarbeit mit Al Futtaim ist für Sie also befriedigend?

Ja, es ist der richtige Partner. Er besitzt übrigens auch die Ikea, Marks & Spencer- und Toys «R» Us- Lizenz, ist solide finanziert und hat eigene Shopping Malls und Zugang zu guten Locations. Mit diesem Partner planen wir, bis 2014 im mittleren Osten zwischen 20 und 25 Geschäfte zu eröffnen.


In China suchen Sie den richtigen Partner noch.

Richtig. In China waren wir kurz vor der Olympiade in Peking zwar schon sehr nah an einem Masterfranchise Agreement. Bei zwei, drei Punkten konnten wir uns aber nicht einigen. Heute bin ich dankbar dafür. Das erste Geschäft in China wäre nämlich nach Plan Ende 2008, mitten in der grössten Krise, eröffnet worden. Das wäre suboptimal gewesen. Denn nach einer alten Weisheit betreffend Franchise-Konzept müssen die ersten zwei, drei Läden funktionieren. Sonst verliert der Partner die Überzeugung. In China sind wir derzeit am Verhandeln. Dieser Markt kann einmal grösser sein als der Europäische. Da dürfen wir keine Fehler machen.


Haben sie denn schon welche gemacht?

Als europäisch geprägter Mensch habe ich zu viel Druck gemacht und bin das eine oder andere Mal zu schnell vorgegangen. In China funktioniert das nicht. Es braucht Zeit, Geduld und eine Vertrauensbasis. Ein CEO ist dort vor allem da, um mit andern CEOs Kaffee zu trinken. Die Deals werden weiter unten im Detail vereinbart.


«Ich glaube, jeder Berufsmann ist umso erfolgreicher, wenn er das, was er verkauft, auch verkörpert und lebt.»


Wir haben vorher den Aging-Downeffekt angesprochen. Wie halten Sie sich körperlich und geistig fit?

Mein ganzes Leben war vom Sport geprägt. Ich jogge wöchentlich 2 bis 3 Mal, spiele regelmässig Tennis, fahre im Winter viel Ski und bin im Sommer gelegentlich auf dem Golfplatz. Sport hält mich fit und gibt mir die Möglichkeit, leistungsfähig zu sein. Zusätzlich ernähre ich mich bewusst gesund. Ich glaube, jeder Berufsmann ist umso erfolgreicher, wenn er das, was er verkauft, auch verkörpert und lebt. Umso schöner, wenn man das Hobby wie ich zum Beruf machen konnte.


Der Ski-Olympiasieg Ihres Bruders 1984 war für Sie sicher ein wichtiges Highlight im Leben. Welches Ereignis hatte für Sie im Geschäftsumfeld eine besondere Bedeutung?

Ich glaube, ebenfalls der Olympiasieg vom Max. Durch diesen Sieg wurden mir Kontakte und Türen geöffnet, die ich sonst nicht gehabt hätte.






Der Gesprächspartner:
Der Zermatter Franz Julen, 51, absolvierte nach der Wirtschaftsmatura die Hotelfachschule Luzern. Er war Rennbetreuer und Manager seines Bruders Max Julen, dem Riesenslalom-Olympiasieger von 1984, und arbeitete als Sportjournalist und als Sportvermarkter bei Marc Biver. 1993 wurde er ? damals gerade 34-jährig ? Chef der Skifirma Völkl. Seit 2000 ist er CEO der Intersport International Corporation (IIC). 


Die Firma:
Die IIC-Intersport International Corporation mit Hauptsitz in Bern ist die Einkaufs-und Management-Gesellschaft der Intersport-Gruppe. Sie wurde 1968 von zehn nationalen Einkaufsverbänden gegründet und schreibt seither schwarze Zahlen. Mit einem Retail-Umsatz von 14 Milliarden Franken und mehr als 5000 angeschlossenen Händler in 37 Ländern hält Intersport die weltweit führende Position im Sportartikel-Einzelhandel. Intersport International beschäftigt 253 Mitarbeitende in Bern und im Einkaufsbüro im chinesischen Shenzhen.

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