G 20-Treffen: US-Finanzsektor als möglicher Krisengewinner

Von Karl-Heinz Goedeckemeyer


Somit sind die Hoffnungen auf dem G 20-Gipfel der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer am 2. April in London auf ein Minimum gesunken. Dabei wurde das Treffen der G-20-Staaten als richtungsweisend für die Zukunft der Finanzmärkte bezeichnet. Warnungen von George Soros, wonach diese Konferenz den Durchbruch für eine Reform bringen müsse, wurden offenbar nicht erhört. Soros bezeichnete auch die Massnahmen der neuen US-Regierung bei der Rekapitalisierung des Finanzsektors als ziemlich enttäuschend. Diese komme noch nicht wie gewünscht voran. Verständnis äusserte Soros hingegen für die Haltung der Bundesregierung und Guttenbergs, der erneut ein weiteres Konjunkturpaket ablehnte. 


Experten uneins über US-Anstrengungen
Was die Anstrengungen der USA für eine Reform der Finanzmarktaufsicht angeht, herrscht unter Experten grosse Verunsicherung. So will die Regierung die Grundzüge der neuen Regularien und Zuständigkeiten der G-20 vorstellen, wobei sich vor allem grössere Befugnisse für die Notenbank Federal Reserve abzeichnen. Strukturell dürften sich für Banken höhere Eigenkapitalanforderungen sowie strengere Regularien im Endkundengeschäft, zum Beispiel mit Hypotheken und Kreditkarten ergeben. Die entsprechenden Initiativen von Finanzminister Timothy Geithner lehnen sich dabei stark an Vorschläge von Fed-Chairman Ben Bernanke. Es wird ferner erwartet, dass Geithner eine generelle Aufsichtsrolle des Staats für Finanzprodukte fordert, die direkt an Konsumenten verkauft werden, einschliesslich, Hypotheken und Kreditkarten. Insgesamt dürfte die neue Aufsichtsstruktur zu einem Machtzuwachs für die Fed führen. Beobachter verweisen aber auch darauf, dass in der aktuell stark zersplitterten Aufsichtsstruktur bisher keine Behörde einen grösseren Überblick über grosse Marktsegmente hat.


Deutschland drängt auf strengere Finanzmarktaufsicht
Anderseits drängt sich der Verdacht auf, dass die USA und Grossbritannien vorrangig nur die Konjunktur mit weiteren Finanzspritzen aufpumpen wollen. Stärkere Regularien, die auch die Finanzinstitutionen betreffen, dürften eher hinten angestellt werden. Im Gegensatz dazu will die deutsche Bundesregierung unterstützt von Frankreich keine Konjunkturprogramme installieren und statt dessen stärker auf eine strengere Finanzmarktaufsicht drängen. Wenngleich das Vorhaben der Kanzlerin durchaus nachzuvollziehen ist, muss Deutschland und auch Europa aufpassen, dass sie nicht von den angelsächsisch geprägten Ländern vorgeführt und zu Nebenspielern degradiert werden. Wenngleich die Finanzkrise noch lange nicht ausgestanden ist, bereiten sich die USA und Grossbritannien bereits auf die Zeit nach der Krise vor. Beide Länder wollen die Führungsrolle ihrer Finanzzentren (New York und London) mit aller Macht verteidigen, da steht eine strengere Regulierung nur im Wege. Nicht umsonst wurden Milliardensummen in den Finanzsektor gesteckt.


US-Banken stärker als je zuvor?
Machen wir uns deshalb nichts vor, die Amerikaner wollen die Führungsrolle auf den Kapitalmärkten wieder herstellen. Dazu benötigt man starke Banken. Obama wird seine Forderung nach einer stärkeren Regulierung des Finanzsektors wohl nur in kleinen Umrissen umsetzen können. Erschwerend kommt hinzu, dass sein Finanzminister in der Krise bisher eher eine schwache Figur abgegeben hat und in Washington schon als Fehlbesetzung angesehen wird. Auch Obama wird einsehen müssen, dass die Banken zu mächtig geworden sind, um diese zu bändigen. Amerika wird zwar politisch geschwächt aus der Krise hervorgehen, die Banken aber werden dank der Kapitalspritzen und der wohlmöglichen Befreiung der toxischen Assets stärker als je zuvor auf den Kapitalmärkten agieren können. Dazu zählen in erster Linie J.P. Morgan, Bank of America, Wells Fargo und Goldman Sachs und eventuell sogar die Citigroup. Diese werden nicht nur die Wall Street, sondern auch abseits der USA die Finanzzentren dominieren.


Staatshilfen schnell wieder vergessen
Die Politiker haben es in der Krise versäumt, die Macht der Banken einzuschränken. Mit Blick auf die eskatischen Kursgewinne im US-amerikanischen Finanzsektor n der letzten Woche drängt sich der Verdacht auf, dass die Investoren ebenso denken. Infolge dessen wird auch die Gier an den Finanzmärkten schnell zurückkehren, Banken werden durch neue, unregulierte Produkte weiterhin Milliarden verdienen und Investmentbanker wieder mit Millionen-Bonuszahlungen bei der Stange gehalten werden. Die Tastsache, dass sich Investoren bereits mitten in der Rezession anscheinend in Sicherheit wähnen und auf Kommentare zum Geschäftsverlauf von Firmenvertretern im Finanzsektor euphorisch reagieren, ist kein gutes Zeichen. Denn dass die Banken inzwischen profitabel arbeiten können, wie das die Citigroup und Bank of America andeuteten, ist vorrangig auf die Kapitalspritzen der Regierung zurückzuführen. Offenbar scheint in Vergessenheit zu geraten, dass beide Banken ohne den Staat längst pleite wären.





Der Autor
Karl-Heinz Goedeckemeyer (geb. 1957, Betriebswirt / Certified Real Estate Investment Analyst) ist unabhängiger Finanzanalyst und Wirtschaftspublizist in Frankfurt am Main. Er hat knapp zehn Jahre als Bankenanalyst für Hornblower Fischer und SRC Research gearbeitet. Im Jahr 2004 hat er zusammen mit Oliver Everling das Handbuch «Bankenrating» herausgegeben. Seit 2008 ist Goedeckemeyer freiberuflicher Mitarbeiter eines nationalen Projektentwicklers sowie Fachautor für diverse Banken- & Immobilienmagazine.

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