G20: Weltfinanzgipfel legt Grundstein für globale Finanzarchitektur

Erklärtes Ziel: Eine derartige Krise soll sich auf keinen Fall wiederholen, wie die Gipfelteilnehmer in ihrer Abschlusserklärung unterstreichen. «Wir haben wichtige Schritte zu einer globalen Wirtschaftsordnung gemacht», sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Frankreichs Staatschef, der amtierende EU-Ratspräsident Nicolas Sarkozy sagte: «Wir betreten eine neue Welt.» Der scheidende US-Präsident George W. Bush verlangte, die Regulierung der Finanzmärkte müsse den Anforderungen des 21. Jahrhunderts entsprechen. «Unser Regulierungssystem stammt noch aus dem 20. Jahrhundert.»


Überwachungslücken auf Finanzmärkten schliessen
Im Kern wollen die G20-Teilnehmer jegliche Überwachungslücken auf den Finanzmärkten schliessen. Merkel sagte, künftig werden «alle Marktteilnehmer, alle Produkte und alle Märkte wirklich überwacht und reguliert werden». Rund 50 konkrete Massnahmen eines Aktionsplans sollen bis Ende März nächsten Jahres ausgearbeitet werden. Spätestens im April soll es eine Folgekonferenz geben – womöglich in London. Dann wird auch der künftige US-Präsident Barack Obama dabei sein, der bei dem Treffen in Washington nur am Rande durch hochkarätige Berater vertreten war. Obama tritt sein Amt am 20. Januar an.


Neue globale Kontrollgremien gefordert
Die fünfseitige Abschlusserklärung stellt zu den Ursachen der Krise fest: «Politiker und Überwachungsinstanzen in einigen entwickelten Ländern haben nicht richtig die Risiken eingeschätzt, die in den Finanzmärkten entstanden sind.» Gefordert werden neue globale Kontrollgremien (supervisory colleges). Sie sollen allen grenzüberschreitend tätigen Instituten zur Seite gestellt werden. Mehr Überwachung ist auch für die umstrittenen Ratingagenturen und für die spekulativen Hedge-Fonds geplant. Organisationen wie der Internationale Währungsfonds (IWF) sollen modernisiert werden.


Bekenntnis zu Prinzipien eines freien Marktes
Die Gipfelteilnehmer bekennen sich ausdrücklich zu den Prinzipien eines freien Marktes. Gerade Bush hatte dies immer wieder gefordert. Sie seien der beste Weg zu Wohlstand rund um den Globus, so sein Credo. Nach Einschätzung der Bundesregierung haben aber auch die Amerikaner inzwischen ein elementares Interesse an einer stärkeren Regulierung. Wegen der gigantischen Defizite in Haushalt und Leistungsbilanz sowie des stark auf Kapitalanlagen basierenden US-Rentensystems seien sie auf funktionierende Finanzmärkte angewiesen.


«Europa geeint wie ein Mann»
Der französische Staatschef und EU-Ratspräsident Nicolas Sarkozy lobte Europas Geschlossenheit bei dem Gipfel: «Europa stand geeint wie ein Mann.» Zugleich hob er hervor, viele Zugeständnisse der USA seien noch vor kurzem undenkbar gewesen. Bush sei ein «fairer loyaler Partner gewesen, nicht immer ein einfacher». EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso sprach von einem historischen Gipfel, betonte aber: «Dies ist der Beginn eines Prozesses, das ist nicht das Ende.»


Neues Welthandelsabkommen
Weiteres Ziel der Runde zur Unterstützung der Weltwirtschaft: Noch bis Ende 2008 soll es bei den seit Jahren erfolglosen Verhandlungen über ein neues Welthandelsabkommen doch noch zumindest eine Grundsatzeinigung geben. Einige Länder forderten überdies ein weltweites Konjunkturprogramm gegen die wirtschaftliche Talfahrt. Die Schwellenländer pochten auf mehr Mitsprache. «Die aufstrebende Volkswirtschaften haben diese Krise nicht verursacht, aber sie gehören zu den grössten Opfern», mahnte Indiens Premierminister Manmohan Singh.


Regelmässige Treffen
Der amtierende G20-Vorsitzende, Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva verlangte, die Staats- und Regierungschefs der G20 sollten sich nach der Premiere in Washington künftig regelmässig treffen. Bislang kommen die G20-Mitglieder lediglich auf Ebene von Fachministern zusammen. Sie repräsentiert rund 85 Prozent der weltweiten Wirtschaftsleistung.


Obama unterrichtet
Am Rande des Gipfels trafen Berater Obamas mit Vertretern von mehr als einem Dutzend Ländern zusammen, darunter auch Deutschland. Die frühere US-Aussenministerin Madeleine Albright und der ehemalige republikanische Kongressabgeordnete Jim Leach sollten den künftigen US-Präsidenten im Anschluss über die Gespräche informieren. Bush versicherte, Obama sei umfassend über die Beratungen auf dem Gipfel unterrichtet worden. «Wir arbeiten unermüdlich daran, dass die Machtübergabe nahtlos ist.» (awp/mc/ps/01)

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