Generalstreik gegen Sparkurs blockiert Portugal

Das Land sei weitgehend paralysiert worden, berichtete der Fernsehsender «SIC». «Das ist der grösste Streik in der Geschichte Portugals», jubelte der Generalsekretär der «Allgemeinen Arbeiter-Union» (UGT), João Proença. Den letzten gemeinsamen Ausstand hatten die UGT und der 750.000 Mitglieder starke «Allgemeine Verband Portugiesischer Arbeiter» (CGTP) 1988 organisiert. Die Streikbeteiligung liege bei 80 Prozent, teilten die Gewerkschaften mit. Auch die Regierung von Ministerpräsident José Sócrates räumte eine «bedeutende Beteiligung» ein.


Neuverschuldung auf Rekordhöhe
Die Neuverschuldung Portugals erreichte im vergangenen Jahr den Rekord von rund 9,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Der Haushalt der Regierung sieht für 2011 nie dagewesene Spar- und Sanierungsmassnahmen vor, mit denen das Defizit im nächsten Jahr auf 4,3 Prozent gedrückt werden soll. Unter anderem sollen die Ausgaben für Löhne und Gehälter im öffentlichen Dienst um fünf Prozent gekürzt werden. Die Mehrwertsteuer wird von 21 auf 23 Prozent angehoben. Sócrates versicherte, sein Land werde keine Finanzhilfe benötigen.


VW-Fabrik Autoeuropa steht still
Nach Schätzung von Experten wird der Streik Portugal mindestens 280 Millionen Euro kosten. Die Bänder standen am Mittwoch auch in der Volkswagen-Fabrik Autoeuropa in Palmela südlich von Lissabon still, die über zwei Prozent des portugiesischen Bruttoinlandsprodukts und zehn Prozent der Exporte beisteuert. In der VW-Anlage traten auch Proença und CGTP-Boss Manuel Carvalho da Silva gemeinsam vor Hunderte von Arbeitern. «Auch hier, in der grössten privaten Fabrik des Landes, wird nicht gearbeitet», rief Carvalho. Armut und Unzufriedenheit im Land nähmen immer weiter zu, sagte er.


Praktisch alle Flüge ausgefallen
Der Ausstand traf auch zahlreiche Urlauber aus Deutschland und anderen Ländern. Die Luftfahrtbehörde ANA teilte mit, bis auf drei Ausnahmen seien alle Flüge ausgefallen. Der Lissabonner Flughafen war völlig verwaist. Zwischenfälle wurden von Streikposten der Staatspost CTT gemeldet. Die Polizei habe Streikende grundlos mit Pfefferspray angegriffen, hiess es. Ein Supermarktbesitzer wurde zudem laut Medien festgenommen, nachdem er zwei seiner streikenden Angestellten mit dem Wagen angefahren hatte.


«Tag der Besinnung» beim Militär
Zur Arbeitsniederlegung hatten die Gewerkschaften, die linken Parteien im Parlament und auch einige Bürgerbewegungen aufgerufen. Aber auch konservative Gruppierungen und Politiker schlossen sich auch an oder bekundeten ihre Solidarität. Die Militärangehörigen, die laut Gesetz nicht streiken dürfen, drückten mit einem «Tag der Besinnung» ihre Solidarität mit den Streikenden aus. Und sogar der wichtigste Oppositionsführer, Pedro Passos Coelho von der konservativ orientierten Sozialdemokratischen Partei (PSD), äusserte Verständnis und sagte: «Ich kann die Beklemmung der Portugiesen verstehen». (awp/mc/ps/27)

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