Gillette-Übernahme kam überraschend

«Die Amerikanisierung wird noch mehr zunehmen», fürchtet der erste Bevollmächtigte der IG Metall Frankfurt, Bernd Rübsamen. «Wichtige strategische Entscheidungen werden dann nicht mehr vor Ort getroffen, die drei deutschen Werke werden das Nachsehen haben.»

Weltweit 6.000 Stellen überflüssig
Der US-Konzern (Pampers, Meister Proper, Lenor) hat bereits angekündigt, dass nach der Fusion 6.000 Stellen weltweit überflüssig werden. «Was das für die 6.500 Mitarbeiter in Deutschland bedeutet, ist völlig offen», sagt Rübsamen sorgenvoll. Ein Braun-Mitarbeiter in der Kronberger Zentrale sagt es ganz deutlich: «P&G hat sich die hochprofitable Marke Braun als Milchkuh einverleibt, die man immer weiter melken kann.» Mit seinem elektrischen Scherfolien-Rasierer ist Braun Weltmarktführer und betreibt ein hochprofitables Geschäft, der Umsatz betrug nach Unternehmensangaben 2003 rund 1,18 Milliarden US- Dollar weltweit. Für die Sparte Haushaltsgeräte vom Stabmixer bis zum Toaster sehen die Arbeitnehmervertreter dagegen schwarz: «Da muss man Geld für Innovationen reinstecken, das wird sich P&G zwei Mal überlegen», sagt Rübsamen.

«Es ist viel zu früh, darüber zu reden»
Der Konzern hält sich bewusst bedeckt und will noch nichts über die Auswirkungen auf die deutschen Standorte in Walldürn im Odenwald, Marktheidenfeld und Berlin sagen. «Es ist viel zu früh, darüber zu reden», erklärt eine P&G-Sprecherin in Schwalbach. Der Braun-Betriebsrat wollte zunächst keine Stellungnahme abgeben. Das Schweigen heizt Spekulationen an – doch viele Sorgen könnten unbegründet sein. Denn bereits Gillette hat seit der Braun-Übernahme im Jahr 1967 bewiesen, dass man auf den Hochlohnstandort Deutschland vertraut und weiter hier zu Lande produziert.

Gleichen Kurs hatte P&G auch beim Kosmetikkonzerns Wella
Den gleichen Kurs hat P&G – nach zähem Ringen – beim Kauf des Darmstädter Kosmetikkonzerns Wella vor zwei Jahren verfolgt. Der von vielen befürchtete Kahlschlag blieb aus. «Wir hatten Zeit, den amerikanischen Managern unsere Situation nahe zu bringen – und sie mussten zuhören», berichtet ein Wella- Mitarbeiter, der nicht genannt werden möchte. Nach den vorliegenden Plänen soll der Wella-Stammsitz in Darmstadt zum Hauptquartier für die Friseur-Sparte von P&G ausgebaut werden. Aus deutscher Sicht war brisant, dass die Amerikaner den Düsseldorfer Henkel-Konzern ausstachen u nd den Traum von einem deutschen Grossunternehmen zunichte machten. Umstritten war die Wella-Transaktion im Wert von mehr als fünf Milliarden Euro auch, weil der US-Konzern den stimmberechtigten Stammaktionären mehr als 92 Euro pro Papier zahlte, die Vorzugsaktionäre dagegen mit 65 Euro abspeisen wollte. Mit über 99 Prozent der stimmberechtigten Aktien und dem im Juni 2004 abgeschlossenen Beherrschungsvertrag kann P&G bei Wella zwar schalten und walten, wie es will, sieht sich jedoch weiterhin ständig mit Klagen der Minderheitsaktionäre konfrontiert. Das Nachsehen hatte der US-Konzern 2003 beim Nivea-Hersteller Beiersdorf AG . P&G interessierte sich ebenso wie L’Oreal SA und Unilever Plc für die hochattraktive Beiersdorf-Beteiligung. Gegen einen ausländischen Investor formierte sich aber der Widerstand des Hamburger Senats und des Minderheitsaktionärs Tchibo. Die Stadt befürchtete den Verlust von mehreren tausend Arbeitsplätzen sowie erhebliche Steuerausfälle – der Zuschlag ging schliesslich an eine Investorengruppe um den Hamburger Kaffeeröster Tchibo. (awp/mc/gh)

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