Hans-Rudolf Rütti, Direktor Victoria-Jungfrau, Interlaken

Von Helmuth Fuchs


Moneycab: Herr Rütti, Dr. Peter Bratschi, der Verwaltungsratspräsident der Victoria-Jungfrau Collection  (Victoria-Jungfrau, Bellevue-Palace Bern, Palace Luzern, Eden au Lac Zürich), setzte über das Jahr 2007 den Titel «Back on track». Trifft das auch für das Victoria-Jungfrau zu?


Hans-Rudolf Rütti: On track wäre sicher korrekter für das Victoria-Jungfrau, denn der Aufwärtstrend hält schon seit 2006 an. Es ist aber richtig, dass wir seit 2001 das beste Resultat erzielen konnten.



«Die Schweizer Hotellerie hat zu lange geschlafen und die Weiterentwicklung sträflich vernachlässigt. Das Epizentrum in Sachen Luxus und Dienstleistung hat sich vor Jahrzehnten schon in Richtung Fern Ost verabschiedet.» Hans-Rudolf Rütti, Direktor Victoria-Jungfrau, Interlaken


Der Beherbergungsumsatz im Victoria-Jungfrau stieg im 2007 um 11,6% wovon 10,5% einer Erhöhung der Zimmerpreise zuzuschreiben sind. Wie viel Spielraum haben Sie, den Gewinn in nächster Zeit durch weitere Preiserhöhungen zu steigern?


Es sind dies nicht ausschliesslich Preiserhöhungen, die zu diesem Resultat führten, sondern viel mehr eine sorgfältige Segmentierungsstrategie. Diese weiter zu optimieren ist unser Ziel, denn wir sind immer noch weit entfernt vom Preis, den vergleichbare Häuser erzielen.


Die Zimmerauslastung von 60,2 Prozent bietet noch Steigerungspotenzial für Umsatz und Gewinn. Mit welchen Massnahmen können Sie hier aktiv werden und welche Zahl erwarten Sie für 2008?


Wir erwarten nur eine marginale Erhöhung der Belegung. Das Hotel ist sehr starken saisonalen Schwankungen unterworfen und der hohe Anteil an Tagungen, Konferenzen und Incentives lässt sich teils nur schwerlich planen. So haben z.B. die Dollarschwäche oder die Krise im Finanzmarkt eine unmittelbare Auswirkung. Aber für ein Ganzjahresresort spielen auch das Wetter, die Schneeverhältnisse, etc. eine nicht unwesentliche Rolle. Der optimierte Gästesegmente-Mix und weiterhin sorgfältige Kostenplanung sind der Schlüssel zu höherem Umsatz und Gewinn; und ein Quäntchen Glück gehört auch dazu.


Das Victoria-Jungfrau hatte in den letzten 17 Jahren stets die führende Rolle im Bereich SPA und Wellnessangebot. Jetzt haben vor allem Fünfsternhäuser mit grosszügigen Investoren/Gönnern massiv investiert und bieten ebenfalls Anlagen der Luxusklasse (zum Beispiel Tschuggen Arosa, Eden Roc Ascona oder Park Hotel Weggis). In welche Richtung soll sich das Angebot im Victoria-Jungfrau weiterentwickeln?


Dieser strategische Vorteil, den das Victoria-Jungfrau mit dem SPA erarbeitete, hat sich in der Tat über die letzten fünf Jahre in Luft aufgelöst. Das Original bleibt aber das Original, vorausgesetzt, es geht mit der Zeit. Wir sehen, dass sich der Bereich Wellness mehr und mehr in die präventiv-medizinische Richtung weiterentwickelt und das wird auch unser Weg sein.


Die Umsätze in den Restaurants (La Terrasse – 16 Punkte GaultMillau, Jungfrau Brasserie – 15 Punkte GaultMillau, La Pastateca, Intermezzo & Victoria Bar) haben zwar zugenommen, die Margen sind wegen höherer Personalkosten aber gesunken. Mit Mike Wehrle und Adrian Furer sind zwei ausgezeichnete Küchenchefs am Werk. Alles deutet darauf hin, dass Sie hier einen Schritt nach vorne tun könnten. Was köchelt in der Küche?


Die Restaurants Jungfrau Brasserie und La Pastateca wurden Anfang 2000 neu positioniert und sehr gut in das Hotel integriert. Nach gut 20 Jahren ist es nun am Restaurant La Terrasse. Hier soll ein neuzeitliches Konzept entstehen, ohne dabei den klassischen Rahmen ganz zu verlassen. Die klare Ausrichtung nach oben ist dabei unser Ziel. Seit Anfang Mai können wir nebst den bewährten Chefs auch auf die einschlägige Erfahrung von unserem neuen Executive Chef zählen. Wir sind sicher, dass wir mit diesem Team das Vorhaben erfolgreich umsetzen können.


In den letzten beiden Jahren wurde sämtliche Direktoren der Victoria-Jungfrau Collection ausgewechselt und Emanuel Berger übernahm die Leitung der Collection. Wie eng ist die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Direktoren und welche konkreten Vorteile ergeben sich für die einzelnen Hotels der Gruppe?


Man könnte das vergangene Jahr als Konsolidierungsphase bezeichnen. Nun geht es darum Synergien optimal zu nutzen. Neben Verkauf, Marketing, sowie Public Relation sind auch in den Bereichen IT, Einkauf, Schulung, Mitarbeiterwesen und Finanzen viele Prozesse vorhanden, die es gilt zu bündeln. Gerade der gegenseitige Erfahrungsaustausch spielt eine sehr wichtige Rolle in der Weiterentwicklung der Unternehmung.



«Die Dollarschwäche betrifft insbesondere das Geschäftssegment, d.h. das Konferenzgeschäft. Der Bereich Individualreisende ist insofern weniger sensibel auf Währungsschwankungen, als wir uns eher in einem kaufkräftigen Segment bewegen.»


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Die Individualreisenden machen den grössten Teil Ihrer Gäste aus. Aus welchen Ländern kommen die meisten Gäste und welchen Einfluss hat die Dollarschwäche auf das Geschäft?


Wir haben den Vorteil, dass wir unsere Märkte relativ gut diversifiziert haben (Japan, Indien, Russland, USA, Mittlerer Osten, UK, Deutschland und die Schweiz). Wobei die Schweiz immer noch den wichtigsten Markt darstellt. Die Dollarschwäche betrifft insbesondere das Geschäftssegment, d.h. das Konferenzgeschäft. Der Bereich Individualreisende ist insofern weniger sensibel auf Währungsschwankungen, als wir uns eher in einem kaufkräftigen Segment bewegen. Zum Teil ist es aber auch so, dass wir die Verträge in USD abgeschlossen haben, was sich nicht auf die Frequenz, wohl aber auf den Durchschnittspreis negativ auswirken wird.


Das Victoria-Jungfrau bietet für Konferenzen und Tagungen eine ausgezeichnete Infrastruktur, die Auslastung lässt sich aber scheinbar nur schlecht planen. Welche Möglichkeiten sehen Sie, in diesem Bereich eine kontinuierliche und planbare Auslastung hinzubekommen?


Um dies zu erreichen, muss unser Fokus noch stärker auf dem Individualreisenden im gehobenen Preissegment sein. Idealerweise bildet das die Grundauslastung und Konferenzen ergänzen diese Basis. Für das Individualgeschäft ist insbesondere der Spa ein wichtiger Zuträger. Vorausgesetzt, die Weiterentwicklung kommt zügig voran.


Bevor Sie am 1. Januar 2007 die Geschäftsleitung des Victoria-Jungfrau übernommen haben, führten Sie das InterContinental Hotel in Bukarest. Was sind für Sie die wichtigsten Umstellungen von der «Corporate» Welt nach Interlaken und wie geht Ihre Familie um mit dem Wechsel von Zürich ins Berner Oberland?


Es ist in der Tat eine andere Welt, mal abgesehen vom Land selber. Ein reines Geschäftshotel erfordert stärkeres Führen mit Zahlen. Das Revenue Management spielt dabei eine zentrale Rolle. Dem Mitarbeiterkontakt kommt im Verhältnis zum Gästekontakt auch eine wesentlich wichtigere Bedeutung zu. Im Vergleich zum Victoria-Jungfrau, wo dieses Verhältnis mehr oder weniger ausgeglichen ist. Meine Familie war aber in Zürich zuhause und ich bin zwischen Bukarest und Zürich gependelt. Aber auch der Wechsel von Zürich nach Interlaken war nicht ganz ohne!



«Die Positionierung von Interlaken ist klar, nur leider nicht unbedingt zu unserem Vorteil. Es ist tatsächlich der Gruppentourismus und das Adventure-Segment, die hier eine wichtige Rolle spielen.»


Das Jungfraumassiv, die Lage zwischen den beiden Seen, das Victoria-Jungfrau als ein weltweit bekanntes Resort: Vieles würde Interlaken befähigen, als Destination eine erstklassige Klientel anzuziehen. Im Dorf selbst und auch in unmittelbarer Nähe zum Victoria-Jungfrau wird durch Architektur und Angebot aber oft das Billigsegment adressiert. Verpasst hier Interlaken eine Chance durch eine klare Positionierung?


Die Positionierung von Interlaken ist klar, nur leider nicht unbedingt zu unserem Vorteil. Es ist tatsächlich der Gruppentourismus und das Adventure-Segment, die hier eine wichtige Rolle spielen. Daran ist die geografische Ausgangslage in Richtung Jungraujoch nicht ganz unschuldig. Ein Zwiespalt der sich nur schwerlich ändern lässt: die Bahnen benötigen Frequenzen, wogegen wir lieber Klasse hätten. Der Kongressausbau ist jedoch eine Chance für den Ort, vorausgesetzt er wird in Zukunft zusätzliche Zimmer im oberen Preissegment bereitstellen können.


Die Schweiz hat das Image als Hochpreis- und Hochlohnland. Gerade bei den Löhnen hat sich das innerhalb Europas unter Berücksichtigung der Lohnnebenkosten relativiert. Wie beurteilen Sie das Preis-/Leistungsverhältnis der Spitzenhotellerie in der Schweiz verglichen mit der weltweiten Konkurrenz?


Die Schweizer Hotellerie hat zu lange geschlafen und die Weiterentwicklung sträflich vernachlässigt. Das Epizentrum in Sachen Luxus und Dienstleistung hat sich vor Jahrzehnten schon in Richtung Fern Ost verabschiedet. Heute hat sich dies etwas geändert. Nicht zu letzt Dank den verschiedenen Mäzenen, die unsere Schweizer Hotels mit viel Passion unterstützen. Die Schweiz kann sich aber nur behaupten im weltweiten Markt, wenn sie sich als «Prime Brand» positioniert und nicht als Billigdestination. Das bedingt aber, dass wir dazu stehen und einsehen, dass die komplexe und super funktionierende Infrastruktur des Landes seinen Preis hat. Weiter bedingt es, dass wir unsere Leistung nachhaltig nach oben ausrichten. Ein wenig mehr Selbstbewusstsein, was unsere Leistung anbelangt, würde uns manchmal auch nicht schlecht anstehen. Wir müssen uns nicht genieren, einen hohen Preis für entsprechende Leistung zu verlangen, statt Preis und Leistung nach unten anzupassen!


Zum Schluss des Interviews haben Sie zwei Wünsche frei. Wie sehen diese aus?

1. Ich wünsche mir, dass alle touristischen Leistungsträger erkennen würden, dass die Schweiz nur als Ganzes wahrgenommen wird und wir demzufolge auch als Einheit nach aussen auftreten müssen. Alleingänge oder gar interne Querelen absorbieren zu viel Energie, die wir besser in den Weltmarkt investieren sollten.
2. Mehr Selbstbewusstsein und Stolz für gewisse Traditionen. Tradition ist ja kein Synonym für verstaubt. Der Gast will kein Einerlei erleben, sondern Authentizität und die könnten wir ihm in der Schweiz zuhauf bieten.





Der Gesprächspartner:

Hans-Rudolf Rütti, geboren am 9. März 1959


Ausbildung:
– GSBA/State University New York, MBA
– GSBA, Zürich, Bachelor of Business Administration
– Cornell School of Hotel Administration, Ithaca NY, GMP
– Unternehmerseminar, SHV
– Hotelfachschule Belvoirpark, Zürich

Positionen:
– VICTORIA-JUNGFRAU Grand Hotel & Spa, Interlaken, Direktor
– InterContinental Hotel, Bukarest, Rumänien, Direktor
– Radisson SAS Royal Hotel, Brüssel, Belgien, Direktor
– Dolder Grand Hotel, Zürich, Direktor
– Tschuggen Grand Hotel, Arosa und Hotel Eden Roc, Ascona, Direktor
– Golf- und Sporthotel Hof Maran, Arosa, Direktor


Weitere Aktivitäten:
Mitglied des Verwaltungsrates der Compania Hoteliera Intercontinental Romania SA, Bukarest

Zur Victoria-Jungfrau Collection AG:
Zur kleinen, exklusiven Hotel-Gruppe der VICTORIA-JUNGFRAU COLLECTION gehören das VICTORIA-JUNGFRAU Grand Hotel & Spa in Interlaken, das PALACE LUZERN am Vierwaldstätter See, das BELLEVUE PALACE in Bern sowie das EDEN AU LAC in Zürich. Während sich die Häuser in Interlaken, Luzern und Zürich im Besitz der Victoria-Jungfrau Collection AG befinden, wurde für das BELLEVUE PALACE in Bern ein Pachtvertrag mit der Eigentümerin – der Eidgenossenschaft – unterzeichnet.

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