Hans Schulz, CEO EGL Gruppe

Radovan Milanovic


In den ersten sechs Monaten des laufenden Geschäftsjahres, das per 30.09.2008 enden wird, haben Sie mit -12% oder 2.57 Milliarden Franken deutlich weniger Strom verkauft. In der Folge ging der EBIT um 5% auf 198.5 Millionen Franken zurück. Für den Laien ist es in Zeiten von Energieknappheit und steigenden Energiepreisen schwer verständlich, dass ein Energieanbieter einen Rückgang des operativen Gewinns verzeichnet. Wie begründen Sie dies?& 


Hans Schulz: Die EGL hat im ersten Halbjahr 2007/08 operativ einen deutlich höheren Gewinn erwirtschaftet als in der Vergleichsperiode des Vorjahres. Das Ergebnis im ersten Halbjahr 2006/07 war durch Sondereffekte von CHF 107.8 Mio. beeinflusst gewesen. Vergleicht man das um Sondereffekte bereinigte Ergebnis auf Stufe EBT, konnte die EGL ihr Ergebnis um 43% auf CHF 164.9 Mio. verbessern. Auf Stufe EBIT betrug die Steigerung sogar 96%.

Umsatz- und Verkaufszahlen sind für die EGL wenig aussagekräftig. Wir sind primär im europäischen Energiegrosshandel tätigt, einem Geschäft also, das zu einem grossen Teil aus dem Handel mit Energiederivaten und Emissionszertifikaten besteht. Im Gegensatz zum physischen Energieabsatz werden diese Handelsaktivitäten nicht als Umsatz ausgewiesen, sondern nur der aus ihnen erwirtschaftete Erfolg. Insgesamt verlagert sich das Geschäft der EGL zunehmend vom physischen Stromabsatz hin zum Energiederivatehandel, daher sinkt der Umsatz obschon das Volumen der getätigten Geschäfte massiv zugenommen hat.


Als Grund für den Umsatzrückgang gaben Sie an, dass sich der traditionell physische Stromabsatz  zum Energiederivathandel verlagere, mit dem Sie den Erfolg um 235% auf 179.3 Millionen Franken steigern konnten. Könnten Sie unseren Lesern die Grundzüge von Energiederivaten im Energiehandel erklären? Wer sind Abnehmer solcher Derivate?&


Als Energiederivate gelten alle Geschäfte, die auf den künftigen Kauf oder Verkauf – beziehungsweise die Rechte an solchen Transaktionen – abzielen. Wenn also ein Produzent seine Produktion langfristig als unbedingtes Geschäft (Forward, Future, Swap) verkauft, ist das somit ein Derivat. Typische Abnehmer sind Broker, Grosskunden, Trading-Partner aber auch Utilities, die Preisrisiken auf der Beschaffungsseite über uns hedgen.


Für das Gesamtjahr 2007/2008 erwarten Sie ein besseres operatives Ergebnis. Was begründet Ihren Optimismus?


Der Erfolg des ersten Halbjahres 2007/08 war ein operativer Erfolg, deutlich höher als in Vorjahren und besser als geplant. Wesentlich zu diesem guten Ergebnis beigetragen hat die Tatsache, dass wir unsere Führungsstruktur und Organisation noch stärker auf das Geschäftsmodell und die Herausforderungen der Märkte ausgerichtet haben. Wir gehen daher davon aus, dass wir insgesamt ein operatives Ergebnis erreichen werden, das den um die Sondereffekte bereinigten Vorjahreswert übertrifft.



«Wir konnten unsere Eigenkapitalquote in den letzten zwei Jahren trotz erheblicher Investitionen auf stabilen 34% halten. Unser Fremdkapital ist im Wesentlichen mit festen Zinssätzen aufgenommen.» Hans Schulz, CEO EGL Gruppe


Im April gaben Sie das TAP AG Joint Venture mit StatoilHydro bekannt, welches den Bau und die Betreibung der Trans Atlantic Pipeline, einer 520 Kilometer langen Erdgas Pipeline welche über Griechenland, Albanien durch die Adria nach Apulien zum Ziel hat. Die Kosten von 1.5 Milliarden Euro tragen die beiden Parteien gemeinsam. Rund 25% der Kosten könnten aus einer Kapitalerhöhung finanziert werden. Und wie der Restbetrag, falls das Projekt realisiert wird? In welchem Rahmen dürfte sich diese Investition rechnen?


Die Gesamtkosten für die TAP sind mit rund EUR 1.5 Mia. Veranschlagt, wobei für die Pipeline eine Projektfinanzierung im Verhältnis 80/20 angedacht ist. Für die EGL als Joint-Venture-Partner mit 50%- Beteiligung werden sich die Investitionen an der TAP somit auf rund EUR 150 Mio. (Equity) belaufen. Diese Investition kann die EGL aus selbst erwirtschafteten Mitteln tragen.


Die Beschlussfassung für ein derartiges Projekt hängt von der Beurteilung der gesamten Wertschöpfungskette ab. Das TAP Projekt ist auf Kurs und weit fortgeschritten. Derzeit befindet sich die TAP im Stadium des Front-End-Engineerings. Nachdem die Machbarkeitsstudie der EGL bereits im März 2006 abgeschlossen worden war, konnte die ausführliche Grundlagenplanung im März 2007 beendet werden. Der definitive Investitionsentscheid ist für die zweite Hälfte des Jahres 2009 geplant.


Die Eigenkapitalquote der EGL ist seit 2004 von 47.6% auf 34.2% im März 2008 gefallen, bei einer Verdreifachung des Fremdkapitals auf 3.68 Milliarden Franken. In Anbetracht steigender Zinsen müssen Sie in Zukunft mit erheblichem Zinsaufwand rechnen. Wie stehen Sie diesem Problem gegenüber? Reicht Ihr Fremd-/Eigenkapital Leverage, um die optimistischen Ziele zu erreichen?


Wir konnten unsere Eigenkapitalquote in den letzten zwei Jahren trotz erheblicher Investitionen auf stabilen 34% halten. Unser Fremdkapital ist im Wesentlichen mit festen Zinssätzen aufgenommen, und das Kraftwerk Calenia erwirtschaftet die erwarteten Erträge. Insofern rechnen wir hier nicht mit Problemen. Der starke Anstieg des Fremdkapitals ist auch auf den starken Ausbau des derivativen Handels zurückzuführen, der sich in den negativen und positiven Wiederbeschaffungswerten von aktuell rund CHF 1 Mia. niederschlägt. Diese Verbindlichkeiten unterliegen keiner Verzinsung.


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Durch Ihre steigenden Auslandsaktivitäten nimmt der Umsatzanteil in der Schweiz immer mehr ab. Wie sieht Ihre gegenwärtige geographische Umsatzaufteilung aus?


Als europäischer Energiehändler generiert die EGL bereits seit Jahren den weitaus grössten Teil ihres Geschäftes ausserhalb der Schweiz. Das Schweizgeschäft macht weniger als 2% aus.


Ist Ihrer Meinung nach der Strom- und Erdgasbedarf in der Schweiz in der näheren Zukunft gesichert?


Um das Jahr 2020 werden in der Schweiz die ersten Kernkraftwerke vom Netz genommen werden müssen. Gleichzeitig laufen Energiebezugsrechte mit Frankreich aus. Der Stromverbrauch steigt jedoch von Jahr zu Jahr, womit sich für die Schweiz  – wie übrigens für ganz Europa – eine Versorgungslücke abzeichnet.


Die EGL ist in den vergangenen Jahren zu einem Stromgiganten herangewachsen und hat im vergangenen Jahr fast 67 Terawattstunden Strom verkauft, also mehr als die ganze Schweiz verbraucht. Wie sieht es mit der Erhöhung der Inlandproduktion aus? Tätigen oder planen Sie neue Projekte in der Schweiz? Allenfalls in Form von Gaskombikraftwerken, sollte der Iran Deal zustande kommen oder neue Wind- und Wasserkraftwerke?


Die EGL hat keine Pläne, die Stromproduktion in der Schweiz auszubauen. Der Schweizer Markt wird hauptsächlich von unseren Schwesterfirmen in der Axpo Gruppe, also der CKW und der NOK versorgt. Die EGL fokussiert sich auf den weiteren Ausbau ihres Energie-Handelsgeschäftes sowie den Aufbau eines Asset-Portfolios in den europäischen Märken.


Wie sieht es mit der Verbesserung des Wirkungsgrades bestehender Wasserkraftwerke und Erneuerungsinvestitionen aus? In welchem Rahmen sehen Sie solche Investionen? Bei welchen Kraftwerken? 


Bei den Schweizer Wasserkraftwerken an welchen die EGL beteiligt ist, werden laufend Projekte zur Optimierung des Gesamtwirkungsgrades evaluiert. Darunter fallen sowohl Massnahmen zur Verbesserung des Wirkungsgrades wie auch solche zur Reduktion des Eigenverbrauches. Solche Projekte werden den üblichen Wirtschaftlichkeitsrechnungen unterzogen und als Teil der laufenden Instandhaltung für die nächsten Jahre eingeplant.



«Die EGL hat keine Pläne die Stromproduktion in der Schweiz auszubauen. Der Schweizer Markt wird hauptsächlich von unseren Schwesterfirmen in der Axpo Gruppe, also der CKW und der NOK versorgt.» Hans Schulz, CEO EGL Gruppe


In Anbetracht steigender Energienachfrage bei fallender Förderung fossiler Brennstoffe wird hinter vorgehaltener Hand die Möglichkeit eines neuen AKWs in der Schweiz diskutiert. Sehen Sie diese Möglichkeit? Würde sich die EGL an einem solchen Projekt beteiligen?


Axpo und BKW haben bereits im Dezember 2007 kommuniziert, dass sie gemeinsam den Ersatz der Kernkraftwerke Beznau und Mühleberg planen. Die EGL beteiligt sich nicht an diesem Projekt; seitens Axpo beteiligen sind die Konzerngesellschaften NOK und CKW.


Ab 2020 müssen die bestehenden KKW in Mühleberg (355 MW) sowie Beznau I und II (zusammen 730 MW) ersetzt werden. Zudem laufen die Import-Kapazitäten aus Frankreich (insgesamt rund 2000 MW) schrittweise aus. Es liegt im Interesse der Schweizer Volkswirtschaft, diese Lücke mit der Bereitstellung von neuen inländischen Produktionskapazitäten zu schliessen.


Innerhalb von drei Monaten konnten die EGL Aktien knapp 20% zulegen. Obwohl das Gewinnwachstum und die Zukunftsaussichten bei der EGL erheblich besser sind als jene von Atel und BKW, notieren die Aktien dieser Gesellschaften nach Massgabe des erwarteten P/Es für 2009 je rund 60% höher als die Aktien von BKW . Kennen Sie den Grund für dieses Börsenverhalten? 


Sie werden verstehen, dass wir uns nicht an Spekulationen über das Börsenverhalten beteiligen.






Der Gesprächspartner:
Dr. Hans Schulz ist seit Oktober 2007 CEO der EGL. Er stiess bereits im Oktober 2006 zur Axpo Gruppe und leitete zuvor die Divisionen Netzte sowie Handel und Vertrieb der Axpo Tochtergesellschaft NOK. Er verfügt über langjährige Führungserfahrung in der Industrie. Seit 1987 war er in der zur Oerlikon-Gruppe gehörenden Division Balzers tätig. Die letzten zehn Jahre leitete er diese Division mit weltweit 2.400 Mitarbeitenden. Hans Schulz ist Dr. Ing. Werkstoffkunde und Dipl. Wirtschaftsingenieur.


Das Unternehmen:
Die EGL (Elektrizitäts-Gesellschaft Laufenburg AG) handelt Energie in ganz Europa. Die Handels- und Verkaufsaktivitäten der Gruppe sind auf Grosskunden fokussiert. Sie ist ein Unternehmen der AXPO Gruppe und an der Schweizer Börse SWX kotiert.


Die EGL kauft und verkauft Strom, Gas und energiebezogene Finanzprodukte. Sie ist mit Tochtergesellschaften in den bedeutendsten europäischen Märkten lokal präsent und an den wichtigen Energiebörsen zum Handel akkreditiert. Die EGL hält Kraftwerksbeteiligungen in der Schweiz und investiert in den Aufbau von eigenen Produktionskapazitäten in europäischen Schlüsselmärkten.


 

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