Historischer Schritt: SNB senkt Leitzins um einen vollen Prozentpunkt

Zudem ist es die dritte Senkung innerhalb von nur sechs Wochen: Am 8. Oktober hatte sie das Zinszielband für den massgebenden Dreimonats-Libor um 0,25 Prozentpunkte zurückgenommen, am 6. November ermässigte sie ihn um weitere 0,5 Prozentpunkte. Damit beträgt der Abschlag für den Libor-Zielwert nun insgesamt 1,75%. So schnell und so deutlich hatte die Nationalbank die Zinsen nicht einmal nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 in den USA gesenkt. Tiefere Zinsen sollen Kredite an Unternehmen und Konsumenten verbilligen, damit die Wirtschaft in Schwung bleibt.


Zielband neu bei 0,5 bis 1,5 %
Per sofort liegt das Zinszielband neu bei 0,5 bis 1,5%, wie die Nationalbank am Donnerstag bekannt gab. Sie werde den Franken-Geldmarkt grosszügig und flexibel versorgen, um den Libor in den mittleren Bereich des Zielbandes, also bei 1%, zu führen. Kurz nach der Zinssenkung hat sie zudem Repo-Geschäfte über drei und sechs Monate zu einem Satz von 0,15% angeboten, am Morgen waren noch die üblichen 1-Wochen-Repogeschäfte zu einem Satz von 0,50% ausgeschrieben worden. Zu Libor-Zinssatz, den die SNB nur indirekt steuern kann, leihen sich die Geschäftsbanken gegenseitig Geld aus. Wegen der Finanzkrise war der Interbanken-Geldmarkt zeitweise aber zum Erliegen gekommen. Unternehmen klagen über restriktivere Kreditbedingungen.


Preisstabilität früher als erwartet – Konjunkturlage deutlich verschlechtert
Als Grund für den historischen Zinsschritt nannte die SNB, dass die Preisstabilität dank der gesunkenen Energie- und Rohwarenpreise früher als erwartet wieder hergestellt werden könne. Zinssenkungen heizen zwar tendenziell die Teuerung an. Laut SNB ist es aber wahrscheinlich, dass die Inflation bereits vor Jahresende unter die als Preisstabilität definierte Marke von 2% fällt. Zudem habe sich die internationale Konjunkturlage deutlich verschlechtert. «Dadurch hat sich für das nächste Jahr das Risiko eines markanten Rückgangs der wirtschaftlichen Entwicklung in der Schweiz erhöht», schreibt die SNB. Mit der Senkung um einen vollen Prozentpunkt nütze die Nationalbank den Spielraum, der ihr zur Verfügung stehe.


Ausmass der Leitzinssenkung überrascht
Unmittelbar vor der Leizinssenkung am Donnerstag war der Libor am Markt auf 1,937% gesunken, nachdem er am Vortag noch bei 1,968% festgelegt worden war. Er lag damit etwas unter dem zuletzt angepeilten Richtsatz von 2,0%. Die Zinssenkung kam denn auch nicht völlig überraschend, das Ausmass allerdings schon. «SNB senkt überraschend Zinsen um 100 Basispunkte», kommentiert etwa die Credit Suisse. Viele Ökonomen hatten erst bei der nächsten ordentlichen Zinssitzung von Mitte Dezember mit einer Senkung um 0,5 Prozentpunkte gerechnet.


Economiesuisse sieht Signal an Geldmärkte
Von Ausmass und Zeitpunkt der neuesten Leitzinssenkung der SNB überrascht zeigt sich auch der Wirtschafts-Dachverband Economiesuisse. Für Chefökonom Rudolf Minsch zielt der Schritt auf die Normalisierung der Geldmärkte. «Der SNB-Entscheid ist ein Signal», sagte Minsch der Nachrichtenagentur SDA. Gegenüber den Geldmärkten habe die SNB mit der Verringerung des Zinsabstandes zwischen den Zinsen der Repo-Geschäfte und dem Interbanken-Zinssatz Libor ein klares Zeichen gesetzt, um den Interbankenmarkt in Schwung zu bringen. Aus der Sicht von Economiesuisse wären aber kleinere Zinsschritte sinnvoller gewesen. Da keine Inflationsgefahr herrsche, stünde diesem Vorgehen momentan nichts im Wege, so Rudolf Minsch. Bis ein Zinsschritt in der Realwirtschaft ankomme, vergeht nach Ansicht vieler Ökonomen zwischen 6 und 9 Monaten.


Börse reagiert verhalten
Die Schweizer Börse reagierte verhalten. Nachdem der Schwergewichteindex SMI am Vormittag zeitweise über 5% verloren hatte, notierte er nach der Leitzinssenkung noch 2,7% im Minus. Kurz darauf setzten allerdings wieder Abgaben ein, gegen 14.30 Uhr stand das Börsenbarometer 3,6% tiefer. Weltweit waren die Aktienmärkte wegen zunehmender Konjunktursorgen markant unter Druck.


UBS-Kurs profitiert
Profitieren konnte hingegen die UBS. Die Aktie der Grossbank notierte noch 1,9% schwächer bei 11,84 CHF. Am Vormittag war der Titel um über 10% erstmals unter 11 CHF gesunken. Die Credit Suisse blieb 7,5% unter dem Vortageskurs.


Franken deutlich billiger
Auch der Franken verbilligte sich deutlich. Zum Euro notierte er auf 1,5300 CHF. Vor der Senkung war der Euro erst 1,5198 CHF wert gewesen. Auch der Dollar stieg. Er wurde zu 1,2210 CHF gehandelt nach 1,2120 CHF vor dem Zinsschritt der SNB.  (awp/mc/pg/22)

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