IBM Studie: Finanzbranche nicht auf Globalisierung vorbereitet

Schnell wachsende Finanzströme, besonders in neuen Märkten, eröffnen weltweit neue Chancen, erfordern aber auch eine integrierte, globale Arbeitsweise. Doch genau daran mangelt es laut 93 Prozent der befragten Finanzmanager in ihrem Unternehmen. Dies ist das zentrale Ergebnis der aktuellen IBM Studie «Get global. Get specialized. Or get out. Unexpected lessons in global financial markets». Sie untersucht die Auswirkungen der Globalisierung auf die Finanzbranche. Um die Entwicklung der internationalen Finanzmärkte bis 2025 voraussagen zu können, wurde ein neues makroökonomisches Modell für den Ländervergleich entwickelt.


Keine wirksame Strategie, globale Chancen wirksam zu nutzen
In Zusammenarbeit mit der Economist Intelligence Unit hat der Think Tank der IBM, das IBM Institute for Business Value, 848 Finanzmanager sowie 107 institutionelle Kunden in 35 Ländern interviewt. Die Befragten repräsentieren die gesamte Finanzbranche – von kleinen Banken bis zu Weltkonzernen, von unterschiedlichen Abteilungen in Finanzunternehmen über Branchenverbände bis zu Wertpapierbehörden. Allgemeine Botschaft der Studie: Der Finanzindustrie mangelt es an Strategien, globale Chancen wirksam zu nutzen.


Die wichtigsten Ergebnisse der Studie auf einen Blick:



  • Weltweit grosse Chancen, besonders in neuen Märkten
    Bis 2015 werden sich Investitionen weltweit auf fast 300 Billionen US-Dollar verdoppeln, bis 2025 sollen sie sich sogar verfünffachen auf 700 Billionen US-Dollar, so lauten die Schätzungen. 60 Prozent dieses Wachstums erfolgt in neuen Märkten wie China, Russland, Indien und Brasilien. Zum Beispiel legen heute 17 Prozent der chinesischen Anleger ihre Ersparnisse in Bankdepots an, wohingegen 2025 voraussichtlich mehr als 38 Prozent in Wertpapiere investieren werden.
  • Finanzbranche nicht auf globale Chancen vorbereitet
    Viele Finanzunternehmen sind nicht in der Lage, die geographisch zunehmend verstreuten Chancen zu nutzen. Mehr als 93 Prozent der Befragten räumten ein, dass ihr Unternehmen nicht weltweit integriert arbeitet. Zwei Drittel bewerten die eigenen Unternehmenstätigkeiten mit globaler Ausrichtung als mangelhaft bis mittelmässig.
  • Spezialisierte Geschäftsmodelle können global gewinnen
    Nach Meinung der befragten Finanzmanager sind grosse Banken mit einem breit gefächerten Angebot generell am besten geeignet, um im globalen Wettbewerb zu gewinnen. Dennoch – bei der Einschätzung der dazu nötigen Fähigkeiten – bewerteten die befragten Finanzdienstleister mit spezialisierten Leistungen positiver als «Finanz-Generalisten». Dieser Widerspruch zeigt, dass es für grosse Finanzunternehmen zunehmend schwieriger und kostenintensiver wird, in jeder Nische der Beste zu sein.
  • «Menschliche» Seite weltweiter Unternehmen vernachlässigt
    Viele Unternehmen des Finanzmarktes unterschätzen den persönlichen Einfluss der Mitarbeiter auf die weltweiten Geschäftsprozesse. Unterschiedliche Kulturen und damit verbundene Einstellungen und Arbeitsweisen sind die meist genannten Hindernisse auf dem Weg zum weltweit integriert arbeitenden Finanzunternehmen.

«Index of Sophistication» – Schweiz schneidet sehr gut ab
Zusätzlich zu der Befragung entwickelten IBM und die Economist Intelligence Unit für die Studie ein makroökonomisches Modell zur Vorhersage der sich verändernden Investitionsströme bis 2025. Die Analyse der Finanzmärkte in 35 Staaten berücksichtigt auch das nominale Bruttoinlandsprodukt sowie den Entwicklungsgrad des jeweiligen Finanzmarktes, zum Beispiel die rechtlichen Rahmenbedingungen, die Währungsstabilität und Börsenkapitalisierung. Der so genannte «Index of Sophistication» des Finanzmarkts wird angeführt von der Schweiz, gefolgt von Grossbritannien und den USA. Bei praktisch allen Werten schneidet die Schweiz sehr gut ab und wird mit der Maximumpunktzahl bewertet. Die Analyse zeigt, dass die Schweiz auch in Zukunft diese Leaderposition behaupten kann.


Standortvorteile allein reichen nicht aus
«Die Ausgangslage für die Finanzbranche ist gut, denn die globalen Investitionen werden sich in weniger als zehn Jahren verdoppeln», sagt Roger Altorfer, Partner Financial Services IBM Schweiz. «Die Frage ist aber: Mit welchen Strategien können sich die Schweizer Finanzunternehmen mit den sich schnell ändernden Märkten Schritt halten? Es wird in Zukunft nicht genügen, von den Standortvorteilen in unserem Land zu profitieren. Nach den Ergebnissen unserer Studie werden diejenigen Unternehmen erfolgreich sein, die sich vor dem Hintergrund einer sich globalisierenden Finanzindustrie gezielt und vor allem flexibel auf die Bedürfnisse ihrer Kunden einstellen. Voraussetzung dafür sind innovative Geschäftsmodelle, die sich den mit hoher Geschwindigkeit ändernden Marktbedingungen anpassen können.» (IBM/mc/pg)

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