ING: Wie wirkt sich die Euro-Krise auf 2011 aus?

Demnach hat sich in der Bankenkrise gezeigt, dass die Anleger die Realität nach ihren Vorstellungen formen können, solange sie nicht mit einem Gegner konfrontiert sind, der schlicht zu gross ist, um gegen ihn zu spekulieren. Letztendlich wurden die Banken von den Regierungen gerettet. Dieses Mal müssen die Regierungen selbst gerettet werden. Wie wird sich dies auf den Ausblick für die Finanzmärkte im Jahr 2011 auswirken?


Eurokrise georgrafisch beschränkt
Die gute Nachricht lautet, dass die Eurokrise überwiegend auf Europa beschränkt ist. Gleichzeitig schneiden die Schwellenländer gut ab, und in den USA sind erste Anzeichen für einen Aufschwung zu erkennen. Die schlechte Nachricht lautet, dass die Ansteckungseffekte im Euroraum inzwischen nicht mehr nur Griechenland, Irland und Portugal betreffen. Spanien ist eindeutig zur Zielscheibe geworden, und Italien und Belgien werden ebenfalls häufig als anfällig bezeichnet. Es geht um äusserst hohe Beträge. Deutsche Institute haben allein in Griechenland, Irland, Portugal und Spanien knapp 700 Mrd. Euro investiert! Französische Institute sind mit über 500 Mrd. engagiert. Ausserdem muss 2011 ein ungewöhnlich hohes Volumen an europäischen Staatsanleihen refinanziert werden (knapp 1.200 Mrd. Euro), sehr viel mehr als 2012 oder 2013.


Auch EZB wird Geld drucken müssen
Es scheint unvermeidbar zu sein, dass die Märkte die Entschlossenheit der europäischen Politiker weiter auf die Probe stellen. Die Diskussion über die Finanzierung künftiger Rettungspakete hält an. Dabei nimmt die Wahrscheinlichkeit zu, dass die EZB ihre geplanten Käufe von Staatsanleihen ausweiten und so eine entscheidende Rolle spielen muss. Letztendlich wird sie möglicherweise umfangreiche Volumina kaufen müssen und damit im Grunde ebenso wie die Amerikaner Geld drucken müssen. Deutschland wird sich einer solchen Vorgehensweise widersetzen; wenn jedoch ein hoher Einsatz auf dem Spiel steht, lässt sich nichts mehr ausschliessen. Ein Vorteil besteht darin, dass der Euro bei einer solchen Strategie recht schwach bleiben dürfte, was gut für die deutschen Exporte wäre.


Was bedeutet dies für die Finanzmärkte?
Eins ist sicher: Die Euro-Krise wird wahrscheinlich ein äusserst bedeutsamer Risikofaktor in einer Weltwirtschaft bleiben, deren Wachstumsraten derzeit eher stärker als schwächer denn erwartet ausfallen. Die Auswirkungen auf die Rentenmärkte im Euroraum lassen sich nur schwer vorhersagen. In jüngster Zeit sind die Anleiherenditen selbst in den Kernländern angestiegen. Dies ist nicht auf eine Inflationsbeschleunigung oder ein geringeres Risiko eines Rückfalls in die Rezession («Double Dip») zurückzuführen. Eine anhaltende Euro-Krise könnte das Risiko eines Double Dip vielmehr erhöhen. Höhere Renditen in den Kernländern spiegeln eher das stärker als erwartete Wachstum in Deutschland (und weltweit) sowie sinkende Deflationsbefürchtungen wider. Möglicherweise sind sie auch auf eine gewisse Unsicherheit über die künftige EZB-Politik zurückzuführen. Wir sind jedoch immer noch der Auffassung, dass die Inflationsraten und die Anleiherenditen in den Kernländern auf längere Sicht sehr niedrig bleiben werden.


Und was ist mit den Aktienmärkten?
Die Unternehmensbilanzen sind in guter Verfassung, die Rentabilität ist nahe den Allzeithöchstständen, und die Bewertungen liegen insgesamt unter den langfristigen Durchschnittswerten. Insgesamt kein schlechtes Bild! Wir halten daher weiterhin an unserer Auffassung fest, dass die globalen Aktienkurse 2011 um rund 10 % ansteigen könnten, d.h. etwa im Einklang mit dem erwarteten Gewinnwachstum. Angesichts der zu erwartenden, anhaltenden Euro-Krise und einiger Anzeichen für eine Überhitzung in den Schwellenländern dürfte die Volatilität jedoch hoch bleiben, und es dürfte zu Turbulenzen kommen, die möglicherweise stärker sein könnten als im Jahr 2010. In diesem Umfeld könnte es sinnvoll sein, auch eine nennenswerte Liquiditätsposition zu halten und bei Kursrückgängen zu kaufen.  (ing/mc/ps)

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