Irland unter dem Rettungsschirm

Ebenso muss Irland seinen Haushalt sanieren, soziale Einschnitte vornehmen und seine Unternehmenssteuer erhöhen. Insbesondere gegen den letzten Punkt wehrt sich die irische Regierung vehement. Als erstes Land war Irland am Sonntagabend unter den milliardenschweren Rettungsschirm für wackelnde Euro-Länder geschlüpft. Die Regierung aus Dublin beantragte einen Notfallkredit, den die Finanzminister des Euro-Raums und der EU unterstützten, wie die Minister nach einer Telefonkonferenz mitteilten. Zusätzlich erklärten die Nicht-Euro-Länder Grossbritannien und Schweden, bilaterale Kredite bereitstellen zu wollen.


IWF will «zügige Gespräche» führen
Das Paket wäre damit annähernd so hoch wie die Finanzhilfe für Griechenland, das im Mai von seinen europäischen Partnern und dem Internationalen Währungsfonds rund 110 Milliarden Euro Notkredite gestellt bekommen hatte und auch nutzt. Erst danach wurde der Euro- Rettungsschirm geschaffen, von dem Irland nun profitiert. IWF-Direktor Dominique Strauss-Kahn begrüsste die positive Reaktion auf den irischen Antrag. Ein IWF-Team halte sich gegenwärtig in Irland auf und werde nun mit den irischen Stellen, der EU-Kommission und der Europäischen Zentralbank zügig Gespräche über ein Wirtschaftsprogramm führen.


Knackpunkt
Die Steuerfrage ist der Knackpunkt der Verhandlungen. Frankreich und andere Länder fordern von Dublin eine Anhebung der Körperschaftssteuer, die derzeit mit 12,5 Prozent sehr niedrig ist – in Deutschland liegt sie doppelt so hoch. Der niedrige Steuersatz wird von vielen Ländern als «Dumping» im internationalen Wettbewerb um Industrieansiedlungen verstanden. Irlands Ministerpräsident bekräftigte jedoch, die Körperschaftssteuer werde nicht erhöht.


Rekordverschuldung
Der Krisenfonds von EU, Euro-Ländern und IWF umfasst insgesamt 750 Milliarden Euro und kann Kredite zu günstigen Zinsen an Dublin vergeben. Irland benötigt dringend frisches Geld, um seinen maroden Bankensektor zu retten, sowie seine laufenden Kosten im Haushalt zu decken. «Wir sollten nicht die Grösse unserer wirtschaftliche Probleme unterschätzen», sagte der irische Ministerpräsident Brian Cowen an das irische Volk gerichtet. Der Inselstaat hatte sich mit milliardenschweren Rettungsmassnahmen für seine maroden Banken in eine Rekordverschuldung gestürzt und steht am Rande des Bankrotts, das Staatsdefizit liegt bei 32 Prozent.


Ansteckungsgefahr befürchtet
Viele Euro-Länder, darunter Deutschland hatten zuletzt Druck gemacht, weil sie ein Übergreifen der Krise auf andere Euro-Staaten wie Portugal oder Spanien fürchteten. Nach Ansicht von Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) ist der Wirtschaftsaufschwung in Deutschland jedoch nicht bedroht. «Sollten Hilfen für Irland fliessen, werden diese den Aufschwung in Deutschland nicht gefährden», sagte er der «BILD»-Zeitung vom Montag.


Haushaltsentlastung von 15 Milliarden Euro
Der Auszahlungsplan wird von den Experten aus EU-Kommission, IWF und EZB mit den irischen Behörden in den nächsten Tagen festgezurrt. Für die Kredite muss Irland mit voraussichtlich rund fünf Prozent deutlich weniger Zinsen zahlen als am freien Markt, wo derzeit irische Staatsanleihen mit Zinsen von mehr als acht Prozent gehandelt werden. Die irische Regierung hatte am Sonntag einen Vierjahresplan beschlossen, der eine Haushaltsentlastung von 15 Milliarden Euro vorsieht. Diese resultiere zu zwei Dritteln aus Kürzungen, zu einem Drittel aus Steuererhöhungen, sagte Cowen.


Euro-Länder als Bürgen
Der Krisenfonds mit Sitz in Luxemburg nimmt Kredite am Markt auf und reicht sie an Dublin weiter. Die Euro-Länder zahlen kein Geld in den Krisenmechanismus ein, sondern stellen Bürgschaften für diese Darlehen. Für sie fallen nur dann Kosten an, wenn Irland seine Schulden nicht zurückzahlen könnte. Deutschland steht für ein Drittel der Finanzhilfen gerade. Die Euro-Länder tragen zum Fonds 440 Milliarden Euro bei, die EU-Kommission 60 Milliarden und der Internationale Währungsfonds 250 Milliarden Euro. Aus allen drei Töpfen wird laut EU-Kommission Geld fliessen.


Schweden bietet Irland bilaterale Hilfe an
Schweden bietet Irland zusätzlich zu EU-Hilfen einen bilateralen Kredit an. Finanzminister Anders Borg sagte am Montag in Stockholm, seine Regierung könne zwischen fünf und zehn Milliarden Kronen (550 Mio bis 1,1 Mrd Euro) bereitstellen, falls das aus Dublin gewünscht werde. Schweden gehört nicht der Eurozone an. Borg begründete die bilaterale Hilfe damit, dass Irland für die EU «systemrelevant» sei und ein finanzieller Kollaps dort über Grossbritannien und Deutschland auch voll auf Schweden durchschlagen würde. Borg hatte sich im Sommer betont skeptisch über Hilfen an Griechenland geäussert. Er erklärte, bei ähnlichen Problemen auch in Portugal und Spanien werde sich seine Regierung ebenfalls «nicht automatisch» an Hilfsaktionen beteiligen.


Juncker: Irland muss Haushalt konsolidieren
Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker sieht keine Alternative zu einer Haushaltskonsolidierung in Irland. Wenn die Iren nicht – wie geplant – in den kommenden vier Jahren 15 Milliarden Euro ihres Haushaltes einsparten, werde es «nicht möglich sein, Irland, das sich in einer Notlage befindet, jetzt mit einem europäischen Begleitprogramm zu helfen», sagte Juncker am Montag im Deutschlandradio Kultur. Die Iren seien aber bereit, diese beträchtliche Anstrengung zu leisten, betonte Luxemburgs Premier. Bundesaussenminister Guido Westerwelle lobte im ARD-«Morgenmagazin» die vorausblickenden Massnahmen der EU: «Unterm Strich kann man klar sagen, es trifft uns nicht unvorbereitet – anders als im Frühjahr mit Griechenland zum ersten Mal so etwas passiert ist. Es war richtig, dass wir den Schutzschirm gespannt haben.»&(awp/mc/ps/30)

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