Islamic Banking: Zwischen Scharia und Rendite


Das islamische Recht verbietet es gläubigen Muslimen, für ihr Geld Zinsen zu kassieren. Daher sind sie auf Investmentprodukte angewiesen, die in anderer Form Rendite bringen. Der Markt sei mit einem jährlichen Wachstum von über zehn Prozent auch für westliche Banken attraktiv, sagt Credit Suisse-Experte Michael Chahine.


Von Peter Burkhardt

Moneycab: Islamic Banking ist in aller Munde. Warum ist diese Art der Vermögensverwaltung so wichtig?
Michael Chahine: Weltweit gibt es über eine Milliarde Muslime, und ihre Anzahl nimmt rasant zu. Zwar investiert bei weitem nicht jeder Muslim in Produkte, die mit dem islamischen Recht, der Scharia, kompatibel sind. Trotzdem ist die islamische Vermögensverwaltung ein wichtiger Wachstumsmarkt mit einer jährlichen Zuwachsrate von über zehn Prozent.

Wie viel Geld wird bereits nach islamischen Prinzipien verwaltet?
Gemäss Schätzungen sind es zurzeit etwa 200 Milliarden US-Dollar. Besonders nachgefragt sind schariakonforme Produkte im Mittleren Osten, vor allem in Saudiarabien, Kuwait, Bahrain, Iran und den Vereinigten Arabischen Emiraten, aber auch in den muslimischen Ländern Asiens, besonders in Indonesien, Malaysia und Pakistan.

Worauf müssen die Banker achten, wenn sie in muslimischen Ländern Erfolg in der Vermögensverwaltung haben wollen?
Sie müssen die muslimischen Sitten kennen lernen, sich Grundkenntnisse über die islamische Rechtsordnung aneignen und wissen, welche Produkte für gläubige Muslime zugelassen sind.

Welches ist der Hauptunterschied zwischen islamischer und westlicher Wirtschaftsordnung?
Der westliche Kapitalismus basiert auf dem Gewinnstreben Einzelner, welche dank Zinsen ihr Kapital stetig kumulieren können. Das islamische Finanzwesen anerkennt Privateigentum, Markt und Wettbewerb ebenfalls, stellt aber den Zusatznutzen, den ein bestimmtes Produkt für die Gemeinschaft schafft, in den Vordergrund. Dieses Wirtschaftsverständnis geht zurück auf den Propheten Mohammed, der es den arabischen Händlern ausdrücklich verbot, Zinsen zu zahlen oder anzunehmen. Dieses Zinsverbot ist im Koran festgehalten.

Was bedeutet das heute, rund 1400 Jahre später, für einen Investoren, der dem islamischen Recht nachleben will?
Ausgeschlossen sind sowohl Kredite und Kreditkarten, aber auch Obligationen, Optionen, Derivate, Termingeschäfte, konventionelle Hedge Funds und der Kauf von Bank- und Versicherungsaktien. Ebenfalls untersagt sind Investitionen in Geschäftsbereiche, welche gemäss der Scharia ethisch inakzeptabel sind. Darunter fallen beispielsweise Alkohol, Tabak, Waffen, Glücksspiel oder Pornografie. Zu guter Letzt ist es verboten, in Unternehmen zu investieren, deren Schulden ein Drittel des Firmenvermögens übersteigen.

Haben muslimische Investoren bei dieser Reihe von Verboten überhaupt noch einen Spielraum?
Durchaus. Ihnen steht ein breites Spektrum an Investitionsmöglichkeiten zur Verfügung, und sie wünschen sich wie alle anderen Investoren eine breite Palette von Produkten, welche ihre Bedürfnisse abdecken. Die Herausforderung für die Finanzindustrie liegt darin, einen Weg zu finden, Produkte zu kreieren, die den islamischen Anlagegrundsätzen genügen.

Welche Bankprodukte sind denn gemäss der Scharia rechtmässig?
Es sind alle Erträge akzeptabel, welche auf einem Handel oder einer Investition in ein bestimmtes Produkt basieren. Zugelassen sind also Handelsfinanzierungen, Risikokapitalverleihungen, Vermietungen, Leasing und der Rohstoffhandel. Die gebräuchlichste Investitionsform ist allerdings der Kauf von Aktien privater und öffentlicher Unternehmungen, denn Dividenden gelten nicht als Zinsen.

In der westlichen Vermögensverwaltung wurden in den letzten Jahren zahlreiche neue Produkte auf den Markt geworfen. Macht auch das islamische Finanzwesen diesen Trend mit?
Ja, es werden immer mehr hoch komplexe, speziell auf muslimische Investoren zugeschnittene Produkte angeboten. Zum Beispiel gibt es seit kurzem schariakonforme Hedge Funds, welche keine Short-Positionen beinhalten. Denn gemäss dem islamischen Gesetz ist es verboten, Titel zu verkaufen, ohne sie zu besitzen.

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