Jean-Pierre Roth: Das seit 2000 verwendete geldpolitische Konzept funktioniert

Die mit dem neuen System gemachten Erfahrungen seien positiv, sagte Jean-Pierre Roth, Präsident des Direktoriums der SNB, am Mittwoch in einer Rede an der Universität St. Gallen. Die Erfahrungen der letzten fünf Jahre sowie der Strukturwandel, der durch die Schaffung des Euroraums und der Globalisierung der Märkte ausgelöst worden sei, würden die SNB jedoch veranlassen, anders vorzugehen als sie das Ende der 90er Jahre noch vorgesehen habe, ergänzte der SNB-Direktor.


Preisanpassung als Indikator
Die Globalisierung hat gemäss Roth den Umfang der Preisanpassungen verändert. Im Preisindex sei heute nicht so sehr eine grundlegende Steigerungstendenz aller Preise zu sehen, sondern es käme vielmehr zu Änderungen der relativen Preise. So wäre beispielsweise der Konsumentenpreisindex im Jahr 2005 ohne den Ölpreisanstieg nahezu unverändert geblieben, ist der SNB-Direktor überzeugt. «Es kann auch sein, dass die inflationären Tendenzen nicht verschwunden sind, sondern einfach durch die eben erwähnten relativen Preisanpassungen vorübergehend überdeckt werden», gibt Roth zu bedenken. Aufgrund des verstärkten Wettbewerbs auf den Gütermärkten und dem Arbeitsmarkt würden Liquiditätsüberschüsse nicht mehr systematisch eine Reaktion der Konsumentenpreise auslösen, sondern stattdessen eine Reaktion anderer Preise hervorrufen. Die SNB behält daher die Entwicklungen der Finanzaktiven und des Immobilienmarktes im Auge, weil sich beide Märkte weitgehend den strukturellen Anpassungen, die auf dem Gütermarkt stattfinden, entziehen.



Ergebnis einer globalen Nachfrageschwäche
Die gegenwärtig geringe Inflation ist nach Einschätzung von Roth nicht das Ergebnis einer globalen Nachfrageschwäche. «Wir befinden uns in einer Phase, in der eine deutlich unter 2% liegende Inflation kein Grund zur Besorgnis ist», so der SNB-Chef. Das geldpolitische Konzept der SNB werde den aktuellen Rahmenbedingungen durchaus gerecht, meinte er weiter. Allerdings müssten aufgrund der Veränderungen im internationalen Umfeld und des Strukturwandels Risiken und Unsicherheiten neu gewichtet werden.


Vierteljährlich eine Inflationsprognose
Roth ging in seiner Rede auch auf die Ausgestaltung der neuen Strategie der SNB ein. Sie beruhe auf drei wesentlichen Elementen, sagte er. Erstens würden die Währungshüter nun vierteljährlich eine Inflationsprognose erstellen, die aufzeige, wie sich die Teuerung in den nächsten drei Jahren bei unveränderter Geldpolitik entwickeln würde. «Hauptaufgabe der Inflationsprognose ist es, der SNB einen mittelfristig ausgerichteten Kompass in die Hand geben, da sie die Preisstabilität auf längere Sicht und nicht etwa von Monat zu Monat zu gewährleisten hat», führte Roth aus.


Preisanstieg durch Produktqualitätsverbesserungen
Zweites Standbein der aktuellen Strategie ist gemäss Roth die klare Definition des Ziels der Preisstabilität. Diese berücksichtige – angelehnt an die internationale Praxis – vornehmlich die Konsumentenpreise. Ein gewisser Preisanstieg wird als Folge von Produktqualitätsverbesserungen toleriert, so dass die SNB unter Preisstabilität einen jährlichen Anstieg des Konsumentenpreisindexes zwischen 0 und 2% erachtet. Ein temporäres Überschreitungen der oberen Marke von 2% ist Roth zufolge zulässig.


Dreimonats-Libor als Instrument für die Umsetzung der Geldpolitik
Und als drittes Element der neuen Strategie hat die SNB den Dreimonats-Libor als Instrument für die Umsetzung ihrer Geldpolitik gewählt. Da die Geldpolitik stets über die Steuerung der Liquidität erfolge, wähle jede Zentralbank eine operative Grösse, die die Liquiditätsversorgung des Marktes widerspiegle, erklärte Roth. «Wir haben hierfür den Dreimonats-Libor gewählt, der nach unserer Meinung die Lage am schweizerischen Geldmarkt am besten abbildet.» (awp/mc/th)

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