Konsolidierung in Europas Bankenwelt
Die Finanzlage der Banken war selten so gut wie heute. Ihre hohe, aber stagnierende Profitabilität, ihre zunehmende Fokussierung auf das Kerngeschäft und die aktuell geringen Kreditausfälle haben gar sukzessive zu einer Überkapitalisierung geführt. Für die Institute bestehen nun grundsätzlich drei Möglichkeiten, das vorhandene Überschusskapital zu nutzen: Ausschüttungen an die Aktionäre, zum Beispiel in Form höherer Dividenden oder Aktienrückkäufen, organisches Wachstum im Heimmarkt oder Akquisitionen im In- oder Ausland. Aggressives Wachstum würde aufgrund der Sättigungserscheinungen im europäischen Bankensektor jedoch zu starkem Margendruck führen, was die Gewinnentwicklung mittel- bis längerfristig nicht unbedingt unterstützt.
Manager streben langfristiges Gewinnwachstum an
Andererseits werden Skaleneffekte ? also Kostensenkungen durch ein grösseres Volumen – immer wichtiger, da die Ertragssteigerungen sukzessive stagnieren. Zusätzlich verschärfen steigende Regulierungskosten die Situation zusehends. Die Einführung der neuen Buchhaltungsrichtlinien IFRS, die neuen Eigenmittelvorschriften nach Basel II und der starke Ausbau der Rechtsabteilungen verursachen hohe Zusatzkosten, die bei kleineren Banken besonders ins Gewicht fallen. Angesichts des Überschusskapitals und der aktuell noch hohen jährlichen Free Cash Flows erstaunt es nicht, dass zahlreiche Managements Massnahmen zur Sicherung des längerfristigen Gewinnwachstum ins Auge fassen.
US-Dollar bestimmt Übernahmeappetit
Die von den USA ausgehende Konsolidierungswelle dürfte auch dieses Jahr andauern und den Druck auf die europäischen Banken erhöhen. US-Banken scheinen weiterhin daran interessiert zu sein, europäische Banken – vor allem britische – zu übernehmen. Die kulturelle Ähnlichkeit macht vor allem Skaleneffekte im Retail als auch Consumer Banking interessant. Die relative Schwäche des US-Dollars dürfte jedoch den Übernahmeappetit der US-Häuser in Europa kurzfristig etwas einschränken.
Diverse Hürden verlangsamen Prozess
Da für grenzüberschreitende Übernahmen in Europa rechtliche, kulturelle und politische Hürden bestehen, erwarten wir nach wie vor nur langsam zunehmende Aktivitäten. Auf der Käuferseite dürften grosse britische Häuser wie beispielsweise HSBC oder Royal Bank of Scotland aufzufinden sein. Auch die Deutsche Bank wird wohl mittelfristig Akquisitionen tätigen, während die beiden anderen deutschen Geschäftsbanken eher als mögliche Übernahmekandidaten gelten. Die beiden spanischen Banken Banco Bilbao Vizcaya Argentaria und Banco Santander Central Hispano könnten ihr starkes organisches Wachstum in Lateinamerika durch gezielte Akquisitionen unterstützten und den Gewinnbeitrag dieser Regionen noch weiter vergrössern. Weiter gehen wir davon aus, dass die österreichische Erste Bank im Zuge der EU-Osterweiterung und der möglichen Aufnahme der Türkei in die EU sich in diesen Regionen nach geeigneten Akquisitionsobjekten umschauen wird, und auch die beiden französischen Banken BNP Paribas und Société Générale werden sich wahrscheinlich – neben den USA – in Osteuropa umschauen. UBS dürfte die seit zwei Jahren verfolgte Strategie der stetigen, ergänzenden Akquisitionen weiter verfolgen.
Problematik am Beispiel Italiens
Der nach wie vor fragmentierte italienische Bankenmarkt wird stark von rechtlichen, vor allem aber von politischen Rahmenbedingungen beeinflusst. So ist der Gouverneur der italienischen Zentralbank, Antonio Fazio kürzlich in seinem Bestreben, den Einfluss von ausländischen Banken auf italienische Häuser zu begrenzen, durch die italienische Regierung bestätigt worden. Deshalb werden Übernahmen durch ausländische Institute in Italien vorerst die Ausnahme bleiben und, falls überhaupt, auf kleine Finanzinstitute begrenzt sein. In Italien gehen wir davon aus, dass die grossen italienischen Banken wie Unicredito, San Paolo und Banca Intesa ihr Wachstum durch gezielte Akquisitionen, vor allem in Osteuropa unterstützen werden. Da es sich bei den kleineren italienischen Banken um Sparkassen (Popolari) handelt, die aufgrund ihrer Aktionärsstruktur sehr schwer zu übernehmen sind, gehen wir davon aus, dass sich die Konsolidierungsaktivität in Italien eher bei den mittelgrossen Banken abspielen wird. (em/mc/th)