Kunsthaus Zürich: Aleksandra Mir – Switzerland and Other Islands

Schon früh in ihrer künstlerischen Laufbahn beschäftigte sich die Künstlerin mit Kartografie und hinterfragte in Form von Fotoarbeiten, Film und Performances deren gängige Bedeutung. Ausgehend von industriell hergestellten Landkarten zeichnete Mir in der Serie «The World from Above» beispielsweise Ansichten von ganz unterschiedlichen Orten: Beliebte Ziele der Tourismusbranche, wie der Tower of London, wechselten sich ab mit dem Gaza-Streifen und anderen politisch brisanten Gebieten.


Die Schweiz im Fokus
Für die Ausstellung im Kunsthaus Zürich wählt Aleksandra Mir die Schweiz als Motiv. Unter dem Titel «Switzerland and Other Islands» realisiert sie eine Reihe grossformatiger Zeichnungen und untersucht die verschiedenen Bedeutungen des Motivs «Insel»: politisch-soziologisch, mythologisch und symbolisch. Formal erinnern ihre Werke an eine comicartige, fast schon kindlich naive Formensprache. Durch die Wahl des Motivs, des Ausschnitts, die Veränderung des Massstabs und die Kombination kartografischer Elemente mit dekorativen Formen, die sie umrahmen, hinterfragt Mir die Gültigkeit gängiger Darstellungsmodelle. Dabei geht sie wie eine Feldforscherin vor, vertieft sich in die Grafische Sammlung des Museums und bezieht Werke daraus in ihre Arbeit mit ein.


Die grosse Verwirrung und die Orientireung
Historisch betrachtet hat das Zeichnen von Landkarten immer etwas mit Repräsentation und Interpretation zu tun. So vollzog sich die Eroberung der Welt parallel zu ihrer schematischen Erfassung, doch war die dargestellte Realität immer auch Ausdruck einer subjektiv konstruierten Fiktion. Heute helfen Landkarten und Stadtpläne dem Reisenden, sich in einer fremden Umgebung zurechtzufinden. Er vertraut darauf, dass die Informationen auf der Karte auch tatsächlich der Wirklichkeit entsprechen. Mit ihren abstrahierten Karten fragt die Künstlerin nach der Herkunft und Legitimation dieser allgemein für verbindlich gehaltenen Information und um welche und wessen Realität es sich dabei handelt. Sie spielt auch mit den politischen Implikationen der jeweiligen Karten. Denn Grenzziehungen bergen seit Beginn der Kolonialisierung ein politisch-ökonomisches Sprengpotential und führen oft zu heftigen Kontroversen ? auch heute, im Zeitalter der Globalisierung, wo sich kulturelle und sprachliche Grenzen immer mehr aufzulösen scheinen, gleichzeitig aber ein nationaler Chauvinismus aufblüht und sich Widerstand formiert.


Wenn Geschichten nicht mehr wahr sind
In der Serie «Church of Sharpie» (2005) beispielsweise distanzierte sie sich von der offiziellen Mythen- und Heldengeschichte ihres Gastlandes, den USA. In «First Woman on the Moon» (1999) ? einer ihrer berühmtesten Arbeiten ? liess die Künstlerin an einem Strand in Holland eine Mondlandschaft nachbauen und darin «den grossen Schritt für die Menschheit» nachstellen ? allerdings von einer Frau. Diesen «gefakten» historischen Moment hielt Aleksandra Mir in einem Dokumentarfilm fest und verwischte darin die Grenzen zwischen Realität und Fiktion.


Insofern knüpfen die neuen, extra für die Ausstellung im Kunsthaus Zürich geschaffenen Zeichnungen an frühere Arbeiten an. Die Ausstellung wird von Mirjam Varadinis kuratiert und von einer kleinen Publikation begleitet.


Aleksandra Mir ist in Polen geboren, schwedische Staatsbürgerin und lebte während der letzten 15 Jahre in New York, wo sie Kunst und Anthropologie studierte. Zur Zeit wohnt sie in Palermo, Sizilien. (khz/mc/th)

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