Kunsthaus Zürich zeigt Rivoluzione! Italienische Moderne von Segantini bis

Was Georges Seurat und Paul Signac für den französischen «Neoimpressionismus » darstellen, ist Giovanni Segantini für den «Divisionismus»: ein Meister der Farbe, Leuchtkraft und Brillanz. «Divisionismus» nennt man die italienische Spielart der in Paris auch als «Pointillismus» bekannten Nachfolgeströmung des Impressionismus. Die Analyse des Lichts und der Farben begründet die divisionistische Malweise.



Friktionen der Primärfarben


Segantini und seine Zeitgenossen stehen am Anfang der klassischen Moderne in Italien. Sie bringen Prinzipien der Farbtheorie und der Optik zur Anwendung. Punkte oder Striche, oft in komplementären Kontrasten reiner Primärfarben, fügen sie zu schillernden, lichtdurchfluteten Kompositionen. Die wichtigsten Vertreter der älteren Generation sind neben Giovanni Segantini Giuseppe Pellizza da Volpedo und Gaetano Previati. Zu der zweiten Generation gehören Maler, welche ihre Karriere als Divisionisten beginnen und später im Futurismus zur Reife gelangen: Giacomo Balla, Carlo Carrà und Umberto Boccioni.



Himmeln und stürmen








Emilio Longoni, Gedanken eines Hungernden.


Angelo Morbelli, Das Weihnachtsfest der Vergessenen.


Giovanni Segantini, Rückkehr vom Wald.
Im Unterschied zum idyllischen französischen Postimpressionismus versteht sich die italienische Malerei zwischen 1891 und 1910 als politische, progressive Ausdrucksform. Neben aus der Natur entnommenen Motiven wie Umberto Boccionis «Lombardische Landschaft» (1908) und symbolistischen Themen wie «Der Klang des Bachs» (1902) von Emilio Longoni, gibt es unter den 60 in der Ausstellung versammelten Gemälden etliche, die das gesellschaftspolitische Engagement der Künstler zum Ausdruck bringen. Angelo Morbelli stellt in «Das Weihnachtsfest der Vergessenen» (1903) den kargen Innenraum eines Obdachlosenasyls und darin vereinzelte Menschen dar, denen es an Wärme, Nahrung und Zuwendung fehlt. Giacomo Ballas «Der Bauer» (1903), scheint von den Früchten seiner Arbeit nicht unbeschwert leben zu können. Die Landbewohner suchen zu dieser Zeit Arbeit und Zuflucht in der Stadt. Doch neben Errungenschaften der modernen Technik, für die Giacomo Ballas astralisch leuchtende «Strassenlaterne» (1909) steht, formiert sich ein Proletariat.
Die zwei Gesichter der Industrialisierung, damals von den Künstlern erkannt, sind im Kunsthaus Zürich allgegenwärtig – von «Soziale Gegensätze» (1894), einem Werk von Emilio Longoni, bis zu Segantinis Idyll «Mittag in den Alpen» (1891).



Gepunktet mit Landschaften


Der Divisionismus spielt auch in der Geschichte der Schweizer Kunst eine Rolle. Vor allem Maler aus der Südschweiz standen in Kontakt mit der modernen Bewegung und setzten dieselben stilistischen Mittel ein: Edoardo Berta, Filippo Franzoni sowie Giovanni Giacometti. Ihre Werke finden sich verteilt über die
Kapitel Landschaft, Symbolismus, Gesellschaftskritik, Ländliches Utopia, Aufbruch zum Futurismus. Neben Leihgaben aus italienischen Museen, dem Pariser Musée d’Orsay oder dem Museum of Modern Art, New York, sind ein Dutzend selten gezeigte Werke aus Privatbesitz zu sehen. Ein im Eintrittspreis inbegriffener Audioguide und ein 2008 in Mailand gedrehter Film informieren die Besucherinnen und Besucher über die divisionistische Maltechnik, liefern biografische Angaben zu einzelnen Künstlern und Hintergründe zu der Entstehung einer ganzen Reihe von Gemälden. Führungen werden in deutscher, französischer und italienischer Sprache angeboten.


Die Ausstellung ist eine Koproduktion des Kunsthaus Zürich und der National Gallery, London.(khz/mc/th)

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