Liebe Streikende, Ihr nervt!

Helmuth Fuchs
126 Stellen will die defizitäre SBB Cargo im Industriewerk (IW) Bellinzona streichen. Dies im Zuge einer Neuorganisation, bei der die Instandhaltung schwerer Loks in Yverdon und die Wartung der Güterwagen in Bellinzona konzentriert werden soll. Gleichzeitig sollen am Hauptsitz in Basel 300 Stellen wegfallen. Um das IW Bellinzona zu sanieren und auf Beginn 2009 auf 200 Arbeitsplätze auszubauen, wurden mit fünf Schweizer Partnern aus der Privatwirtschaft Verträge abgeschlossen.

«Mitarbeitende, die im Zusammenhang mit diesen Massnahmen die Stelle verlieren, bleiben weiterhin zum bisherigen Lohn bei der SBB angestellt und werden bei der beruflichen Neuorientierung unterstützt», so die Aussage der SBB Cargo. In Bellinzona streiken seit dem 7. März die dank dem SBB-Gesamtarbeitsvertrag (GAV) überdurchschnittlich gut verdienenden Mitarbeiter. In Basel streikt am Hauptsitz der SBB Cargo niemand, obwohl dort 300 Stellen wegfallen sollen.

Zur gleichen Zeit verkündet einer der wichtigsten Repräsentanten des Finanzplatzes Schweiz, die UBS, stufenweise Abschreiber in der Höhe von bis anhin 40 Milliarden Franken. Nach dem CEO geht der VR-Präsident. Ihnen werden tausende von Mitarbeitern zu folgen haben. Viele davon in der Schweiz. Der Verlust an Steuereinnahmen liegt in Milliardenhöhe, was die führende Stellung der Finanzinstitute in der Schweizer Privatwirtschaft unterstreicht (etwas über 15 % des BIP (Bruttoinlandsprodukts) werden in diesem Sektor erarbeitet, 5,5 % der Beschäftigten sind im Finanzsektor tätig). Am Paradeplatz streikt niemand.

Die Unterschiede zwischen den beiden Fällen? Beide Unternehmen müssen Massnahmen ergreifen, um frühere Fehlentscheide zu korrigieren, oder sich veränderten Marktbedingungen anzupassen. Das eine ist ein Bundesbetrieb mit gewerkschaftlich organisierten Mitarbeitern, das andere ein privatwirtschaftliches Unternehmen. Beim Ersten bezahlen alle Steuerzahler erzwungenermassen die Eskapaden, beim Zweiten die Aktionäre freiwillig.

Es erstaunt nicht, dass die Mitarbeiter in Bellinzona sich lieber nicht dem Wettbewerb stellen möchten, um als privatwirtschaftliches Unternehmen auch am internationalen Wachstum teilhaben zu können. Zu gemütlich hat man sich (dank GAV) eingerichtet, zu leicht lassen sich in dieser Situation die Lokalpolitiker erpressen, um Druck auf Bern zu machen. Zu einfach ist es, die Rechnung dafür der anonymen Masse der Steuerzahler zu überlassen. Deshalb, bei allem Verständnis, die Streikenden in Bellinzona nerven. Und das seit dem 7. März.

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