«My office is my castle»: Studie «human building office» abgeschlossen

Das Ergebnis ist eindeutig: Heutige Büroformen sind kaum dazu in der Lage, neue, flexible Lösungen für Office-Gebäude sind notwendig. Dass Stress krank macht, ist unbestritten. Ebenso wie die Tatsache, dass Stress oft dort entsteht, wo wir einen Grossteil unseres Tages verbringen: am Arbeitsplatz. Allein in der Schweiz fallen durch stressbedingten Arbeitsausfall jährlich Kosten von über vier Milliarden Franken an. Der Grund dafür ist mannigfaltig: hierarchische Strukturen, fehlende Anerkennung der geleisteten Arbeit, mangelnde Aufstiegschancen, Über- oder Unterforderung gehören dazu, ebenso wie Unzufriedenheit mit der Arbeitsumgebung. Letzterem hat sich das Kompetenzzentrum Typologie & Planung in Architektur (CCTP) der Hochschule Luzern angenommen.


Wichtiger Stressfaktor
«Die Bürosituation ist ein wichtiger Auslöser für Stress. Wir haben in unserem Projekt human building office untersucht, wie Arbeitsplätze und Raumangebot beschaffen sein müssen, damit die unterschiedlichen Voraussetzungen und Bedürfnisse der Mitarbeitenden, aber zugleich auch die Anforderungen der Unternehmen berücksichtigt werden können», sagt Prof. Dr. Peter Schwehr, Leiter des CCTP.


26 Unternehmen untersucht
Welche Faktoren nun genau das menschliche Wohlbefinden am Arbeitsplatz beeinträchtigen und welche Wechselwirkungen bestehen, hat das CCTP-Team in 26 Unternehmen unterschiedlicher Grösse untersucht. Insgesamt 46 Office-Gebäude mit verschiedenen Bürotypen ? vom Zellenbüro über Grossraumbüros bis hin zum Multispace ? wurden dabei unter die Lupe genommen. «Die Gebäude wurden vor Ort anhand eines Merkmalkatalogs mit 120 Qualitätskriterien zu den Zieldimensionen Gesundheit, Kommunikation, Flexibilität und Diversität erfasst und bewertet», erklärt Projektleiterin Sibylla Amstutz Ausserdem wurden die Anforderungen der Unternehmen an ein Office-Gebäude mittels eines Fragebogens erhoben. «Insgesamt haben wir rund 1400 Mitarbeitende zur Zufriedenheit mit der Büroumgebung und zu ihrer Gesundheit befragt».


Gegensätzliche Bedürfnisse nach Kommunikation und Privatheit
Rund zwei Jahre haben die Erhebungen und Auswertungen gedauert, nun liegt das Ergebnis vor. «Im Bereich der Mitarbeitenden-Zufriedenheit hat sich schnell herausgestellt, dass vor allem die beiden Faktoren ?Privatheit? und ?Einflussnahme? entscheidend sind. Hier gilt ganz klar: My office ist my castle», erläutert die Projektleiterin. Unter Privatheit versteht sie das individuelle Bedürfnis nach sozialer Nähe oder nach Distanz. «Die Möglichkeit, sich gegenüber sozialen Interaktionen zu öffnen oder sich vom sozialen Umfeld zurückzuziehen, etwa um ungestört arbeiten zu können, wird als sehr wichtig angesehen.» Umgesetzt ist dies allerdings in den wenigsten Fällen. So haben fast 80 Prozent der Befragten kein Raumangebot zur Verfügung, in dem sie optimal arbeiten können, ebenso viele vermissen Entspannungs- und Erholungsräume. Das Stichwort Einflussnahme umfasst die Möglichkeiten, die physikalische Arbeitsumgebung und den funktionalen Komfort, etwa in Bezug auf Licht, Klima oder Gestaltung des Arbeitsplatzes zu verändern. Auch das ist nicht überall gegeben. «Gerade in Grossraumbüros gibt es, kaum die Chance, Temperatur, Durchlüftung oder Lichtverhältnisse individuell zu gestalten», so Sibylla Amstutz.


Konzentrationsschwierigkeiten im Grosraumbüro
Überhaupt ist das Grossraumbüro wenig beliebt. Diese Büroform hat zwar den Vorteil, dass durch die offene Struktur die Kommunikation zwischen den Mitarbeitenden gefördert wird und dass sie vielfältig und flexibel nutzbar ist. Dagegen sind in ihnen Lärm und Ablenkung am grössten. «Mit steigender Anzahl von Personen pro Büroraum steigen auch die von den Befragten am häufigsten genannten Störfaktoren Lärm und Ablenkung, was einen direkten negativen Einfluss auf die Gesundheit und das Wohlbefinden hat», erklärt Sibylla Amstutz. So gaben über 70 Prozent der Befragten an, oft bis immer durch Geräusche und Gespräche abgelenkt zu sein. Die visuellen Ablenkungen fallen etwas weniger ins Gewicht, rund 40 Prozent fühlen sich dadurch gestört. Insgesamt ist das Ergebnis für das Grossraumbüro wenig schmeichelhaft: Fast 40 Prozent der Befragten gaben an, dass sie durch diese Büroform oft bis immer Schwierigkeiten haben, sich zu konzentrieren.


«Kombibüro» als beste Lösung?
Ist also das «Kombibüro» die beste Lösung? Diese Büroform besteht aus einer Zellen- oder Gruppenbürostruktur und einer grosszügigen Kommunikations- und Erschliessungszone. Die Mitarbeitenden können Einfluss auf ihr Arbeitsumfeld nehmen und soziale Nähe und Distanz individuell regulieren. «Als Wehrmutstropfen bleibt, dass dieser Bürotypus hinsichtlich Flexibilität und Anpassungsfähigkeit nicht ideal ist und überdies mehr Fläche benötigt», so Peter Schwehr. Sein Fazit aus dem Projekt human building office: «Die Ergebnisse zeigen, dass es Büroformen, die allen Ansprüchen gerecht werden, derzeit nicht gibt.»


Entwicklung neuer Büroformen nötig
Die Entwicklung neuer Büroformen ist eine wichtige Aufgabe für die Zukunft. Und das nicht nur, um aus zufriedenen Mitarbeitenden optimale Leistungen herauszuholen. «Die zunehmende Dynamik des Marktes verlangt von den Unternehmen, sich immer wieder sehr schnell an geänderte Bedingungen anzupassen. Allein schon deshalb muss das Büro der Zukunft äusserst flexibel gestaltet sein», betont Peter Schwehr. Die vier am Projekt human building office beteiligten Wirtschaftspartner Losinger Construction AG, MIBAG Property + Facility Management AG, D+H Management AG sowie Denz AG haben die Ergebnisse bereits als Grundlage für Neuplanungen und Optimierungen von Office-Gebäuden genommen. (human building/mc/ps)


Über den Verein human building
Das Projekt ist nun zwar abgeschlossen, das System Mensch, Arbeit und gebaute Umwelt wird aber weiterhin im Fokus der Beteiligten stehen. Dazu wurde der Verein human building gegründet. Peter Schwehr erläutert dessen Ziel «Die Themenbereiche zu Planung und Realisierung von nachhaltigen Arbeitswelten, in denen der Mensch im Mittelpunkt steht, sollen weiter erforscht und die Ergebnisse den Vereinsmitgliedern zugänglich gemacht werden». Näheres über den Verein erfährt man am Kompetenzzentrum Typologie & Planung in Architektur (CCTP) der Hochschule Luzern ? Technik & Architektur.

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