Neues Fusionsangebot der Deutschen Börse stösst auf Kritik

Euronext wollte den überarbeiteten Vorschlag für eine neue europäische Superbörse zunächst nicht kommentieren. Die Deutsche Börse beharrt inzwischen nicht mehr auf Frankfurt als Hauptverwaltung des geplanten neuen Unternehmens. Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) kündigte angesichts des erneuten Nachgebens seine Unterstützung für das Projekt auf. Unterdessen wurde bekannt, dass die Deutsche Börse auch dem Handelsplatz in Mailand ein Angebot für einen Zusammenschluss unterbreiten will.


Für uns ist man zu weit gegangen
Koch sagte in Wiesbaden, die Kontrolleure der Deutschen Börse seien im Ringen um Euronext eingeknickt: «Aus der Sicht des Landes Hessen ist der Aufsichtsrat in dem permanenten Nachlegen von Zugeständnissen, das wir nun schon seit einigen Wochen erleben, eindeutig zu weit gegangen.» Der Präsident der Frankfurter Industrie- und Handelskammer (IHK), Joachim v. Harbou, betonte am Dienstag, der Finanzplatz Frankfurt dürfe sich nicht unter Wert verkaufen: «Bei einer Fusion zu Lasten Frankfurts ist ein Domino-Effekt zu befürchten: Weitere Finanzdienstleister könnten abwandern.»


Xetra mit NSC tauschen
Das neue Angebot der Deutschen Börse sieht vor, die Zentralfunktionen des fusionierten Unternehmens auf Amsterdam, Frankfurt und Paris zu verteilen. Frankfurt bleibt zwar Dienstsitz des künftigen Vorstandschefs, allerdings wird der Aktienhandel in Paris angesiedelt sein. Zudem ist die Deutsche Börse bereit, das elektronische Handelssystem Xetra aufzugeben und stattdessen auf die Euronext-Handelsplattform NSC zu setzen. An den finanziellen Konditionen für eine Übernahme, die einige Analysten für entscheidend halten, soll jedoch festgehalten werden.


Bescheidene Zugeständnisse
In französischen Medienberichten wurden die Überlegungen als «bescheidene Zugeständnisse» eingeordnet. Grundsätzlich ist die Deutsche Börse das grössere Unternehmen, peilt aber eine «Fusion unter Partnern» an. Ihr Nebenbuhler ist die New York Stock Exchange (NYSE), die ebenfalls an Euronext interessiert ist und auch weiter als Favorit gilt. Der Frankfurter Börsenchef Reto Francioni gab sich dennoch optimistisch: «Interessengruppen aus ganz Europa sprechen sich eindeutig für eine Zusammenschluss von Euronext und Deutscher Börse aus», meinte er.


Der grosse Kristalisationspunkt
Die Superbörse solle zum Kern für weitere Zusammenschlüsse in der Branche werden. Die Frankfurter hätten aber bereits jetzt ein schriftliches Angebot an die italienische Börse in Mailand geschickt, berichtete die Zeitung «Il Messaggero» (Dienstag). «Darin steht schwarz auf weiss ein Vorschlag für eine Ehe mit Palazzo Mezzanotte (Sitz der Mailänder Börse)», hiess es. Der Präsident der Borsa Italiana, Angelo Tantazzi, und Vorstandschef Massimo Capuano hätten mit dem Aufsichtsrat vereinbart, so schnell wie möglich auf das Angebot aus Frankfurt antworten zu wollen. Ein Sprecher der Deutschen Börse wollte den Bericht nicht kommentieren, verwies aber auf eine offizielle Ankündigung, die Italiener kurzfristig als Partner gewinnen zu wollen. (awp/mc/th)

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