Peter Weissmüller, Partner Kompetenzzentrum wissenskapital.ch

von Peter Stöferle


Moneycab: Herr Weissmüller, die Plattform wissenskapital.ch ist eine Vereinigung von unabhängigen Consultants. Welche Ziele verfolgt wissenskapital.ch?


Peter Weissmüller: Wir wollen die Thematik «Wissenskapital oder Intellectual Capital Reporting» in der Schweiz publik machen und in dieser Sache eine führende Position am Markt einnehmen.


Wer gehört zum Kernteam und arbeiten Sie mit weiteren Partnern zusammen?


Das Kernteam besteht aus Walter Stürchler (Profil-Management, Utzenstorf) und Hans Jossi (Jossi & Gertsch Consulting, Thun). Beide Partner sind erfahrene Strategieberater. Im Weiteren arbeiten wir mit ergänzenden Partnern im Raum Zürich zusammen und haben enge Verbindungen zu den führenden Wissensbilanz-Moderatoren im süddeutschen Raum. Als Fachbeirat sind Prof. Günter Koch (Wien) und Claus Nagel (Nagel + Kollegen, Kressbronn / Friedrichshafen) in unserem Team.


Zu den Erfolgsfaktoren einer Unternehmung zählt nicht nur das materielle oder menschliche Kapital, sondern auch das Wissen, das auch als 4. Produktionsfaktor bezeichnet wird. Wurde dieser Faktor in früherer Zeit vernachlässigt?


Es wäre falsch zu behaupten, dass man den 4. Produktionsfaktor «Wissen» nicht schon früher beobachtet hätte. Es gibt viele Hinweise zum Thema Wissensmanagement, grosse Unternehmen versuchen seit vielen Jahren das Wissen in den «Griff» zu bekommen. Dabei gilt das Wissensmodell von Prof. Gilbert Probst auch heute noch als Referenzmodell. Die Probleme mit Wissen sind aus meiner Sicht folgende:



a) Wissen preiszugeben (Kopfwissen, implizites Wissen) kann man nicht befehlen. Es kann am besten in Unternehmenskulturen des Vertrauens gedeihen.


b) Das explizite Wissen (Topf-Wissen) in IT Applikationen und Datenbanken explodiert. Das Problem ist heute das schnelle Auffinden von solchem «Wissen».


c) Wissensmanagement kann nicht durch Informationstechnologie alleine gelöst werden. Persönliche Gespräche (CoP Communities of Practise) sind notwendig, insbesondere auch, wenn es sich um unterschiedliche Kulturkreise handelt.


Auf Ihrer Homepage zitieren Sie aus der globalen Studie Brand Finance Global Intangible Tracker (GIT), wonach Schweizer Firmen weltweit den höchsten Prozentsatz an immateriellem Wert aufweisen, nämlich über 76 Prozent des Gesamtwerts der im SMI enthaltenen Unternehmen. Weshalb ist dieser Anteil in der Schweiz so hoch?


Zu diesem stolzen Ergebnis haben massgebend die beiden Schweizer Pharmaunternehmen Novartis und Roche beigetragen, zumal die pharmazeutische Industrie ohnehin den höchsten Anteil an immateriellen Werten aufweist. Darüber hinaus verfügen aber auch viele andere Schweizer Unternehmen über hochqualifizierte Produktionsfaktoren und hoch entwickelte Infrastrukturen, die zu einer eigentlichen Konzentration von High Technology führen (diese wiederum ist ausserordentlich wissensintensiv)


Doch Wissen alleine bringt noch keinen Erfolg. Wie kann Wissen intelligent umgesetzt werden?


Wissen alleine bringt nichts, das Können zählt letztlich. Unternehmen müssen die Thematik «Wissen» strategisch positionieren und dafür ist letztlich der Eigentümer oder Verwaltungsrat verantwortlich.



«Der konkrete Umgang mit strategischem Wissen wird zwar bejaht, in den KMU Unternehmen fehlt es aber oft an der notwendigen Zeit, sich um diese Dinge zu kümmern – das operative Geschäft geht vor.»
 Peter Weissmüller, Partner wissenskapital.ch


Liegt hier Ihrer Ansicht nach noch Brachland vor, das besser genutzt werden könnte?


Meine persönliche Erfahrung zeigt, dass man in Unternehmen generell über Wissen spricht. Wenn man aber die Frage stellt: «Welches Wissen benötigen Sie denn, um in 10 Jahren noch am Markt bestehen zu können?» – dann sind die meisten Antworten eher als «nebulös» zu bezeichnen. Der konkrete Umgang mit strategischem Wissen wird zwar bejaht, in den KMU Unternehmen fehlt es aber oft an der notwendigen Zeit, sich um diese Dinge zu kümmern – das operative Geschäft geht vor.


Sie haben es bereits angesprochen, die Wissensbilanz – der sogenannte Intellectual Capital Report ICR – ist in den letzten Jahren zu einem gebräuchlichen Instrument der Unternehmensentwicklung geworden. Was beinhaltet der ICR?


Die Wissensbilanz ist als Begriff verwirrend. Es handelt sich nicht um eine monetäre Bewertung von Wissen oder Intellectual Capital und schon gar nicht um eine Bilanz, sondern eher um ein Statement oder einen Rapport. Hinter dem Begriff stehen jedoch über 150 Projekte in Deutschland, die dort unter dem Label «Wissensbilanz – Made in Germany» realisiert worden sind. Als gebräuchliches Instrument würde ich die Wissensbilanz nicht bezeichnen. Obwohl bereits grosse Anstrengungen in Deutschland unternommen worden sind, ist es noch ein weiter Weg bis zur flächendeckenden Anwendung in Unternehmen.


Die Wissensbilanz ist eine systematische Darstellung und Bewertung von strategisch wichtigen «weichen» Erfolgsfaktoren, die folgenden Perspektiven zugeordnet werden:



a) Human Kapital (= Fremdkapital): umfasst alles, «was im Unternehmen fehlt, wenn die Mitarbeiter nach Hause gehen», also deren Kompetenzen, Kenntnisse und Fähigkeiten, Motivation, Erfahrungen etc.


b) Strukturkapital (=Eigenkapital) : besteht aus all jenen Strukturen und Prozessen, welche die Mitarbeiter benötigen, um produktiv zu sein – also alles, «was bestehen bleibt, wenn die Mitarbeiter am Abend das Unternehmen verlassen haben»: Infrastruktur, Prozesse, IT- Systeme, Qualitätsmanagement, Kultur, Innovationsprozesse etc.


c) Beziehungskapital (= Fremd- & Eigenkapital): umfasst Austauschprozesse und Beziehungen zwischen einzelnen Mitarbeitern, internen Abteilungen, aber auch über die Organisationsgrenzen hinweg z. B. zu Kunden, Lieferanten, Geschäftspartnern oder der Öffentlichkeit, Eignern, Kapitalgebern, Universitäten u.a.


Welchen Methoden bedient sich der ICR?


Das Projekt geht zurück auf eine im Jahre 2003 lancierte Initiative des Deutschen Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie (BMWi). Mit dem Projekt wurden folgende Ziele verfolgt: Die «Wissensbilanz – Made in Germany» soll kleine und mittlere Unternehmen animieren, sich ihres intellektuellen Kapitals bewusster zu werden, es als Wettbewerbsvorteil zu erkennen und damit zu arbeiten. Die «Wissensbilanz» ist ein strategisches Managementinstrument, das es KMU ermöglicht, dieses immaterielle Vermögen schnell und kostengünstig zu erfassen, aufzubereiten und gegenüber wichtigen Entscheidungsträgern zu kommunizieren.


Der Arbeitskreis Wissensbilanz (AKWB), zusammen mit dem Fraunhofer Institut für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik (IPK) Berlin, betreut das Projekt und treibt die wissenschaftliche Weiterentwicklung massgeblich voran.


Eine Wissensbilanz wird in einem Unternehmen durch eine repräsentative Projektgruppe erstellt. Die Kernfrage lautet: «Welches immaterielle- und intellektuelle Kapital (intellectual Capital IC) ist für die strategische Zielerreichung des Unternehmens wichtig?» Alle definierten Faktoren werden nach einem vorgegebenen Rating auf Qualität, Quantität und Systematik eingeschätzt. Ebenso erfolgt mit einer Sensitivitätsanalyse (Ursachen-Wirkungsgefüge) eine Einschätzung über den Einfluss der definierten Faktoren.


Und wo liegt der konkrete Nutzen?


Es gibt viele Nutzenaspekte, die wichtigsten jedoch sind:



1. Das Unternehmen erhält eine übersichtliche Darstellung von strategisch relevanten immateriellen Erfolgsfaktoren und kann in einem Potenzial-Portfolio ablesen, wo Handlungsdruck besteht.


2. Die Erkenntnisse können zur allgemeinen Stakeholderkommmunikation benutzt werden (Geldgeber, öffentliche Institutionen, potenzielle Führungspersonen u.a.). Die Transparenz über das Unternehmen wird aktiv gefördert, die Attraktivität in der Öffentlichkeit wird positiv beeinflusst.


3.  Die frühzeitige Konzentration auf IC und deren Entwicklung ermöglicht es den Unternehmen Wettbewerbsvorsprünge herauszuarbeiten.


Ist der Einsatz des ICR auch für klein- und mittelständische Unternehmen denkbar und sinnvoll?


Eine der Zielsetzungen des Förderprojektes war es, die Methode der Wissensbilanz für KMU’s zugänglich zu machen. Der Einsatz der Wissensbilanz ist deshalb auch für kleinere und mittelständische Unternehmen denkbar und sinnvoll. Allerdings geht es ohne Arbeit nicht: Eine Wissensbilanz kann in sechs bis neun Wochen erstellt werden und das gesamte Projektteam muss an insgesamt drei Workshoptagen präsent sein. Einzelne Fachpersonen sind im Vorfeld des Projektes sowie in die Nachbereitung der Ergebnisse involviert. Die Moderation erfolgt durch externe Spezialisten, die jedoch das Wissen an den internen Projektleiter weitergeben. In einem «Wissensbilanz – Nachaudit» – z.B. nach zwei Jahren – ist der Aufwand für die externe Begleitung nur noch gering.



«Ebenso erschwerend kommt hinzu, dass die Verwalter von Wissen, also die Personalverantwortlichen, vielerorts nicht in der Geschäftsleitung Einsitz haben – und Wissen deshalb oft zum Thema von Ausbildung und Seminarbesuchen verkommt.»
 Peter Weissmüller, Partner wissenskapital.ch


Allerdings kann Wissen auch ein Risikofaktor darstellen, nämlich dann, wenn es eben nicht umgesetzt wird. Weswegen tun sich viele Manager und Verwaltungsräte damit heute noch schwer?


Die Schwierigkeit besteht aus meiner Sicht darin, dass man in vielen Fällen das Thema Wissen nicht im Rahmen des Risk-Managements oder innerhalb der IKS (Interne Kontroll-Systeme) behandelt und es in vielen Unternehmen nicht auf der obersten Führungsebene positioniert. Ebenso erschwerend kommt hinzu, dass die Verwalter von Wissen, also die Personalverantwortlichen, vielerorts nicht in der Geschäftsleitung Einsitz haben – und Wissen deshalb oft zum Thema von Ausbildung und Seminarbesuchen verkommt.


Es kann zu einem Zielkonflikt führen, wenn einerseits der ICR dazu verwendet wird, die Stärken der Unternehmung herauszuarbeiten, um diese möglichst positiv darzustellen, so ist es andererseits für die Wissensbilanz auch relevant, Schwächen aufzuzeigen und transparent zu machen und einen Veränderungsbedarf zu betonen. Im Extremfall können Zielsetzungen der Kommunikation den strategisch als richtig erkannten Steuerungsaspekten sogar zuwider laufen.


Wenn die Unternehmen sich einig sind, dass Innovation und Wissen zentrale Überlebensfaktoren sind oder werden, dann ist der Umgang mit Wissen oder intellektuellem Kapital zwingend «Chefsache».


Der VR-Präsident der Phonak AG und der Sonora AG, Andy Rihs, bezeichnet die Vision und die Unternehmenskultur als entscheidende «Ursuppe» für innovatives Denken und Kreativität. Lässt sich dieses Beispiel verallgemeinern?


Ich persönlich glaube fest an diese Aussage: «Wenn keine Vision vorhanden ist, dann fehlt  eigentlich der Leuchtturm für die Arbeit aller Mitarbeitenden in einem Unternehmen. Eine Unternehmenskultur des Vertrauens oder eine ‹Fehlermachen-Dürfen-Kultur› fördert eindeutig das innovative Denken.


Wie Sie bereits angetönt haben, betreffen diese Anforderungen insbesondere auch das strategische Management. Welche Kernkompetenzen muss Ihrer Meinung nach ein Verwaltungsrat heute mitbringen?


Die Verantwortlichkeiten des Verwaltungsrates sind ja im Gesetz festgehalten und es wäre vermessen, wenn ich hier allgemein gültige Anforderungen formulieren würde. Aus der langen Praxiserfahrung zeigt sich aber, dass Kenntnisse des Geschäfts (Business), Führungserfahrung, Kommunikationsvermögen sowie Analysefähigkeit von grosser Bedeutung sind. Im Rahmen der Globalisierung und der schnellen Veränderung kommt der Zeitfaktor als wichtige Komponente dazu (also die dem Verwaltungsrat zur Verfügung stehende Zeit für sein Mandat).


Wenn Sie die Verwaltungsräte von Schweizer Blue-Chip-Firmen benoten würden. Welchem VR-Gremium würden Sie die beste Note erteilen und weshalb?


Hierzu existieren mehrere Studien und Ratings, die jedoch laufend von der Aktualität überholt werden. Ungeachtet dessen hat sich das Nestlé-Team über Jahre hinweg als Weltkonzern sehr gut gehalten. Auch ist die Weitsicht von Peter Brabek bemerkenswert, während sich der UBS-VR in den jüngsten Ratings happige Abstriche hat gefallen lassen müssen.


Herr Weissmüller, besten Dank für das Interview.







Zur Person:
Peter Weissmüller, geboren 1949, verheiratet, studierte Betriebsökonomie mit Fachrichtung Marketing an der Fachhochschule Zürich. In der Folge erarbeitete er sich langjährige Führungserfahrung in Konzernen und mittelständischen Unternehmen. 1990 machte sich Peter Weissmüller selbständig. Aufgrund der Komplexität in Unternehmen ist Weissmüller  der Überzeugung, dass ganzheitliche Lösungen einem Kunden nicht mehr in einer «Consulting Einzelmaske» erbracht werden können. Aus diesem Grund arbeit er seit Jahren intensiv vernetzt.


Zusatzausbildungen
– Lizenzierter EKS Strategie Consultant (Engpass-Konzentrierte-Strategie (EKS) / Prof. Dr.& Wolfgang Mewes)
– Lizenzierter DISG Trainer (Pesönlichkeitsentwicklung und Teamentwicklung)
– Akkreditierter Berater der Human Synergistics Deutschland für Messung der Unternehmenskultur
– EFQM Business Excellence Assessor


Zum Unternehmen:
Wissenskapital.ch beschäftigt sich als Partnernetzwerk mit dem Wissenskapital (Intellectual Capital – den schwer fassbaren immateriellen Vermögenswerten eines Unternehmens.) Die Schwerpunkte der Präsenz von Wissenskapital.ch sind:
– Systematische Erarbeitung von immateriellen & intellektuellen Erfolgsfaktoren
– Bewertung der immateriellen Faktoren
– Erstellen von Wissensbilanzen (qualitativ und/oder monetäre Bewertung)
– Messen von Unternehmenskultur und deren Ursachen
– Moderation und Visualisierung komplexer Entscheidungsprozesse


Das immaterielle Vermögen eines Unternehmens (Intellectual Capital oder Assets) liegt versteckt in Mitarbeitenden, Prozessen und Strukturen und Beziehungen. Wer daran interessiert ist, wie man dieses Kapital erfasst, bewertet und zielgerichtet entwickelt, ist bei Wissenskapital.ch am richtigen Ort.


Wissen ist der wichtigste Produktionsfaktor des 21. Jahrhunderts. Wissen richtig eingesetzt bedeutet Zukunft, Sicherheit, Erfolg, Kapital, sozusagen Wissenskapital.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert