Pierre Klatt, Managing Director T-Systems Schweiz

Von Helmuth Fuchs


Moneycab: Herr Klatt, während vor Ihrem Antritt im August 2009 bezüglich der Bedeutung der T-Systems Schweiz innerhalb der Gruppe noch einige Fragezeichen gesetzt werden konnten, scheint sich die Lage stabilisiert zu haben. Welches waren die wichtigsten Aufgaben für Sie, seit Sie als Länderchef angetreten sind und welche strategischen Änderungen haben Sie seither umgesetzt?


Pierre Klatt: Uns haben vor allem zwei grosse strategische Unterfangen beschäftigt, die zusammenhängen. Im Zuge der Internationalisierungsstrategie von T-Systems ist es darum gegangen, das Unternehmen stärker mit dem Mutterhaus zu verknüpfen, ohne unsere Eigenständigkeit aufzugeben. Anders gesagt, unsere länderspezifischen Stärken in unser global aufgestelltes Unternehmen einzubringen. Was mich gleich zu unserem zweiten strategischen Schwerpunkt führt: Best Shoring. Darunter verstehen wir Outsourcing-Dienstleistungen, die das Beste aus Nah und Fern kombinieren. Etwa lokales Branchen Know-how mit den günstigen, hochgradig standardisierten Serviceleistungen unserer Nearshore-Standorte in der Slowakei und Ungarn. Diesen stark kundenorientierten Outsourcing-Ansatz weiter zu optimieren, das treibt uns auch in diesem Jahr weiter an.



«In einem Rechenzentrum fallen viele Routineaufgaben an, für die ein ETH-Abgänger wohl kaum zu begeistern ist. Deshalb ist die Fähigkeit des Outsourcing-Providers entscheidend, die besten Skills dort abzurufen, wo sie günstig und vorhanden sind» Pierre Klatt, CEO T-Systems Schweiz


Vor T-Systems waren Sie bei EDS als CEO, Country Manager und zuletzt als Vice President EMEA Transportation  tätig. Wo liegen die wesentlichen Unterschiede der beiden Unternehmen, die bei vielen Kunden als Konkurrenten antreten?


Der grösste Unterschied liegt in der europäischen DNA von T-Systems. Wir haben den Grundgedanken von der länderübergreifenden Zusammenarbeit verinnerlicht, bei der jeder im Rahmen seiner Herkunft und seiner lokalen Bedingungen das Seine zum Erfolg beiträgt. Doch ich habe mich gefreut, nach meinem Wechsel zu T-Systems weiterhin Kunden aus der Transportation-Branche wie SBB oder Jet Aviation betreuen zu dürfen.


Aktuell suchen Sie eine Lösung für den Bereich Banking Solutions. Während Sie im Outsourcing-Geschäft mit den Banken bleiben möchten, passt der Betrieb von Kernbanken-Lösungen wie Avaloq oder Finnova offenbar nicht mehr ins Angebot. Was sind die Gründe dafür und wie hoch schätzen Sie den Wert dieses Geschäftsbereiches?


Ja. Es stimmt: Der Betrieb von Kernbanken-Lösungen passt nicht mehr in unser Portfolio. Wir haben uns im Bankingbereich zu einer konsequenten Ausrichtung unserer Angebote auf ausgelagerte, dynamische ICT-Plattformen entschlossen – auf den sicheren und hochverfügbaren Unterbau, auf denen Finanzinstitute ihre Applikationen betreiben oder betreiben lassen können. Um es klar auszudrücken: T-Systems Schweiz bleibt im Outsourcinggeschäft mit Banken aktiv.



«Wir setzen auf Cloud Services. Sie stehen hinter den fünf branchenübergreifenden Trends Dynamic Services, Collaboration, Mobile Enterprise, Security & Governance sowie Sustainability & Corporate Responsibility.»


Welches sind für Sie in den kommenden zwei Jahren die bedeutendsten strategischen Projekte, die Sie mit der T-Systems Schweiz umsetzen wollen?


Wir wollen die bereits angesprochene Internationalisierung und unsere Best-Shoring-Strategie optimieren, verfeinern und «in Fleisch und Prozess» übergehen lassen. Im Zuge dessen besteht eine unserer Kernaufgaben darin, globale Trends und die dazu passende Strategie von T-Systems an die Schweizer Verhältnisse anzupassen. So dass Kunden beides haben: lokale Expertise und globale Services. Wir setzen auf Cloud Services. Sie stehen hinter den fünf branchenübergreifenden Trends Dynamic Services, Collaboration, Mobile Enterprise, Security & Governance sowie Sustainability & Corporate Responsibility. Hier wollen wir unsere Schwerpunkte setzen und uns und unsere Technologien gemeinsam mit unseren Kunden weiterentwickeln. Intelligente Netze werden Gesellschaft und Wirtschaft in naher Zukunft bestimmen – hier wollen wir der führende Anbieter sein.
 
Im Bereich SAP bieten Sie spezielle dynamische Leistungen an, der Kunde bezahlt also nur, was er auch wirklich bezieht. Sie werden jedoch Ihre Leistung der Rechenzentren auf die Spitzenzeiten mit der höchsten Transaktionsdichte und dem grössten Speicherbedarf auslegen müssen. Wie lösen Sie dieses Problem und gibt es Erfahrungswerte, wie viel ein Kunde gegenüber einem Standard SaaS (Software as a Service) Angebot einsparen kann?


Das Thema Dimensionierung auf Spitzenwerte lässt sich einfach mit Skaleneffekten beziehungsweise dem Umstand, dass die Kunden zeitlich und in ihrer Ausprägung völlig unterschiedliche Lastspitzen haben, erklären. Anders ausgedrückt: Es braucht möglichst viele unterschiedliche SAP-Kunden, die in ihrem Business mit ihren Lastspitzen aneinander vorbeiarbeiten. Wie im Stromnetz: Wenn alle zur gleichen Zeit ihre Waschmaschinen einschalten, kommt es zum Engpass. Voraussetzung für eine funktionierende Dynamik ist, dass man eine gemeinsame hoch flexible technologische Struktur verbunden mit einem ebenso hoch standardisierten Service für alle SAP-Kunden hat. Nur so ist man diesen Anforderungen sozusagen eine «Nasenlänge» voraus und kann das Ganze sauber steuern. Wieviel man mit unseren Dynamic Services for SAP Solutions einspart, hängt vom Einzelfall ab; es können im Idealfall mehr als 20 Prozent sein. 



«Unsere Rechenzentren «grüner», somit auch nachhaltiger und erst noch kostengünstiger zu betreiben, ist uns ein grosses Anliegen. Die entsprechende Forschung obliegt unserem Mutterhaus, das derzeit gemeinsam mit Intel das DataCenter 2020, www.datacenter2020.de, betreibt.»


Ein immer wichtigerer Aspekt der IT wird die Umweltverträglichkeit, Stichwort «Green IT». Wie werden die T-Systems-Rechenzentren diesen Ansprüchen gerecht und wo steht die Schweiz im internationalen Vergleich bezüglich «Green IT»?


Ich halte in diesem Bereich nichts von medienträchtigen Schnellschüssen, sondern von langfristiger, seriöser Forschung. Nur so ist «Green IT» kein Marketing-Schlagwort, sondern gelebte Realität. Unsere Rechenzentren «grüner», somit auch nachhaltiger und erst noch kostengünstiger zu betreiben, ist uns ein grosses Anliegen. Die entsprechende Forschung obliegt unserem Mutterhaus, das derzeit gemeinsam mit Intel das DataCenter 2020, www.datacenter2020.de , betreibt. Gemeinsam konnten wir bereits den PUE (Power Usage Effectiveness)-Wert im Münchener Testrechenzentrum von 1,9 auf unter 1,4 senken. Der Wert misst, wie viel eingesetzte Energie tatsächlich in Rechenleistung umgesetzt wird. Schon heute arbeiten T-Systems-Rechenzentren – auch in der Schweiz – bereits weitaus umweltfreundlicher als viele firmeneigene Rechenzentren. Dazu trägt alleine der Umstand bei, dass Unternehmen keine überdimensionierte Infrastruktur für kurzzeitige Spitzenlasten unterhalten müssen, sondern eine dynamische Umgebung erhalten, bei der die Kapazitäten innert Stunden erweitert oder verringert werden können. Bezahlt wird nur, was tatsächlich verbraucht wird.


Internationale Outsourcing Anbieter vermelden aus der Schweiz vorwiegend Erfolgsgeschichten mit internationalen Grosskunden. Wie weit sind die Schweizer KMU (Kleine und mittlere Unternehmen) beim Thema Outsourcing und welchen Stellenwert messen Sie den KMU als Kundensegment zu?


T-Systems Schweiz richtet sich mit ihren Angeboten an grosse, internationale Unternehmen mit Headquarter in der Schweiz aber auch an grössere KMU, die teils global aufgestellt sind. Natürlich wird mit zunehmender Standardisierung unsere dynamische Plattform auch für andere KMU zur valablen Option.



«Wieviel man mit unseren Dynamic Services for SAP Solutions einspart, hängt vom Einzelfall ab; es können im Idealfall mehr als 20 Prozent sein.»


Für ausgebildete IT Spezialisten herrscht in der Schweiz ein grosser Nachfrageüberhang, zudem sind Energie-, Leitungs- und Verbindungskosten im Vergleich zu anderen Standorten in Europa eher hoch. Lohnen sich Rechenzentren in der Schweiz noch oder müssen wir damit rechnen, dass die Leistungen in Zukunft aus Off- und Nearshore-Betrieben stammen?


Selbstverständlich ist die Schweiz ein attraktiver Rechenzentrums-Standort. Nebst den genannten Faktoren sind für unsere Kunden nämlich auch andere genauso wichtig: die politische und wirtschaftliche Stabilität der Schweiz etwa, die geografische Nähe zu den Headquarters der internationalen Unternehmen und zu den Universitäten, die hohen Ansprüche an die Sicherheit und den Datenschutz und nicht zuletzt gerade die Tatsache, dass die Schweiz nicht Mitglied der EU ist. Alles Gründe, die T-Systems dazu bewogen haben, ihre neue Dynamic Computing Services Plattform als integralen Bestandteil des globalen Outsourcing-Angebots auch in der Schweiz aufzubauen. Lassen Sie uns aber auch den Tatsachen ins Auge sehen: In einem Rechenzentrum fallen viele Routineaufgaben an, für die ein ETH-Abgänger wohl kaum zu begeistern ist. Deshalb ist die Fähigkeit des Outsourcing-Providers entscheidend, die besten Skills dort abzurufen, wo sie günstig und vorhanden sind – immer unter Berücksichtigung der lokalen Datenschutzbestimmungen. Das können wir mit Best Shoring.


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Cloud Computing ist inzwischen sogar im Privatbereich angekommen. Der Rechner mit der eigenen Software verliert an Bedeutung, wenn dieselbe Leistung aus dem Netz bezogen werden kann und die Kosten dafür mit einem Kauf vergleichbar sind. Wo sehen Sie Chancen, Grenzen und Risiken des Cloud Computings?


Wir bieten Cloud Computing seit Jahren an – unsere Dynamic Computing Services Plattform ist im Kern nichts anderes. Unternehmen erhalten die Chance, ihre ICT-Infrastruktur zu flexibilisieren, ihre IT-Kosten zu senken und transparenter zu gestalten, sich von Routineaufgaben zu entlasten und somit letztlich ihre Innovationsfähigkeit zu stärken. Wie jede Technologie ist Cloud Computing aber auch mit Risiken verbunden, die jedoch beherrschbar sind, wenn sich Unternehmen vor dem Gang in die Cloud Gedanken machen, welche Daten ausgelagert werden dürfen und welche strikt innerhalb der Firewall verbleiben müssen. Auch dann noch stellen Unternehmen zu Recht hohe Anforderungen an ihre Cloud. Diese kann nur ein grosser, global aufgestellter Dienstleister erfüllen, der Garantien für den Speicherort der Unternehmensdaten abgibt und mit seiner privaten Cloud höchste Sicherheitsansprüche erfüllt. Rund 80 Prozent der Neukunden entscheiden sich für dynamische SAP-Ressourcen, die nach Bedarf abgerechnet werden. Das zeigt: Unternehmen setzen dasselbe Vertrauen in unsere Infrastruktur wie in ihre eigene. Mit dem Unterschied, dass sie sich nicht mehr selbst um die Sicherheit, Backups und Performance kümmern müssen, sondern sich auf ihre Kernkompetenzen fokussieren können. Cloud Computing stösst auch an Grenzen. Diese liegen weniger in der Technologie, die extrem skalierbar ist. Vielmehr könnten Unternehmen bei der Nutzung von Cloud Computing auf juristische und regulative Hindernisse stossen.


Dynamischer Bezug von Anwendungen und Rechenleistung oder Cloud Computing kommen vor allem dort zustande, wo der Anbieter Skaleneffekte erzielen kann. Dies setzt aber voraus, dass Prozesse standardisiert und globalisiert werden. Erleben wir das Ende der Individualsoftware und der extensiven Anpassung an jedes spezifische Kundenbedürfnis?


Das glaube ich nicht. Es wird immer Nischen geben, die sich nur mit Individualsoftware abdecken lassen und es wird immer möglich sein, die eigene ICT-Infrastruktur individuell anzupassen. Etwa durch den Grad der Standardisierung, durch hybride Architekturen. Mit der Cloud verfügen IT-Abteilungen über eine Option, die sie befähigt, IT-Services so zu orchestrieren, dass sie Geschäftsprozesse optimal unterstützen. Speziallösungen und SaaS-Angebote lassen sich dabei vortrefflich kombinieren.



«Als wichtige Auslandstochter der T-Systems International GmbH beschäftigen wir landesweit an verschiedenen Standorten rund 800 Mitarbeitende. Finanzzahlen publizieren wir nicht. Ich kann Ihnen nur versichern, dass die ersten beiden Quartale 2010 erfreulich verlaufen sind.»


Die Schweiz spielt in grossen internationalen Konzernen wegen der geringen Marktgrösse oft eine untergeordnete Rolle. Wie ist die Position der T-Systems Schweiz innerhalb der Gesamtgruppe, bei welchen Themen haben Sie vielleicht sogar eine führende Rolle inne?


Natürlich folgen wir einer vom Mutterhaus vorgegebenen, umfassenden Strategie. Wie bereits erwähnt, stehen dabei Dynamic Services, Collaboration, Mobile Enterprise, Security & Governance sowie Sustainability & Corporate Responsibility im Vordergrund. Viele globale Player haben ihr Headquarter in der Schweiz aufgeschlagen. Das verschafft uns innerhalb der Gruppe eine Sonderstellung. Wir sind Teil eines grossen Ganzen, ohne dabei unsere spezifischen Stärken zu vernachlässigen: unser Know-how, unser Branchenwissen, unsere Fähigkeit, ein partnerschaftliches Verhältnis zum Kunden aufzubauen – ganz in seiner Nähe zu sein. Gleichzeitig sind wir auch an globalen Projekten beteiligt, beispielsweise beim Industriekunden Rio Tinto Alcan, wo wir zusammen mit T-Systems in Frankreich und Deutschland die Mainframe-Services betreuen. Ein anderes Beispiel ist Shell, die vor zwei Jahren ihre IT-Infrastruktur an T-Systems ausgelagert hat. Auch hier sind wir von T-Systems Schweiz involviert.


Nach einem gesamtwirtschaftlich schwierigen 2009, welche Ziele haben Sie sich für 2010 bezüglich Anzahl Mitarbeiter und Umsatz gesetzt und wie beurteilen Sie den bisherigen Jahresverlauf?


Als wichtige Auslandstochter der T-Systems International GmbH beschäftigen wir landesweit an verschiedenen Standorten rund 800 Mitarbeitende. Finanzzahlen publizieren wir nicht. Ich kann Ihnen nur versichern, dass die ersten beiden Quartale 2010 erfreulich verlaufen sind, wir uns aber nicht auf den Lorbeeren ausruhen, sondern hart daran arbeiten, in der Schweiz der führende ICT-Provider für IT und Telekom aus einer Hand  mit globaler Ausstrahlung zu werden, der seinen Kunden aus dem gesamten Netzwerk die besten und günstigsten Dienstleistungen erbringt, die seine Geschäftsprozesse gerade verlangen.


Zum Schluss des Interviews haben Sie zwei Wünsche frei. Wie sehen diese aus?


Mit zunehmendem Alter gewinnt die Gesundheit an Stellenwert. In einem früheren Interview habe ich mal von einem Weinberg geträumt. Doch noch habe ich nach wie vor viel Spass an meinem interessanten Job, und das wird wohl noch ein ganzes Weilchen so bleiben?





Der Gesprächspartner:
Pierre Klatt ist seit August 2009 als Managing Director bei  T-Systems Schweiz tätig. Er wechselte vom amerikanischen IT-Dienstleister EDS zu T-Systems. Der gelernte Elektrotechniker hatte bei EDS Schweiz in den letzten sieben Jahren verschiedene Führungspositionen als CEO, Country Manager und zuletzt als Vice President EMEA Transportation inne. Davor war er in verschiedenen Funktionen bei Atraxis tätig. Der gebürtige Zürcher begann seine IT-Karriere 1983 bei der Swissair Informatik. 1992 wurde er Divisions-Manager und verantwortlich für Airport Remote Systems & Links, später wurde er in den Kader der Atraxis, zuständig für Airport Management Solutions, befördert. Bei Swissair hat er mehrere Karrierestufen durchlaufen und umfassende internationale Erfahrungen gesammelt.


Das Unternehmen:
Mit einer weltumspannenden Infrastruktur aus Rechenzentren und Netzen betreibt T-Systems die Informations- und Kommunikationstechnik (engl. kurz ICT) für multinationale Konzerne und öffentliche Institutionen. Auf dieser Basis bietet die Grosskundensparte der Deutschen Telekom integrierte Lösungen für die vernetzte Zukunft von Wirtschaft und Gesellschaft. Rund 45.300 Mitarbeiter verknüpfen bei T-Systems Branchenkompetenz mit ICT-Innovationen, um Kunden in aller Welt spürbaren Mehrwert für ihr Kerngeschäft zu schaffen. Im Geschäftsjahr 2009 erzielte die Grosskundensparte einen Umsatz von rund 8,8 Milliarden Euro. In der Schweiz zählt T-Systems rund 800 Mitarbeitende und ist neben dem Hauptsitz in Zollikofen schweizweit an verschiedenen Standorten vertreten.

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