Richard Fritschi, CEO Ypsomed
von Radovan Milanovic
Die Gewinn-Resultate von Ypsomed haben im 1. Halbjahr 2009/10 sehr gelitten, wie das Betriebsergebnis mit -58,5% auf 6,8 Mio. CHF und das EBITDA mit -34,7% auf 18,0 Mio. CHF. Was sind Ihre Zielgrössen für das gesamte Geschäftsjahr? Mit welchen Massnahmen wollen Sie diese erreichen? nbsp;
Wie letzten November angekündigt, ist das Geschäftsjahr 2009/10 für Ypsomed ein Aufbaujahr verbunden mit hohen Investitionen in den Produktionsaufbau für Pen-Systeme und Pen-Nadeln sowie Zusatzkosten für die Markteinführung des Blutzuckermessgerätes Pura? in Europa.
Der erwartete Umsatz für 2009/10 hängt deshalb sehr stark vom veränderten Produkte-Mix für Sanofi-Aventis und vom Markterfolg von Pura? ab. Auf Grund der aktuell tiefer als geplanten Produktionsvolumen für Sanofi-Aventis und dem erst langsam ansteigenden Teststreifenumsatz für Pura? sind wir vorsichtig und rechnen für das laufende Geschäftsjahr 2009/10 mit einem Umsatzrückgang von rund 6% gegenüber dem Vorjahr und einer leicht besseren EBIT-Marge gegenüber dem ersten Halbjahr.
In der gleichen Periode haben Sie Ihr Kapital erhöht und weisen eine Eigenkapitalquote von 82,2% auf, das Aktionärsdarlehen konnte von 140 Mio. CHF auf 54,5 Mio. reduziert werden. Normalerweise deuten solche Ereignisse auf Expansionen, bzw. Firmenkäufe hin. Wie stehen Sie dazu?
Ypsomed beabsichtigt, die Mittel aus der Kapitalerhöhung für das weitere interne und externe Wachstum einzusetzen, insbesondere für Vorinvestitionen in den Produktionsaufbau für neue Injektionssysteme sowie für den anstehenden Marktaufbau für das Blutzuckermesssystem Pura? von Bionime in Europa. Durch die Verrechnungsliberierung reduzierte sich das Aktionärsdarlehen von Herrn Willy Michel um CHF 85.5 Mio. auf CHF 54.5 Mio. Zudem erhöhte Herr Michel seinen Anteil auf über 73%.
Wir planen die Markteinführung neuer Diabetes-Produkte unter der neuen Dachmarke «mylife? Diabetescare» und expandieren bei den Pen-Nadeln geografisch durch die Zusammenarbeit mit neuen Distributoren. Weiter arbeiten wir mit neuen Pharma- und Biotechkunden an zahlreichen Projekten, um in den Jahren 2011 bis 2013 mehrere innovative Injektionssysteme auf den Markt zu bringen.
«Grundsätzlich bin ich für die Zukunft optimistisch, weil Ypsomed in den Wachstumsmärkten Selbstmedikation und Diabetes sehr gut positioniert ist und in Zukunft den Umsatz durch die Lancierung zahlreicher neuer Produkte erhöhen wird.»
In der Vergangenheit zeigten Sie sich zuversichtlich in Bezug auf das Umsatzwachstum im Geschäftsjahr 2010/11 und begründeten Ihren Optimismus mit neuen Eigen- und Fremdprodukten. Dabei gingen Sie davon aus, dass Ypsomed in relativ kurzer Zeit wieder ein zweistelliges Wachstum erreichen werden. Bleiben Sie bei Ihren Erwartungen?
Für das Geschäftsjahr 2010/11 werden wir die Prognosen erst im Frühling 2010 bekannt geben. Grundsätzlich bin ich aber für die Zukunft optimistisch, weil Ypsomed in den Wachstumsmärkten Selbstmedikation und Diabetes sehr gut positioniert ist und in Zukunft den Umsatz durch die Lancierung zahlreicher neuer Podukte erhöhen, wie zum Beispiel der einzigartigen mylife? Insulin Patch-Pumpe von Insulet in Europa, und dadurch auch die Profitabilität wieder nachhaltig steigern wird.
In unserem letzten Interview vom August 2008 fragte ich Sie nach der Strategie für die nächsten Jahre. Sie erwähnten dabei unter anderem den Willen ihre Position als wichtiger Anbieter von Diabetesbedarf weiter auszubauen. Weisen Sie bereits diesbezügliche Erfolge auf?
Ja, wir haben letzten Frühling im Business-to-Consumer (B2C) Geschäft das neue Blutzuckermesssystem Pura? in Europa lanciert und im Sommer 2009 führten wir die neue Dachmarke «mylife? Diabetescare» ein, welche sämtliche von Ypsomed hergestellten oder vertriebenen Diabetes-Produkte umfasst. Ypsomed wird in Zukunft unter mylife? neue, innovative Produkte und Services auf den Markt bringen, wie zum Beispiel Mitte 2010 die mylife? Clickfine® Autoprotect? Pen-Sicherheitsnadel für Praxen, Pflegeheime und Spitäler sowie ab Sommer 2010 in ausgewählten Ländern in Europa, die erste und einzige am Markt verfügbare Insulin Patch-Pumpe mylife? OmniPod®.
Wir halten klar an der definierten Strategie fest, das Diabetes Geschäft weiter zu verstärken und mit der neuen Dachmarke mylife? Synergien zu nutzen, indem Ypsomed-eigene Produkte und Produkte von Dritten einheitlich unter eine neue, globale Marke gestellt werden. Mit der herstellerunabhängigen Dachmarke mylife? ist Ypsomed zudem für Distributoren ein attraktiver Partner.
«Die Nachfrage nach Pen-Systemen, Pen-Nadeln und Diabetesprodukten wächst stetig weiter, nicht zuletzt begünstigt durch demographische Entwicklungen und eine weltweite Veränderung der Lebensweise?»
Inwiefern ist Ypsomed von den weltweit stattfindenden Ausgaben-Kürzungen im Gesundheitsbereich betroffen?
Ypsomed ist nicht direkt von Ausgabenkürzungen betroffen, weil Ypsomed den Trend zur Selbstmedikation mit innovativen Geräten und Systemen aktiv unterstützt und dabei zur Senkung von Kosten beiträgt. Zudem ist die adäquate Versorgung von Menschen mit Diabetes zwingend notwendig und wird kostenmässig von den Krankenkassen generell übernommen oder rückerstattet. Die Nachfrage nach Pen-Systemen, Pen-Nadeln und Diabetesprodukten wächst stetig weiter, nicht zuletzt begünstigt durch demographische Entwicklungen und eine weltweite Veränderung der Lebensweise und ist deshalb glücklicherweise weder von der Gesundheitsreform betroffen noch von der Konjunktur abhängig.
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Öffnen sich für Sie Türen Richtung Asien aufgrund der Verbesserung des Wohlstandes?
Ja, ganz klar. Der Diabetes-Markt wächst vor allem in den asiatischen Ländern in den kommenden Jahren sehr stark. Gemäss WHO-Statistik wird in China die Anzahl Menschen mit Diabetes von aktuell rund 40 Millionen auf 60 Millionen im Jahr 2025 um 50% zunehmen. In rund 15-20 Jahren werden in Indien soviel Menschen mit Diabetes leben, wie Deutschlands aktuelle Bevölkerung. Wir werden mit Ypsomed deshalb auch in Asien expandieren, z.B. durch eine eigene Tochtergesellschaft in Indien und durch Partnerschaften, u.a. mit Distributoren von Bionime. Mit dem Auf- und Ausbau des Pen-Nadel-Geschäfts im asiatischen Raum wollen wir mittel- bis langfristig vom attraktiven Wachstumsmarkt profitieren und uns bei lokalen Insulinanbietern sowie bei Pharma- und Biotech-Unternehmen als führender, unabhängiger Partner von Pen-Systemen etablieren.
Es fällt auf, dass Sie keine eigenen Niederlassungen in Russland, China und Australien haben?
In China arbeiten wir seit über vier Jahren mit dem grössten chinesischen Insulinhersteller Dongbao zusammen, der den Ypsopen® unter dem Namen Dongbao Pen für seine eigenen Insuline sowie mit unseren Pen-Nadeln vermarktet. Erst kürzlich haben wir bekannt gegeben, dass ab dem 3. Quartal 2010 der wiederverwendbare Insulinpen Ypsopen® in Russland unter dem Namen «Biomatik® Pen» durch die führende Pharmafirma und grösste Insulinherstellerin in Russland, Pharmstandard verkauft wird. Ypsomed arbeitet aktuell in über 20 Ländern mit Distributoren zusammen. Die geographische Expansion wollen wir mit rund 8 neuen Distributionsvereinbarungen vorantreiben. Dennoch prüfen wir die Eröffnung von eigenen Tochtergesellschaften regelmässig. So haben wir uns entschieden, im April 2010 in England eine neue Tochtergesellschaft zu eröffnen.
Wie unterscheiden sich Ihre Produkte im Vergleich zu denen Ihrer Konkurrenten?
Im B2B Geschäft mit Injektionssystemen und Autoinjektoren ist Ypsomed der Technologieführer und weltweit der grösste, unabhängige Entwickler und Hersteller mit über 315 Patentfamilien und mehr als 25 Jahren Erfahrung. Unsere Kunden, weltweit führende Pharma- und Biotechkunden, steht eine Vielzahl an Technologieplattformen zur Auswahl, je nach den Bedürfnissen der Patienten. Sie schätzen die hohe Qualität und die Sicherheit unserer Produkte.
? und wie unterscheidet sich Ypsomed im Diabetesgeschäft von der Konkurrenz?
Ypsomed ist in Deutschland, dem grössten Diabetesmarkt in Europa, die Nummer 1 im Diabetes-Direkthandel und verfügt in Europa über einen auf Diabetes spezialisierten Aussendienst, u.a. in Frankreich, der Schweiz sowie den Benelux und Nordic Staaten. Der unabhängige Vertrieb kombiniert mit Ypsomed?s Diabetes-Fachkompetenz und der neu lancierten mylife? Diabetes Dachmarke machen uns attraktiv für andere Partner, wie das Beispiel der Zusammenarbeit mit Bionime oder Insulet zeigen.
«Ypsomed arbeitet aktuell in über 20 Ländern mit Distributoren zusammen. Die geographische Expansion wollen wir mit rund 8 neuen Distributionsvereinbarungen vorantreiben.»
Welche Zukunftsentwicklungen sehen Sie in Ihrem Tätigkeitsfeld der Insulin-Pumpen?
Führende Diabetes-Experten sind ganz klar der Meinung, dass die Zukunft den modernen Patch-Pumpen gehört. Die mylife? OmniPod® Insulin-Patch-Pumpe bietet Menschen, die auf die Versorgung mit Insulin angewiesen sind, alle Vorteile der Insulinpumpentherapie mit einem bisher nicht erreichten Grad an Freiheit, Komfort und Einfachheit in der Handhabung zur Behandlung von Diabetes. Im Gegensatz zu konventionellen Insulinpumpen wird das mylife? OmniPod® System direkt und praktisch schmerzfrei auf der Haut appliziert und benötigt kein Infusionsset. Die Insulin Patch-Pumpe besteht aus zwei drahtlos verbundenen Komponenten: 1. dem Pod, einem kompakten, leichten, selbstklebenden Insulinspender, welcher direkt auf der Haut und diskret unter der Kleidung getragen wird, und 2. dem Personal Diabetes Manager, einem drahtlosen, menügeführten, portablen Gerät zur Steuerung des Pods.
Im Januar hat die Ypsomed Holding AG hat eine Vereinbarung mit der amerikanischen Insulet Corp. für den exklusiven Vertrieb des OmniPod Insulin Management Systems abgeschlossen. Sie begründen den Schritt dahingehend, dass das OmniPod System die erste am Markt verfügbare Insulin-Patch-Pumpe sei. Von welchem Umsatz- und Gewinnpotential dank der Zusammenarbeit mit Insulet Corp. und von welchen Synergien für Ypsomed gehen Sie aus?
Wir kommunizieren keine konkreten Umsatz- und Gewinnziele, aber wir haben ambitiöse Pläne und streben in 5 Jahren einen Marktanteil von über 10% an.
?oder wäre gar ein Merger zwischen Ypsomed und Insulet sinnvoll?
Das ist für uns derzeit kein Thema.
Die Ypsomed Aktie hat seit dem Crash 2008/09 im Vergleich zum Gesamtmarkt underperformt. Es fällt anderseits auf, dass im vergangenen Dezember die Verwaltungsräte von Roche hohe Aktienverkäufe vorgenommen haben. Ganz anders die Ypsomed Insider. Diese sind mit regelmässigen Käufen aufgefallen. Sehen Sie Ihre Aktien als unterbewertet an?
Wir kommentieren den Aktienkurs grundsätzlich nicht, aber es ist doch sicher ein gutes Zeichen, wenn Aktien gekauft werden. Ypsomed verfügt mit Dr. h.c. Willy Michel über einen starken Hauptaktionär mit einer langfristigen und unternehmerischen Ausrichtung. Das gibt uns viel Stabilität und Sicherheit, um unsere Strategie umzusetzen.
Der Interviewpartner
Herr Richard Fritschi ist CEO der Ypsomed seit September 2006 und VR Mitglied bei Vetropack. Vorher während mehrerer Jahre im Medizintechnikbereich tätig, so als Präsident Europa/Australasien Zimmer GmbH, Winterthur, Präsident Europa/Asien/Südamerika bei Sulzer Orthopädie/Sulzermedica, Verkaufsleiter Sulzer Orthopädie/ Sulzermedica. Zu Beginn seiner Berufstätigkeit arbeitete er im Finanzbereich (zuletzt als Finanzleiter Allo Pro/Sulzer Orthopädie und während längerer Zeit in England und Frankreich. Ausbildung: Dipl. Kaufmann/Controller SIB sowie Advanced Management Program an der Harvard Business School in Boston.
Das Unternehmen
Ypsomed ist die führende unabhängige Medizintechnik-Firma für Injektions-Pens für Pharma- und Biotechunternehmen sowie die weltweit drittgrösste Anbieterin im Bereich Pen-Nadeln und die Nummer 1 in Deutschland im Diabetes Direkthandel. Ypsomed verfügt heute in den Bereichen Selbstmedikation, Pen-Systeme und Autoinjektoren-Technologie über 315 Patentfamilien mit erteilten Patenten und Patentanmeldungen in zahlreichen Ländern. Die Ypsomed Gruppe hat ihren Hauptsitz in Burgdorf/Schweiz und beschäftigt rund 1200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an mehreren Produktionsstandorten in der Schweiz sowie in einem europäischen Verkaufs- und Vertriebsnetz.