Sechseinhalb Jahre Zuchthaus für Anlagebetrügerin

Ihr Ehemann muss drei Jahre ins Gefängnis. Die beiden prellten über tausend Kleinsparer um 70 Mio. Franken. Die Verteidigung kündigte umgehend Berufung an. Das Gericht blieb deutlich unter den Anträgen der Staatsanwaltschaft, die acht, respektive vier Jahre Zuchthaus für die beiden Hauptangeklagten gefordert hatte.

Betrug, Veruntreuung, Urkundenfälschung, Geldwäscherei…
Das Gericht sprach die Treuhänderin aus Rorschach des mehrfachen gewerbsmässigen Betrugs, des mehrfachen Betrugsversuchs sowie der mehrfachen qualifizierten Veruntreuung, der Urkundenfälschung und der gewerbsmässigen Geldwäscherei schuldig. Ihr Ehemann war ihr bei den betrügerischen Machenschaften behilflich.
Das Ehepaar wurde zudem zu einer Ersatzforderung von 5 Mio. Franken und Bussen von 40’000, respektive 30’000 Franken verpflichtet. Zudem sind zwei Luxus-Eigentumswohnungen beschlagnahmt worden. Am Betrug waren auch zwei ehemalige Angestellte des Rorschacher Treuhandbüros beteiligt. Sie erhielten bedingte Gefängnisstrafen von zwölf, respektive drei Monaten.

Anlagemodelle im Schneeballsystem
Das Ehepaar hatte zwischen 1991 und 2003 mehrere Anlagemodelle mit hohen Renditen aufgelegt, die nach dem Schneeballsystem funktionierten. Über eine spezielle Vermittlerorganisation wurden vor allem in Süddeutschland Anleger geworben. Drei der rund 100 ehemaligen Vermittler hatten zu Prozessbeginn im vergangenen Dezember erklärt, die Geldbeträge seien nirgends angelegt, sondern verspekuliert worden.

Millionenbeträge verspekuliert
Dass der 70-Mio.-Betrug möglich wurde, basiere auf der Profitgier der Beteiligten sowie deren blindem Vertrauen in die Treuhänderin. Damit die vorgetäuschten Anlagemöglichkeiten und das Schneeballsystem dahinter nicht zusammenbrächen, seien eingegangene Geldbeträge als versprochene Renditen und Kapitalrückzahlungen an Anleger ausbezahlt worden. Die Hauptschuldige soll auch selbst Millionenbeträge verspekuliert haben.

Attentat und Bombenanschlag
1997 zerstörte ein Bombenanschlag den Porzellanladen der Treuhänderin. Nur Wochen später ist auf ihren damaligen deutschen Anwalt in Konstanz ein Revolver-Attentat verübt worden, das dieser nur knapp überlebte. Die Täterschaft beider Anschläge ist bis heute unbekannt. In Polizeikreisen wurde vermutet, dass es sich bei der Täterschaft um geprellte Anleger handeln könnte.

Rechtshilfegesuch aus Deutschland als Auslöser
In der St. Galler Justizgeschichte war der 70-Mio.-Anlagebetrug bisher der grösste Fall von Wirtschaftskriminalität. Die Strafuntersuchung dauerte zehn Jahre und ist in den frühen 90er Jahren durch ein Rechtshilfegesuch aus Deutschland ausgelöst worden. Der Verteidiger des Ehepaars kritisierte den Schuldspruch, weil er auf unvollständigen Akten beruhe. Praktisch alle Akten, die seine Mandanten entlastet hätten, seien in Deutschland verschwunden. Der Verteidiger hatte auf Freispruch seiner Mandantin plädiert; sie sei Opfer einer Verschwörung. Schliesslich sei sie von Ann Underberg, der 1994 verstorbenen Schwester des deutschen Magenbitter-Milliardärs Emil Underberg dazu veranlasst worden, in das Anlagegeschäft einzusteigen.

(Liechtensteiner Vaterland/mc/hfu)

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