Siemens-Schmiergeldaffäre – Medizin-Vorstand Reinhardt tritt zurück

Reinhardt ziehe die Konsequenzen aus neuen Informationen bei der Aufarbeitung der Schmiergeldaffäre, sei aber nach heutigen Erkenntnissen nicht persönlich an den Vorfällen beteiligt gewesen, betonte Siemens. «Es gibt keinerlei Zweifel an der persönlichen Integrität Professor Reinhardts. Wir mussten aber feststellen, dass es in dem ehemaligen Bereich Medizintechnik Fehlverhalten gegeben hat, das nicht akzeptabel ist», sagte Aufsichtsratschef Gerhard Cromme laut Mitteilung.


«Verständnis von Führungskultur»
Reinhardt bezeichnete den Rücktritt in der Mitteilung als «persönliche Entscheidung», die seinem «Verständnis von Führungskultur und unternehmerischer Gesamtverantwortung» entspreche. Angesichts der Verfehlungen in der früheren Medizintechnik-Sparte von Siemens, «die mich betrüben und die ich zutiefst missbillige und bedauere», sei der Schritt aber notwendig erschienen.


Diagnostics-Chef soll Reinhardt ersetzen
Nachfolger von Reinhardt soll der 49-jährige Jim Reid-Anderson werden, bisher Chef der Sparte Diagnostics und ehemaliger Chef des im vergangenen Jahr übernommenen US-Unternehmens Dade Behring. Vorstandschef Peter Löscher sprach von einem «klaren Schritt» und zollte Reinhardt Respekt. Reinhardt bleibe dem Unternehmen weiter beratend verbunden, hiess es.


Fragwürdige Zahlungen in Höhe von 70 Mio. Euro
Laut einem Bericht der «Süddeutschen Zeitung» hatte die mit der Aufklärung der Affäre beauftrage US-Kanzlei Debevoise & Plimpton in den vergangenen Wochen in der Medizinsparte Hinweise auf fragwürdige Zahlungen über Konten in Dubai in Höhe von 70 Millionen Euro in den Jahren 2001 bis 2006 entdeckt. Die Münchner Staatsanwaltschaft sei von der Kanzlei bereits über diesen Sachverhalt informiert worden. Ein Sprecher von Siemens wollte diese Angaben ebenso wie die Staatsanwaltschaft auf Anfrage nicht kommentieren. Siemens selbst hatte zuletzt Ende Januar auf der Hauptversammlung für den Bereich Medizintechnik über fragwürdige Zahlungen in Höhe von rund 44 Millionen Euro gesprochen.


Aufsichtsrat erwägt Schadenersatzklagen
Im Siemens-Korruptionsskandal geht es um rund 1,3 Milliarden Euro an dubiosen Zahlungen, die vermutlich grösstenteils als Schmiergeld im Ausland eingesetzt wurden. Zuletzt hatte sich im Zusammenhang mit der Affäre auch der Druck auf den früheren Vorstands- und Aufsichtsratschef Heinrich von Pierer wieder verstärkt. Pierer war im Frühjahr 2007 von seinem Amt als Aufsichtsratschef zurückgetreten. Mittlerweile erwägt der Aufsichtsrat von Siemens auch Schadenersatzklagen gegen bis zu zehn ehemalige Vorstände. (awp/mc/pg)

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