Swiss fliegt tiefer und tiefer


Kommunikationspannen, Missmut bei Investoren und Gewerkschaften, immer weniger Ziele, Hunger in der Holzklasse: Es kriselt wieder mal bei Swiss. Gründe, warum es mit der Fluggesellschaft bald wieder aufwärts gehen sollte, sind nur wenige in Sicht.

Von Martin Skalsky


Quo vadis Swiss? CEO André Dosé versucht das trudelnde Luftschiff zu lenken. (pd)
Am Dienstag Morgen hat die Schweizer Fluggesellschaft Swiss ihre Zahlen zum dritten Quartal des laufenden Geschäftsjahres offiziell gemacht. In einer Medienmitteilung steht auf sechs Seiten, was alle schon wissen: Die Swiss hat in den ersten neun Monaten 2003 viel Geld verloren. Das lässt sich in einem Satz, oder eben auf sechs Seiten sagen. Enttäuschend bei der langen Swiss-Version ist lediglich, dass der Leser trotz des vielen Textes nicht die kleinste Neuigkeit erfährt. Dafür aber eher hilflose Erklärungsversuche.


Kaschierte Realität
«Swiss halbiert Verlust im dritten Quartal», steht im Titel des Dokuments. Zwar sei das Betriebsergebnis vor Restrukturierungskosten immer noch negativ mit minus 62 Millionen Franken. Dennoch zeige sich gegenüber dem ersten und zweiten Quartal des Jahres mit einem Verlust von 199 Millionen beziehungsweise 147 Millionen Franken eine deutliche Wende zum Guten. So weit so gut, wäre da nicht das klare Verdikt des Konzernverlusts von 613 Millionen Franken in den ersten sechs Monaten.


Der Gesamtverlust von 267 Millionen Franken im dritten Quartal resultiert aus den genannten 62 Millionen Betriebsverlust und 205 Millionen Franken Restrukturierungskosten für die ersten neun Monate. Diese seien einmalig und würden nun in der Drittquartalsrechnung verbucht, sagte Swiss-Chef André Dosé in einem Interview mit der TV-Sendung «10 vor 10» vom Montag. Verbucht ja, aber noch nicht ausbezahlt. Der Geldabfluss auf Seiten der liquiden Mittel wird sich erst im vierten Quartal bemerkbar machen.Erwartungen nicht erfüllt
Das Ergebnis liegt unter den Erwartungen. Patrik Schwendimann, Analyst der ZKB, führt das auf die etwas enttäuschende Umsatzentwicklung zurück. Der Umsatz sank im dritten Quartal um 24,3 Prozent auf 1,044 Milliarden Franken. Vom Betriebsergebnis über den Reingewinn bis zum Umsatz: Bei der Swiss sind im dritten Quartal alle Zahlen im Minus. Bei den ständig abfliessenden liquiden Mitteln wird die Swiss spätestens im Frühling 2004 einen neuen Millionenkredit gesichert haben müssen. Verhandlungen mit der UBS und der CS, sowie mit internationalen Banken würden laufen, sagt Dosé. Gesprochen wird von 500 Millionen Franken. Das könnte schwierig werden. Schwendimann geht davon aus, dass ein Kredit in dieser Grösse gegenwärtig nur mit Unterstützung des Bundes möglich ist.Billigstrategie funktioniert nicht
Auf der Suche nach etwas Positivem fällt auf den ersten Blick die Sitzauslastung ins Auge. Diese ist um 0,3 Prozent höher. Gleichzeitig resultiert beim Netto-Durchschnittsertrag pro Passagierkilometer aber ein um 10,7 Prozent tieferes Resultat. Das wundert bei der neuen Billigstrategie in Europa nicht. Wenn ein Backpacker in der Edelfiliale der Swiss am Paradeplatz seinen Flug für 167 Franken nach Prag bei einer hochqualifizierten, mit Schmuck übersäten Flugberaterin kauft, bekommt er für wenig Geld eine überzahlte Leistung.Unzufriedenes Personal
Das Personal des Flugkonzerns ist laut Gewerkschaftern nicht nur aufgrund der jüngsten Geschäftszahlen stark verunsichert. Das Billigkonzept in Europa habe die Erwartungen nicht erfüllt, sagt Arbeitnehmervertreter Philipp Hadorn in einem Interview. Wer seit der Einführung Ende August mit Swiss geflogen ist, weiss: Das Billigkonzept stresst die Mitarbeiter zusätzlich. Und das Vertrauen in die Führung ist längst weg. Daniel Vischer von der Gewerkschaft VPOD sieht schwarz für das baldige Zustandekommen des neuen Betriebskredits: «Wenn Konzernchef Dosé sagt, die Kredite stünden vor dem Abschluss, so stimmt das offensichtlich nicht, ausser es passiert noch ein Wunder».Informationsleck hausgemacht
Der Schweizer Nationalvogel kriegt in diesen Tagen die Flügel wieder ordentlich gestutzt. Und die Swiss schiesst sich immer wieder selber ab. Die verfrühte Präsentation der Geschäftszahlen in der sonntäglichen Presse ist ein hausgemachtes Problem. Irgendwo klafft ein Informationsleck. Vielleicht gewollt, munkeln böse Zungen. Sie spekulieren, die Swiss habe in der Sonntagspresse von den Zahlen ab- und zu Nebensächlichem hinlenken wollen. Das kann zwar durchaus als Überlegung eine Rolle gespielt haben, ist im Grunde aber eine Verlegenheitserklärung. Denn etwas, das früher als geplant kommuniziert wird, zieht erst Recht die Aufmerksamkeit auf sich. Und das sind hier nichts anderes als Zahlen, welche – nüchtern betrachtet – mittelmässig sind und leicht unter den Erwartungen liegen.SWX prüft Konsequenzen
Dennoch, der Informations-Fauxpas dürfte für die Swiss ein Nachspiel haben. Die Schweizer Börse SWX prüft einen möglichen Verstoss gegen die Ad-hoc-Publizität intern. Konsequenzen eines solchen Verstosses könne ein Verweis, eine Busse, oder die Dekotierung des Titels sein, sagt Jürg von Arx, Pressesprecher der SWX. Positiv und kursstützend ist dies sicher nicht. Die internen Konfliktherde drohen die Swiss neben rein wirtschaftlichen Faktoren auszubrennen. Patrik Schwendimann von der ZKB sieht darin eines der Hauptprobleme: «Nach der Zwangsgeburt von Swissair und Crossair zur neuen Swiss ziehen die Parteien teilweise leider noch heute nicht am gleichen Strick.» Das könnte auch der Grund sein, warum die Swiss im internationalen Vergleich einigen Branchenkollegen deutlich hinterher hinkt. Andere haben das im Fluggeschäft traditionell gute dritte Quartal besser genutzt. British Airways und KLM liegen mit einer Reingewinnmarge von 4,9 Prozent, beziehungsweise 5,6 Prozent im positiven Bereich. Die Lufthansa liegt mit 0,4 Prozent leicht im Minus. Die Swiss zum Vergleich weist eine Marge von minus 6,8 Prozent auf. Viel Holz.Martin Skalsky (Swisscontent)


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