Swissaid warnt vor Agrotreibstoff-Boom – «Agrotreibstoffe verschärfen Hunger»

«Die Konsequenzen des Agrotreibstoff-Booms sind mehrheitlich negativ», erklärte Swissaid-Geschäftsleiterin Caroline Morel vor den Medien in Bern. Die Entwicklungsorganisation führt am Donnerstag ein internationales Symposium zu dem Thema durch. Agrotreibstoffe aus Rohstoffen wie Zucker, Mais, Soja, Palmöl oder Weizen werden heute als umweltfreundliche Antwort auf die Folgen des Klimawandels propagiert. Industrieländer versprechen sich damit Unabhängigkeit vom Erdöl.


Treibstoff auf Kosten des traditionellen Nahrungsmittelanbaus
Immer mehr Kulturland werde daher für den Anbau von Pflanzen zur Gewinnung von Treibstoff – etwa Agrodiesel, Agroethanol – verwendet. Dies gehe vielfach auf Kosten des traditionellen Nahrungsmittelanbaus und der Umwelt.


200 kg Mais für eine 95-kg-Tankfüllung
Auch die «nachhaltige» Produktion der Agrotreibstoffe ändere nichts an dem negativen Trend. «Für eine 95-Liter-Tankfüllung eines Autos mit reinem Ethanol sind etwa 200 Kilo Mais nötig – genug, um eine Person ein Jahr lang zu ernähren» erklärte Morel gemäss Redetext.


100 Mio. Menschen zusätzlich in den Hunger getrieben
Der Boom der Agrotreibstoffe sei einer der Hauptgründe für die Preisexplosion bei den Nahrungsmitteln. Diese Preisexplosion hat nach Angaben der Weltbank 100 Millionen Menschen zusätzlich in die Armut getrieben. Im westafrikanischen Land Mali wird beispielsweise grossflächig die Nuss Jatropha angebaut, um aus ihrem Öl Treibstoff zu gewinnen. Dies führte nach den Worten des malischen Entwicklungsökonomen Mamadou Goita zum Rückgang bei der Produktion einheimischer Getreidearten und damit zur Bedrohung der Ernährungssicherheit.


Ähnliche Prozesse beobachtet Swissaid-Mitarbeiter Mauricio Garcia in Kolumbien, wo mittlerweile knapp ein Fünftel der Kulturfläche für den Agrotreibstoffanbau verwendet werden. Der forcierte Ölpalmenanbau in Grossplantagen habe zur gewaltsamen Vertreibung von Bauern geführt und wirke sich negativ auf die Umwelt aus. Agrotreibstoffe können laut dem indonesischen Generalsekretär der weltweiten Kleinbauernbewegung «La Via Campesina», Henry Saragih, die Krise der Landwirtschaft und den Klimawandel nicht stoppen. Dies sei nur möglich mit nachhaltiger Produktion für regionale Märkte.


Politische Trendwende gefordert
Swissaid fordert daher eine politische Trendwende. Sie lehnt Importe von industriell produzierten Agrotreibstoffen aus Entwicklungs- und Schwellenländern ebenso ab wie die Subventionierung von solchen Importen, etwa in Form der geplanten Steuerbefreiung im Schweizer Mineralölgesetz. Auf internationaler Ebene müsse sich die Schweiz für ein Moratorium für die industrielle Produktion von Agrotreibstoffen einsetzen. Sie solle «wirklich nachhaltige Ansätze zur Bekämpfung der Klimaerwärmung und der Nahrungsmittelkrise» entwickeln. (awp/mc/pg)

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