Tessiner B-Source erleidet Schiffbruch mit neuer Bankenlösung

Der Tessiner Banken-Outsourcer B-Source erleidet mit dem Vorhaben, eine eigene, neue Kernbankenlösung («Terraferma» – deutsch: Festland) zu entwickeln, Schiffbruch, wie inside-it.ch aus gut informierten Kreisen weiss. Kunden für «Terraferma» wären die beiden Besitzerinnen von B-Source, die Banca del Gottardo und die Banca della Svizzera Italiana (BSI), gewesen. Doch die Banca del Gottardo hat sich im Oktober 2006 entschieden, nicht wie ursprünglich geplant, auf die neue IT-Plattform von B-Source zu migrieren. Ebenfalls letzten Oktober entschied sich die Coutts Bank von Ernst vom System von Boss Lab, wie B-Source bis 2005 hiess, auf Avaloq zu migrieren. B-Source verlor auch andere Kunden, wie zum Beispiel die Zürcher Privatbank Dominick Company und die Berner Privatbank Von Graffenried.


Banca del Gottardo setzt auf Avaloq
Nach Bank von Ernst setzt nun nach Informationen von inside-IT auch die Banca del Gottardo auf die Zürcher Kernbankenlösung Avaloq. Die Kosten für die abgebrochene Übung sind beträchtlich: Die Bank wies am 2. März in einer Medienmitteilung zum Geschäftsjahr 2006 «Kosten, Rückstellungen und Wertberichtigungen für strategische Projekte» in der Höhe von 44 Millionen Franken aus. Zudem belasteten drei Millionen Franken für «übrige ausserordentliche Faktoren» den Gewinn. Wie die Bank schrieb, enthalten die ausserordentlichen Wertberichtigungen hauptsächlich Aufwendungen für die strategische Neuausrichtung der Bank und die Anpassung der IT-Strategie. Das Outsourcing von Abwicklungs- und Infrastrukturdiensten an B-Source bleibe bestehen, schrieb die Bank, die seit dem 1. Juli 2005 37 Prozent der Aktien von B-Source hält. Den Rest hält BSI.


Banca del Gottardo bestätigt Rückzug grundsätzlich
Christian Moser, Sprecher der Banca del Gottardo, bestätigt den Ausstieg aus dem Projekt «Terraferma» grundsätzlich, hält sich ansonsten aber bedeckt. Moser sagt, der Entscheid habe «Kosten und Rückstellungen verursacht, da verschiedene IT-Projekte neu ausgerichtet werden mussten.» Konkrete Zahlen nennt er nicht: «Wir möchten im Moment keine detaillierten Zahlen nennen.»
 
Grosses Schweigen im Tessin
Die Meldung der Banca del Gottardo im März stiess auf erstaunlich wenig Echo – nämlich gar keines. Doch sie bedeutet für eines der grössten Schweizer Softwareunternehmen, nämlich B-Source, eine strategische Kehrtwende. Insider, die mit der Sache vertraut sind, berichten, dass die Entwicklung von «Terraferma» ganz gestoppt worden sei. Noch vor einem Jahr sprachen die B-Source-Chefs davon, ihre Bankenlösung neu zu bauen und ab Sommer 2006 in fünf Phasen bis 2008 auszuliefern. B-Source-Sprecherin Chiara Ciceri wollte auch auf hartnäckiges Nachfragen hin keine Stellung beziehen – kündigte aber für Freitag eine Pressemitteilung an. Ebenfalls erst am Freitag sollen die Mitarbeitenden von B-Source «informiert» werden. Worüber genau – auch das wollte die Sprecherin nicht sagen.
 
Grosses Geldverbrennen
Insider gehen davon aus, dass B-Source mit der nun gestoppten Entwicklung einer neuen Kernbankenlösung einen zweistelligen Millionenbetrag verbrannt hat. Noch im März 2006 hiess es, am Re-Engineering-Projekt von B-Source würden neben dem internen Projektteam auch 90 Mitarbeitende des indischen Softwareherstellers Infosys arbeiten.
 
Was genau schief gelaufen ist, ist (noch) nicht bekannt. Ebenfalls ist nicht bekannt, ob es im Zusammenhang mit dem Projektstopp zu Stellenabbau oder Entlassungen kommen wird oder bereits gekommen ist. In der Branche spricht man von einem bevorstehenden Köpferollen beim Tessiner Dienstleister. 
 
Zusammenarbeit mit Avaloq?
Wie Henk van Gammeren, Head of Strategy & Market bei B-Source, bereits im März 2006 gegenüber inside-it.ch sagte, habe B-Source anfänglich auch in Erwägung gezogen, statt eine Gesamtlösung weiterzuentwickeln, eine Lösung oder Teile davon einzukaufen. Dazu ist es damals nicht gekommen, sondern man hat sich für das Re-Engineering zusammen mit Infosys und anderen Partnern entschieden. Doch nun, da das Projekt gescheitert ist, könnte B-Source gezwungen sein, einen Partner zu finden. Ein Entscheid für Avaloq liegt nahe, da ja bereits die Banca del Gottardo sich angeblich für die Zürcher entschieden hat. B-Source schweigt auch dazu, tönt aber an, dass die am Freitag erscheinende Pressemitteilung auch mit Avaloq besprochen werden soll. Gottardo-Sprecher Moser sagt: «Bezüglich neuer IT-Plattform arbeiten wir eng mit B-Source zusammen.»
 
Ob Teile von «Terraferma» sozusagen aus ihrem Inseldasein gerettet werden und in die Avaloq-Umgebung implementiert werden, ist nicht bekannt. B-Source schweigt – vorerst – zu allem. (inside-it/mc)

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