Thomas Richterich, Vorstandsvorsitzender Nordex AG: «China verspricht aus unserer Sicht das grösste Wachstumspotenzial weltweit»
von Patrick Gunti
Herr Richterich, Nordex hat 2006 seinen Umsatz um 66 % auf 514 Mio. Euro gesteigert und strebt bereits für 2008 eine Verdopplung dieser Zahl an. Profitiert Nordex mehr vom Preisanstieg fossiler Energieträger oder spürt das Unternehmen mehr den Rückenwind der Klimadebatte?
Beide Faktoren hatten einen positiven Einfluss auf die gestiegene Nachfrage für regenerative Kraftwerke. Zum einen setzen immer mehr Staaten verbindliche Ziele für den Anteil von «grünem» Strom im Netz. Hier ist die öffentliche Debatte um den Klimawandel ein wesentlicher Beweggrund für die Politik. Zum anderen profitieren wir natürlich davon, dass die Stromgestehungskosten aus Windenergie gegenüber konventionellen Energieträgern immer wettbewerbsfähiger werden. Wichtig ist mir dabei, dass diese Entwicklung nicht nur auf die gestiegenen Treibstoffkosten, sondern auch auf die verbesserte Effizienz unserer Turbinen zurückgeht.
Von welchen Wachstumsraten gehen Sie für den Markt für Windturbinen in den nächsten Jahren aus und wird Nordex weiterhin schneller als der Markt wachsen?
Wir gehen davon aus, dass unser Markt bis 2011 jährlich im Durchschnitt um rund 17% wachsen wird. Dabei gibt es einzelne Regionen und Produktsegmente die deutlich stärker expandieren können. So erwarten wir in Asien ein mittleres Wachstum von etwa 30%. Auch die Nachfrage für die so genannte «Mainstream» Klasse – Turbinen mit einer Kapazität von 2,0 bis 3,0 Megawatt – wird voraussichtlich deutlich höher ausfallen. Genau in diesem Segment ist Nordex als «First-Mover» besonders gut aufgestellt. Deshalb bin ich zuversichtlich das Nordex auch mittelfristig schneller wächst als der Wettbewerb. Wir planen unseren Umsatz alle zwei Jahre zu verdoppeln.
Nach einem Minus im Vorjahr verblieb 2006 ein Betriebsergebnis von 16,6 Mio. Euro. Von welchen Gewinnzahlen und Profitabilitätsmargen gehen Sie in den kommenden Jahren aus?
Im laufenden Jahr wollen wir unser Betriebsergebnis verdreifachen. Bei einem geplanten Umsatzwachstum von rund 50% entspricht das einer EBIT-Marge von 6%. Mittelfristig halten wir eine Marge von etwa 10% für erreichbar. Wesentliche Treiber sind dabei eine bessere Preisqualität und die erhöhte Auslastung unserer Kapazitäten. Das ist aber auch der Grund, weshalb dieses Ergebnisziel noch nicht Morgen erreicht werden kann. Zunächst müssen wir noch einige ältere Projekte mit niedrigeren Deckungsbeiträgen abwickeln.
«Wir gehen davon aus, dass unser Markt bis 2011 jährlich im Durchschnitt um rund 17% wachsen wird. Dabei gibt es einzelne Regionen und Produktsegmente die deutlich stärker expandieren können.» (Thomas Richterich, Vorstandsvorsitzender Nordex AG)
Die glänzenden Resultate hat Nordex vor allem im Ausland erreicht, wo 75 % des Umsatzes erzielt wurden. Welches waren die Hauptabsatzmärkte?
Frankreich war im Jahr 2006 unser Hauptabsatzmarkt. Etwa jede zweite Turbine hat unser Tochtergesellschaft Nordex France ans Netz gebracht. Mit einem Marktanteil von gut 30% sind wir hier der führende Anbieter. Weitere Grossprojekte haben wir vor allem in Grossbritannien und Italien realisiert. Diese beiden Märkte zeichnen sich aktuell durch ein gutes Preisniveau aus. Dies ist in erster Linie durch den hohen Absatzpreis für «grünen» Strom begründet. Im laufenden Jahr werden wir einen deutlich höheren Umsatzanteil aus diesem, beiden Märkten sehen. So haben wir 2006 allein aus Grossbritannien Aufträge im Volumen von rund 225 Mio. Euro erhalten.
In den letzten Monaten hat Nordex in Dongying und in der Provinz Ningxia zwei Produktionsstätten in China eröffnet. Welche Bedeutung wird der chinesische und asiatische Markt in den kommenden Jahren erreichen?
China verspricht aus unserer Sicht das grösste Wachstumspotenzial weltweit. Schon in den letzten drei Jahren ist die Nachfrage dort um durchschnittlich 66% gestiegen. In 2006 war China der fünftgrösste Markt. Um hier zu punkten, müssen Hersteller jedoch lokal fertigen. Das verlangt die Politik und ist andererseits auch ein betriebswirtschaftliches Erfordernis. D.h. wir müssen unsere Kostenstruktur an das niedrigere Preisniveau anpassen. Genau das haben wir mit den neuen Werken getan.
Die USA hätten die besten Voraussetzungen, trotzdem werden erst 0,6 % des Energiebedarfs mit Windenergie abgedeckt. Welche Pläne verfolgen Sie in den USA?
Weltweit decken regenerative Kraftwerke derzeit nur etwa 0,8% der Stromnachfrage. Das zeigt aus meiner Sicht nur wie gross unser Ausbaupotenzial ist, wenn man bedenkt, dass der Anteil in Dänemark oder Norddeutschland schon bei über 20% liegt. Wir haben uns vor 4 Jahren aus den USA zurückgezogen, da es ein sehr instabiler Markt war. Heute sieht die Sache anders aus. Bislang hatten wir jedoch keine Kapazitäten für Nordamerika frei. Mit anderen Worte, jede Anlage, die wir produzieren können, hat bereits einen Abnehmer in Europa oder in Asien. Mittelfristig wollen wir aber auch in den USA wieder Projekte anbieten. Eine erste Grossanlage haben wir im Mai nach Minnesota geliefert. Nach dem «Härtetest» soll ein grösseres Projekt folgen. Abhängig von der Marktentwicklung prüfen wir den Aufbau von Fertigungsstrukturen in den Vereinigten Staaten ab dem Jahr 2009.
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Wie ist die Situation auf dem Heimmarkt Deutschland?
Deutschland wird auch die nächsten Jahre ein wichtiger Markt für uns bleiben. Weniger als Volumenmarkt, als vielmehr zur Erprobung neuer Technologie. Der Bedarf in Deutschland ist zwar noch nicht gesättigt, aber neue Segmente wie Repowering oder Offshore sind derzeit noch nicht Marktreif. Zudem liegt das Preisniveau in Deutschland inzwischen am unteren Ende in Westeuropa. Viele deutsche Projekte geben den Preis zu dem wir nach Schottland oder Italien liefern können momentan nicht her.
Das angestrebte Wachstum lässt sich nicht ohne bedeutende Investitionen bewerkstelligen. Wo legen Sie in den kommenden Jahren die Schwerpunkte der Investitionstätigkeit?
Ein Schwerpunkt wir der Ausbau unserer Fertigung in Deutschland sein. Unsere Rostocker Fertigungszentrale für Europa wollen wir bis 2010 von 850 MW auf rund 2000 MW ausbauen. Derzeit ist ein Investitionsbedarf von 86 Mio. Euro hierfür geplant. Da wir auch in Asien und Amerika wachsen wollen, stehen auch in diesen Regionen Werkserweiterungen bzw. der Aufbau von Strukturen an.
«Deutschland wird auch die nächsten Jahre ein wichtiger Markt für uns bleiben. Weniger als Volumenmarkt, als vielmehr zur Erprobung neuer Technologie.» (Thomas Richterich)
Was planen Sie im Bereich Forschung & Entwicklung?
Wir optimieren und erweitern unser Produktangebot laufend. Im nächsten Schritt soll eine 2,5 MW Turbine mit 100 Meter Rotordurchmesser auf den Markt kommen. Gleichzeitig laufen Planungen für eine neue, grössere Anlagengeneration. Zum Investitionsbedarf will ich mich an dieser Stelle noch nicht äussern.
Im Februar letzten Jahres hat Nordex vor Rostock die erste Offshore Turbine in Deutschland errichtet. Wo liegt die Zukunft der Windenergie – Onshore oder Offshore?
Eindeutig an Land. Nur rund 5% der Nachfrage wird bis 2011 für Projekte auf dem Meer erwartet
Wo liegen die Vor- und Nachteile von Offshore-Anlagen?
Offshore-Projekte kosten im Vergleich zum klassischen Geschäft an Land heute etwa das Doppelte. Die Mehrkosten können nur teilweise durch höhere Erträge wieder eingefahren werden. In einigen Ländern gibt es allerdings höhere Abnahmepreise für offshore erzeugten Strom. In diesem Geschäft hat noch kein Hersteller gutes Geld verdienen können, das lag aber auch an einigen technischen Schwierigkeiten, die sicher in absehbarer Zeit gelöst sein sollten.
Herr Richterich, wir bedanken uns herzlich für das Interview.
Zur Person:
Thomas Richterich – geb. 1960, Vorstandsvorsitzender und Finanzvorstand Nordex AG
1985-1990
Studium Betriebswirtschaftslehre
1990-1997
MAN Gutehoffnungshütte AG, unterschiedliche Leitungsfunktionen
1997-2000
Ferrostaal AG, unterschiedliche Leitungsfunktionen
2000-2002
Babcock Borsig AG, unterschiedliche Leitungsfunktionen
seit 2002
Nordex AG, Finanzvorstand
seit 2005
Vorstandsvorsitzender
Zur Nordex AG:
Als einer der technologisch führenden Anbieter von Megawatt-Turbinen profitiert Nordex vom globalen Trend zur Grossanlage besonders. Das Produktprogramm reicht bis zu einer der grössten Serien-Windenergieanlage der Welt (N80/N90 2.500 kW), bis heute drehen weltweit rund 400 dieser Turbinen. Damit verfügt Nordex im Vergleich zu den meisten Wettbewerbern seiner Branche über einen entscheidenden Erfahrungsvorsprung im Betrieb von Grossanlagen. Insgesamt hat Nordex weltweit etwa 3000 Anlagen mit einer Kapazität von über 3000 MW installiert (Januar 2007). Mit einem Exportanteil von über 80 Prozent nimmt die Nordex AG auch in den internationalen Wachstumsregionen eine starke Position ein. Weltweit ist das Unternehmen in 18 Ländern mit Büros und Tochtergesellschaften vertreten. Ende 2006 beschäftigte die Gruppe rund 1000 Mitarbeiter.