US-Finanzreform auf Zielgeraden – Einigung im Kongress

Bereits kommende Woche wollen beide Kammern des Kongresses dann abschliessend über die Vorlage abstimmen. Fast zwei Jahre nach dem Beinahe-Zusammenbruch des Finanzsystems kann US-Präsident Barack Obama danach wie von ihm angepeilt das Gesetz noch vor dem Unabhängigkeitstag am 4. Juli unterzeichnen.


Grossartiger Fortschritt
Unmittelbar vor seiner Abreise zum Gipfel der wichtigsten Wirtschaftsmächte (G20) in Kanada begrüsste Obama die Einigung als «grossartigen Fortschritt». Durch die Reformen werde Wall Street «haftbar gemacht, so dass wir eine Neuauflage jener Finanzkrise vermeiden helfen, von der wir uns noch immer erholen».


Verbraucherschutzbehörde unter dem Dach der US-Notenbank
Im Kern sieht die Reform die Schaffung einer Verbraucherschutzbehörde unter dem Dach der US-Notenbank vor. Ein Regulierungsrat unter Vorsitz des Finanzministers soll dazu über mögliche Risiken für das Finanzsystem wachen. Der Eigenhandel der Banken wird eingeschränkt, der Handel mit komplexen Finanzinstrumenten schärferen Regeln unterworfen. Die Regierung erhält zudem neue Vollmachten, kollabierende Finanzinstitutionen zu übernehmen und abzuwickeln. Zudem wird die Befugnis der Regulierungsbehörden gestärkt, grosse Geldhäuser in kleinere Einheiten aufzuspalten, wenn sie das Finanzsystem gefährden.


Wichtiger Sieg für Präsident Obama
Die Übereinkunft im Kongress gilt als wichtiger Sieg für Präsident Obama, der als Frist vorgegeben hatte, das Gesetz bis zum Unabhängigkeitstag unterschreiben zu wollen. Vor allem möchte er aber auch den Entwurf beim Treffen der wichtigsten Wirtschaftsmächte (G20) in Toronto an diesem Wochenende als Beispiel für erfolgreiche Finanzreformen vorlegen. Sie enthalte nun zu 90 Prozent seine Vorschläge für eine Neuregelung, sagte Obama am Freitag. US-Finanzminister Timothy Geithner erklärte, dass die Einigung «enorm wichtig für das Land ist und den Bemühungen um eine globale Finanzreform Schwung gibt». Und: «Der Kongress hat gezeigt, dass Amerika bereit ist, führendes Beispiel zu sein.» Bis zuletzt rang der gemeinsame Ausschuss von Abgeordnetenhaus und Senat unter anderem um eine nach dem früheren US-Notenbankchef Paul Volcker benannten Regel, die den hochprofitablen, aber risikoreichen Eigenhandel von Banken beschneidet, die über staatlich versicherte Spareinlagen verfügen. Wall-Street-Lobbyisten hatten die Vorschrift heftig bekämpft und Ausnahmen erreicht. Die Geldhäuser dürfen demnach nun sehr begrenzt in Hedge- oder Private-Equity-Fonds investieren.


Umgang von Banken mit komplexen Finanzinstrumenten an Kette gelegt
Erstmals an die Kette gelegt wird zudem der Umgang von Banken mit komplexen Finanzinstrumenten. Für den Handel mit riskanteren Derivaten wie etwa aus dem Rohstoffbereich müssen die Finanzinstitute mit eigenem Kapital ausgestattete Einheiten gründen – damit soll jener Teil der Bank vor möglichen Verlusten abgeschottet werden, der wegen Sparereinlagen speziellen staatlichen Schutz geniesst. Die neue Verbraucherschutzbehörde soll derweil unfaire Geschäftspraktiken bei Privatkrediten und Kreditkarten aufdecken und verhindern. Die Reform sieht auch neue Regelungen für die Bezahlung von Top-Managern von allen börsennotierten Unternehmen vor, nicht nur von Finanzinstitutionen. Aktionäre sollen ein Mitspracherecht über die Gehälter bekommen, das allerdings nicht bindend ist.


Abstimmung entlang der Parteilinien
Der Vorsitzende des Bankenausschusses im Senat und einer der Architekten der Vorlage, Christopher Dodd, sprach kurz nach Votum im gemeinsamen Ausschuss von Senat und Repräsentantenhaus von einem «grossartigen Moment». «Uns ist etwas gelungen, das lange schmerzlich gebraucht wurde und das hoffentlich unser Land schützt.» Die Abstimmung in dem Gremium erfolgte allerdings entlang der Parteilinien: Die Mitglieder der Abgeordnetenhauses in dem Ausschuss stimmten mit 20 zu 11 für den Kompromiss, die Senatoren 7 zu 5.

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