Valentin Roschacher, Maler

Von Helmuth Fuchs


Während sich die meisten zeitgenössischen Künstler schnell in Richtung Abstraktion oder Minimalismus verabschieden, gehen Sie auf sehr traditionelle Weise ans Werk, verleihen dem handwerklichen Aspekt der Kunst einen grossen Stellenwert. Können Sie beschreiben, wie Sie ein neues Bild angehen, wie eine Momentaufnahme als Resultat eines monatelangen Prozesses entsteht?


Ich habe eine traditionelle – man könnte auch sagen konservative – Kunstauffassung. Zeichnen gehört zum Rüstzeug des Malers. Wer nicht gut zeichnen kann, wird auch kein grosser Maler. Meine Art der Malerei ist das Gegenständliche, womit ich nicht sage, dass die Abstraktion dem Maler weniger abverlangt. Aber die reine Abstraktion entspricht (heute) nicht meiner Empfindung.


Das Matterhorn ist ein gutes Beispiel: Ich habe das Matterhorn seit 12 Jahren beobachtet, studiert, immer und immer wieder skizziert, aber nie gemalt. Jedes Jahr war ich mehrere Wochen in Zermatt, hielt es aber immer für «unmalbar». Obwohl es «mein Berg» ist (welches Gefühl ich allerdings mit Hundertausenden teilen muss), kam ich ihm nicht so nahe, dass ich überzeugt war, ein gutes Bild malen zu können. Im November 2008 war es dann soweit. Der Direktor des «Riffelalp-Resort» ist ein Freund von mir und ich bewarb mich in der Zwischensaison bei ihm als Nachtwächter. Wie Jack Nicholson in «Shining» bewachte ich nächtens das Hotel und tagsüber widmete ich mich dem Horu. Zuerst mit weiteren Zeichnungen und schriftlichen Notizen über Farben, Licht, wesentliche Linien etc., dann kam die Umsetzung in Oel auf Leinwand.



Wenn ich genug Skizzen habe, Detailskizzen und Gesamtskizzen, dann brauche ich den Berg eigentlich nicht mehr. Ich brauche dann nur noch Musik, um durchzuhalten, bis das Werk nach 300, 500, 700 oder auch mal 1500 Arbeitsstunden fertig ist. Die Musik ist wichtig. Der Anblick des Berges lässt mich das richtige Musikstück auf meinem iPod aussuchen. Und dieses Stück – vom Morgen bis zum Abend immer das gleiche Stück, 10 oder 12 Stunden lang – hält mich in der ursprünglichen Stimmung. Das ist wichtig, bei jemandem, der so langsam nur vorwärts malt! Beim grossen Matterhorn (140x100cm) habe ich zum ersten Mal 2 Stücke ausgesucht, allerdings vom gleichen Komponisten. J. Massenet «Le Cid» und «Thais». 1500 Stunden lang diese beiden Opern. Mitsingen könnte ich allerdings heute noch nicht!



«Ehrlichkeit, Leidenschaft und Fleiss ergibt gute Bilder. Ein gewisses Talent setze ich voraus, weil ohne dieses die notwendige Leidenschaft nicht vorhanden wäre.»


Als fast schon masochistisch mutet die Verwendung eines Pinsels mit einem einzigen Haar an. Weshalb diese unglaubliche Einschränkung?


Ich weiss noch genau, es war in den ersten Tagen im Jahre 2008 und ich war daran, ein kleines Bild der «Jungfrau» zu malen. Ich wollte dieses unglaublich dichte, intensive, flirrende Licht auf einen Gletscher bringen. Verschiedene Farbtöne und von jedem Ton verschiedene Tonwerte auf kleinstem Raum – war meine Überlegung – würden mich meiner Vorstellung näher bringen. Also riss ich plötzlich Haar um Haar aus, probierte und war trotzdem nie zufrieden. Schliesslich blieb halt nur noch ein Haar! Und von da an experimentierte ich auch mit verschiedenen Haaren, verschiedenen Dicken von Haaren. Ich bastelte meine Pinsel selber. Mit dem Resultat bin ich mittlerweile ziemlich zufrieden, allerdings hat diese Art Malerei zur Folge, dass ein Bild Monate braucht, bis es fertig ist. Dieses Jahr habe ich den quantitativen Tiefpunkt erreicht. Gerade mal 5 Bilder! Ich würde gerne eine effizientere Art der Malerei für mich entdecken, die mich zu den gleichen oder noch besseren Resultaten führte. Allein, der «Heureka-Schrei» lässt noch auf sich warten.



«Langanhaltender Erfolg ist – wenn überhaupt – nur durch Ehrlichkeit, Leidenschaft und Fleiss zu erreichen. Bilder können nicht herbeigeredet, sie müssen gemalt werden und das ist harte Arbeit.»


Ihr Einstieg in die Kunst verlief unglaublich reibungslos, Ihre Bilder verkaufen sich ab der Staffelei für fast sechsstellige Beträge. Wie erklären Sie sich den schnell einsetzenden Erfolg?


Ehrlichkeit, Leidenschaft und Fleiss ergibt gute Bilder. Ein gewisses Talent setze ich voraus, weil ohne dieses die notwendige Leidenschaft nicht vorhanden wäre. Dass die Bilder allerdings wahrgenommen werden, dafür braucht es natürlich Aufmerksamkeit. Ein Galerist muss sie ausstellen, ein Publikum sie ansehen wollen. Diese Aufmerksamkeit hatte ich durch meine frühere Tätigkeit. Ich erhielt unglaublich viel Aufmerksamkeit, viel mehr, als sie ein unbekannter Maler wohl je bekommen würde. Viele wollten sehen, ob ich malen könne.


Nicht wenige waren überzeugt oder hofften sogar, dass ich irgendwelche Klecksereien ausstellen würde, damit sie mich zerreissen könnten. Ich hatte manche schlaflose Nacht, weil ich dachte, dass niemand auf der Welt Bergbilder ansehen wollte, dass alle Leute moderne Bilder sehen wollten, die – wenn schon Berg –  das «Bergische» auf wahnsinnig innovative, eruptive und verklärte Art und Weise zeigen sollte. Die erste Ausstellung war toll, alle Bilder verkauften sich sehr schnell, die Kritiken waren gut – bis auf eine Miesepeterkritik eines Politikjournalisten, die mir aber zusätzliche Verkäufe einbrachte. Aber damit war natürlich noch kein Beweis erbracht; eine erfolgreiche Ausstellung zählt nicht. Ich wusste, und ich weiss nach wie vor, dass meine Bilder immer besser werden müssen. Genau das aber strebe ich ja an, weil ICH es will. Also, weiter malen, jeden Tag malen, studieren, malen, besser werden, keine Kompromisse machen, malen… Langanhaltender Erfolg ist – wenn überhaupt – nur durch Ehrlichkeit, Leidenschaft und Fleiss zu erreichen. Bilder können nicht herbeigeredet, sie müssen gemalt werden und das ist harte Arbeit.



«Der Maler, der seinen Beruf ernst nimmt und gute Bilder machen will, arbeitet unermüdlich. Er weiss, dass seine Zeit knapp ist, das zu erreichen, was er anstrebt. Aber er hat die Möglichkeit, es anzugehen. Das ist seine Freiheit.»


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Sie arbeiten jeden Tag von morgens 08:00 bis Abends um 18:00, meist auch am Wochenende. Wann wird die Arbeit zur Obsession, der Maler zum Sklaven des Strebens nach Perfektion unter Verlust der Freiheit und der Erleuchtung, mit denen die Kunst seinen Schöpfer doch belohnen sollte (per aspera ad astra)?


(Lacht) Mit dem letzten Teil dieser Frage bin ich zum zweiten Mal intellektuell überfordert. Den Teil mit den Arbeitszeiten habe ich verstanden. Ich arbeite so lange, weil ich so lange, wie das Licht gut ist, arbeiten will. An den Wochenenden arbeite ich, weil ich arbeiten will, weil mir – und zwar zunehmend – ohne malen etwas fehlt. Ich werde dann kribbelig und werde unaufmerksam, weil ich ans malen denke.


Das Streben nach Perfektion muss sein, unabhängig davon, ob man das Angestrebte je erreichen wird, ob das perfekte Bild in der Malerei überhaupt möglich ist. Wenn Sie mit Freiheit Künstlertum à la Bohème meinen, mit «Erleuchtung» den nicht fahrplanmässig eintreffenden Kuss der Muse, so entspricht dies so überhaupt nicht meiner Ansicht. Der Maler, der seinen Beruf ernst nimmt und gute Bilder machen will, arbeitet unermüdlich. Er weiss, dass seine Zeit knapp ist, das zu erreichen, was er anstrebt. Aber er hat die Möglichkeit, es anzugehen. Das ist seine Freiheit. Ein weiterer Aspekt seiner Freiheit ist, dass er «nein» sagen kann. «Nein, ein solches Bild male ich nicht, nein, Ihnen verkaufe ich dieses Bild nicht; nein, so verhalte ich mich nicht». Sich ausschliesslich der Malerei zu widmen ist Freiheitsgewinn, nicht Verlust.




«Wenn genug in mir ist, werde ich nicht zum Stillstand kommen. Wenn nicht genug in mir ist, dann wird der Stillstand zu Recht erfolgen. Ich werde dann aber kaum in der Auseinandersetzung mit anderen wieder in Schwung kommen.»


Sie wohnen in einem abgelegenen Industriequartier, malen alleine im Atelier oder in Gebirgslandschaften. Der Grossteil der schweigsamen Auseinandersetzung geschieht mit der sich nur langsam ändernden Mächtigkeit von Felsformationen. Keine Angst, in der Abgeschiedenheit zum Stillstand zu kommen?


Im Gegenteil. Ich muss ja aus mir schöpfen. Wenn genug in mir ist, werde ich nicht zum Stillstand kommen. Wenn nicht genug in mir ist, dann wird der Stillstand zu Recht erfolgen. Ich werde dann aber kaum in der Auseinandersetzung mit anderen wieder in Schwung kommen. Die Auseinandersetzung mit anderen ist am Anfang sehr wichtig. Man studiert, vergleicht, kopiert, variiert, sucht in der Reflektion mit anderen Auffassungen und Möglichkeiten seinen eigenen Weg, seine eigene Identität. Wenn Sie allerdings mit bald 50 immer noch bei allen anderen suchen müssen, weil sie in sich selber immer noch nichts Eigenes gefunden haben, dann müssen Sie aufhören. Und ausserdem entwickle ich mich ja auch in der Abgeschiedenheit immer weiter, meine Sinneseindrücke ändern sich; ich sitze ja nicht in einem lichtlosen Loch.



«Die benediktinische Erziehung – oder das, was von ihr übrig geblieben ist – hat mir gut getan. Ich weiss, dass von nichts nichts kommt, dass Arbeit der Schlüssel zum Erfolg ist, dass Vernunft und Anstand auch in Zeiten richtig sind, wo Ellenbogen mehr Erfolg zu garantieren scheinen?»


Bis anhin sind Berge ihr einziges Motiv. Reizen Sie Figuren, Porträts, Landschaften oder Stilleben in anderen Maltechniken nicht?


Bis ins Jahr 2000 malte ich Figurenbilder, Portraits, Akt, Stilleben, alles…ausser Landschaften. Seit 10 Jahren nun bin ich von der Bergwelt fasziniert. Leonardo da Vinci hätte daran keine Freude. Er vertrat die Auffassung, dass ein Maler immer alle Sparten der Malerei betreiben sollte. Allerdings mehr um des Eindruckes auf die Menschen wegen. Man müsse zeigen, dass man alles könne. Hier bin ich anderer Meinung. Ich werde mich in Zukunft sicherlich auch wieder den anderen Bereichen der Malerei zuwenden, aber nicht, weil ich das Gefühl habe, etwas beweisen zu müssen, sondern weil es mir ein Bedürfnis ist. Und übrigens habe ich ja damit schon begonnen. In drei Bildern habe ich das klassische Stilleben, das bisher immer ein «Intérieur» war, nach draussen versetzt und mit Bergmalerei verbunden; die «nature morte»mit der «nature vivante» konfrontiert.


Ihre Firma, die Tipota AG (tipota, griechisch = nichts) ist ein leiser Hinweis auf Ihre Ausbildung an der Stiftsschule in Einsiedeln. Was aus den sieben Jahren Internat ist für Ihr heutiges Leben noch von Bedeutung?


Die benediktinische Erziehung – oder das, was von ihr übrig geblieben ist – hat mir gut getan. Ich weiss, dass von nichts nichts kommt, dass Arbeit der Schlüssel zum Erfolg ist, dass Vernunft und Anstand auch in Zeiten richtig sind, wo Ellenbogen mehr Erfolg zu garantieren scheinen, dass Ludwig Wittgensteins fundamentaler Satz «Warum soll man die Wahrheit sagen, wenn es vorteilhafter ist zu lügen?» nur die eine Antwort zulässt, nämlich «weil es richtig ist». Ganz wichtig aus meiner Zeit im Stift ist auch die Erfahrung im Umgang mit miserablem Essen; ich bin nicht verwöhnt und komme notfalls auch ohne Essen längere Zeit über die Runden.


In den wirtschaftlich unsicheren Zeiten, der Achterbahnfahrt der Börsen, ist ein Roschacher eine gute Investition?


(Lacht zum letzten Mal) Kaufen Sie nur ein Bild, weil es Ihnen gefällt, weil Sie es zuhause an der Wand haben, es täglich ansehen und sich freuen möchten; und zwar des Bildes, nicht seines Wertes und schon gar nicht der Steigerung seines Wertes wegen. Von Bildern als «Wandaktien» halte ich nichts.


Zum Schluss des Interviews haben Sie noch zwei Wünsche frei. Wie sehen diese aus?


Dass meine Hand ruhig bleibt und sich meine Augen nicht trüben!





Den ersten Teil des Interviews lesen Sie hier…


Nächste Ausstellung von Valentin Roschacher:


Galerie Thomas Dutoit


Suhrenmattstrasse 2
5035 Unterentfelden


062 723 41 32
[email protected]


Vernissage: 14. November 2009, ab 18.00 Uhr*
Sonntagsbrunch: 15. November 2009, 11.00 ? 16.00 Uhr*
Finissage-Apéro: 12. Dezember 2009, 11.00 ? 16.00 Uhr*


Öffnungszeiten:
Di-Fr: 08:00 – 12:00 / 13:30 – 18:00
Sa: 10:00 -16:00


*Der Künstler ist selbst anwesend

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