Bundesgericht untersucht Schuldsprüche gegen Schweizer Reeder

Bundesgericht untersucht Schuldsprüche gegen Schweizer Reeder
Schweizer Hochseeflotte: Die MV Glarus vor dem Hafen in New York. (Foto: Flickr)

Bern – Das Bundesgericht muss sich mit dem Fall des ehemaligen Schweizer Hochseereeders beschäftigen, der vor einem Jahr unter anderem wegen Millionen-Betrugs zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und fünf Monaten verurteilt wurde. Der Reeder zieht dieses Urteil nach Lausanne weiter.

Das sagte der Verteidiger des Berner Reeders, Rechtsanwalt Raffael Ramel, der Nachrichtenagentur Keystone-SDA auf Anfrage.

Das bernische Obergericht verurteilte den Reeder im Juni 2022 ausser wegen Betrugs auch wegen ungetreuer Geschäftsbesorgung, Erschleichung einer falschen Beurkundung, Urkundenfälschung und Leistungsbetrugs. Das ist ein Straftatbestand im Bundesgesetz über wirtschaftliche Landesversorgung. Der Reeder war bis 2017 mit einem Dutzend Schiffe auf den Weltmeeren unterwegs gewesen.

Diese waren mit Bürgschaften des Bundes gesichert, weil der Bund im Interesse der wirtschaftlichen Landesversorgung jahrelang Reedereien die Finanzierung von Schiffen zu sehr günstigen Konditionen ermöglichte. Als die Schiffe mit Verlust verkauft werden mussten, entstand dem Bund ein Schaden von 200 Millionen Franken, weil die Banken die Bürgschaften zogen.

Das bernische Obergericht hielt im Juni 2022 fest, der Berner Reeder sei nicht für einen Schaden von 200 Millionen Franken beim Bund verantwortlich. Im Zuge der Finanzkrise von 2008 geriet die Hochseeschifffahrt weltweit in eine Krise. Allerdings verurteilte dieses Gericht den Reeder zur Zahlung von über 40 Millionen Franken an die Geschädigten.

Die erste Instanz, das Wirtschaftsstrafgericht des Kantons Bern, kam 2020 laut der Urteilsbegründung der vorsitzenden Richterin zum Schluss, der Angeklagte habe innerhalb seines Firmengeflechts mehrere Schweizer Gesellschaften zugunsten von ausländischen Tochtergesellschaften geschädigt.

Dies, indem er Gelder hin und her verschoben und sogenannte Intercompany-Darlehen gewährt habe, für welche die Bedingungen nicht gegeben gewesen seien.

Wie ein Blankocheck
Nach dem verlustreichen Verkauf der Schweizer Hochseeschiffe untersuchte die Finanzdelegation der Eidgenössischen Räte (FinDel) das System der Bürgschaften. Sie stellte 2019 fest, Solidarbürgschaften zu vergeben, komme dem Ausstellen eines Blankochecks gleich. Der Bund gebe damit Steuermöglichkeiten aus der Hand.

Die FinDel empfahl deshalb, dieses Instrument nicht mehr zu verwenden. Der Bundesrat entschied in der Folge aber, nicht ganz auf sie zu verzichten.

Die Eidgenössische Finanzkontrolle schrieb im Mai 2021 in einem Bericht, der Schaden für den Bund durch die von Banken geltend gemachten Bürgschaften nach dem Verkauf von Schiffen habe 350 Millionen Franken erreicht.

Kurz zuvor lehnte der Nationalrat die Forderung der SVP-Fraktion nach einer Parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK) zu den Vorgängen rund um die Schweizer Hochseeflotte ab.

Staatsanwaltschaft wäre zufrieden
Wie die Berner Generalstaatsanwaltschaft auf Anfrage sagte, hat die bernische Staatsanwaltschaft für die Verfolgung von Wirtschaftsdelikten das Urteil des bernischen Obergerichts nicht nach Lausanne weitergezogen. Ein Berner Staatsanwalt forderte im Juni 2022 vor Obergericht eine Freiheitsstrafe von sieben Jahren.

Ebenfalls nicht in Lausanne vorstellig wurde die Eidgenossenschaft, welche im Verfahren gegen den Reeder Partei war und das erstinstanzliche Urteil des kantonalen Wirtschaftsstrafgerichts in Bern noch anfocht. Das gab das zuständige Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung WBF auf Anfrage bekannt. (awp/mc/ps)

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