Bundesrat prüft Aufnahme von afghanischen Flüchtlingen

Bundesrat prüft Aufnahme von afghanischen Flüchtlingen
Nach der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan werden Hunderttausende Flüchtlinge erwartet.

Bern/Kabul – Nach dem Einmarsch der islamisch-fundamentalistischen Taliban in Kabul fordern SP und Grüne, dass die Schweiz im Rahmen internationaler Kontingente 10’000 Geflüchtete aus Afghanistan aufnimmt. Die Grünen fordern zudem den Familiennachzug für bereits in die Schweiz Geflüchtete. Bundesrat Ignazio Cassis sagte die Prüfung der Forderung zu.

Ob die Schweiz mehr Flüchtlinge aus Afghanistan aufnehmen soll, beurteile der Bundesrat von Stunde zu Stunde, sagte Aussenminister Cassis am Montag vor den Medien im Bundeshaus in Bern. «Wir sind in der Lage, solche Entscheide wie die Aufnahme von Flüchtlingen rasch zu treffen», sagte Cassis. Aber die Schweiz sei auch auf die Zusammenarbeit mit anderen Staaten angewiesen.

Zuvor hatte die SP gefordert, die Schweiz müsse sich für ein internationales Flüchtlingskontingent einsetzen. Im Rahmen dessen soll sie 10’000 Menschen aufnehmen, vor allem Mädchen und Frauen. Die Nachbarstaaten bräuchten Unterstützung. Ausserdem müsse die Schweiz ihre guten Dienste für einen raschen Frieden und Verhandlungen mit der neuen Regierung einbringen.

Die Angehörigen von bereits in der Schweiz anwesenden Afghaninnen und Afghanen sollen mittels humanitärer Visa einreisen dürfen, fordern die Grünen. Alle Geflüchteten aus Afghanistan sollen einen Schutzstatus erhalten, unabhängig vom Stand eines Asylersuchens.

Das «Bündnis unabhängiger Rechtsarbeit im Asylbereich» fordert für afghanische Flüchtlinge mindestens eine vorläufige Aufnahme statt lediglich die Aussetzung von Rückführungen. Die Organisation Solidarité sans frontières und die demokratischen Juristinnen und Juristen verlangen den Flüchtlingsstatus für alle Afghaninnen und Afghanen in der Schweiz.

Schweizer Diplomaten ausser Landes
Alle sechs Schweizer Angestellten im Kooperationsbüro der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) in Kabul hatten bis zum Wochenende Afghanistan verlassen, das 38-köpfige Lokalpersonal und deren engste Angehörigen allerdings noch nicht.

Dies teilte das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) am Montagnachmittag mit. Für das Lokalpersonal im unterdessen geschlossenen Kooperationsbüro werde eine Lösung gesucht. Die aktuelle Situation in Kabul, besonders am Flughafen der afghanischen Hauptstadt, mache die Ausreise des Lokalpersonals aber schwierig.

Die rund 230 Personen bestehend aus Lokalpersonal und engsten Angehörigen erhalten ein humanitäres Visum für die Schweiz, wie der Staatssekretär für Migration, Mario Gattiker, am Freitag vor den Medien erklärt hatte. Er begründete dies damit, dass die afghanischen Mitarbeitenden des Kooperationsbüros von den Taliban als westliche Kollaborateure angesehen werden könnten. Deshalb seien sie an Leib und Leben gefährdet.

Noch 26 Schweizer Staatsangehörige im Land
Auch nach der Evakuierung des Schweizer Personals im Kooperationsbüro in Kabul befinden sich noch 26 Schweizer Staatsangehörige in Afghanistan. Diese seien bei der Botschaft in der pakistanischen Hauptstadt Islamabad gemeldet, so das EDA. Die Schweizer Vertretung im Nachbarland von Afghanistan sei für dieses konsularisch zuständig und mit den 26 Personen in Kontakt.

Die Schweiz sei besorgt über die «gravierende Sicherheitslage» in Afghanistan, schreibt das EDA. Und weiter: «Das hohe Gewaltniveau trägt massgeblich zum Leiden der afghanischen Bevölkerung bei und erhöht die Zahl der Vertriebenen, die auf der Suche nach Sicherheit und Schutz sind.»

Schweiz verurteilt Verbrechen
Die Schweiz verurteile die mutmasslichen Verstösse gegen das Völkerrecht, einschliesslich mutmasslicher Völkerrechtsverbrechen, und rufe alle involvierten Akteure mit Nachdruck dazu auf, sich an das humanitäre Völkerrecht und die Menschenrechte zu halten. Insbesondere die Rechte von Minderheiten und von Frauen und Mädchen seien zu gewährleisten.

Afghanische und ausländische Bürgerinnen und Bürger, die ausreisen wollten, müssen dies frei und ungehindert tun können; Strassen, Flughäfen und Grenzübergänge müssten dafür offen bleiben. Insbesondere auch vom Flughafen Kabul müsse eine sichere und diskriminierungsfreie Ausreise möglich sein, so das EDA. (awp/mc/pg)

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