Bundesrat will Kundenschutz bei Finanzprodukten verbessern

Bundesrat will Kundenschutz bei Finanzprodukten verbessern
Alt-Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf. (Foto: admin.ch)

Finanzministerin Evelyne Widmer-Schlumpf. (Foto: admin.ch)

Bern – Beim Kauf von Finanzprodukten sollen Kunden besser geschützt werden. Der Bundesrat hat die Vernehmlassung zu einem Gesetz eröffnet, das neue Pflichten für Finanzdienstleister bringt und im Streitfall Gruppenvergleiche ermöglicht.

Die Mängel der heutigen Regeln zeigten sich während der Finanzkrise: Viele verloren ihr Vermögen, weil sie es in Finanzprodukte angelegt hatten, deren Risiken sie nicht kannten. Künftig soll nun niemand mehr sagen können, er habe es nicht gewusst. Der Bundesrat schlägt vor, dass Finanzdienstleister für jedes Finanzinstrument ein Basisinformationsblatt erstellen müssen. Dies ermögliche Privatkunden, verschiedene Finanzinstrumente zu vergleichen und einen fundierten Anlageentscheid zu treffen, schreibt der Bundesrat im am Freitag veröffentlichten Bericht zur Vernehmlassung.

Das Informationsblatt darf keine Werbebroschüre sein. Es muss die wesentlichen Produkteigenschaften beschreiben und über die Risiken und Kosten informieren. Auf Anfrage müssen ausführliche Prospekte zur Verfügung gestellt werden.

Kenntnisse berücksichtigen
Auch für die Prospekte sind im Finanzdienstleistungsgesetz (FIDLEG) neue Regeln geplant: Die für Aktien oder Anleihensobligationen bereits bestehenden Prospektpflichten werden grundsätzlich auf alle Beteiligungs- und Forderungspapiere ausgedehnt, die Privatkunden öffentlich angeboten werden.

Wenn Finanzdienstleister Kunden beraten, müssen sie ausserdem deren Kenntnisse, Erfahrungen und finanzielle Verhältnisse berücksichtigen. Das Gesetz unterscheidet jedoch zwischen Privatkunden und professionellen Kunden. Erstere haben die Möglichkeit, mit einem «Opting-out» bewusst auf den Schutz zu verzichten, letztere können sich mit einem «Opting-in» für den Schutz entscheiden.

Prozesskostenrisiko verkleinern
Im Streitfall sollen Geschädigte ihre Ansprüche einfacher vor Gericht durchsetzen können. Die Stellung der Kundinnen und Kunden werde nur dann effektiv verbessert, wenn diese gegen das Fehlverhalten ihres Finanzdienstleisters vorgehen könnten, hält der Bundesrat fest.

Heute stellt das Prozesskostenrisiko eine grosse Schranke dar. Zur Verbesserung schlägt der Bundesrat zwei Varianten vor. Entweder sollen die Finanzdienstleister Schiedsgerichte schaffen, die ein kostengünstiges und rasches Verfahren ermöglichen. Oder sie sollen einen Prozesskostenfonds alimentieren. Der Bundesrat bevorzugt die Schiedsgerichtslösung.

Verbände können klagen
Darüber hinaus sind Mittel des kollektiven Rechtsschutzes vorgesehen: Zum einen die Verbandsklage, zum anderen ein Gruppenvergleichsverfahren bei einer grossen Zahl von Anspruchsberechtigten. Der Bundesrat hatte in Aussicht gestellt, punktuell Formen von «Sammelklagen» zu ermöglichen, allerdings nicht nach US-Vorbild. Dies entspricht auch einer Forderung des Parlaments.

Im FIDLEG werden nun solche Instrumente geschaffen. Mit der Verbandsklage könnte neu beispielsweise eine Konsumentenschutzorganisation klagen. Um finanzielle Leistungen geht es dabei jedoch nicht: Es würde am Ende bloss festgestellt, dass ein Finanzdienstleister rechtswidrig gehandelt hat. Eine solche Klage würde aber die Verjährung für Forderungen unterbrechen.

Gruppenvergleiche für Geschädigte
Mit dem Gruppenvergleichsverfahren könnten gleichartige finanzielle Ansprüche kollektiv und repräsentativ geltend gemacht werden. Der Vergleich würde auch für nicht am Verfahren beteiligte Betroffene verbindliche Wirkung entfalten. Im Unterschied zu einer Gruppen- oder Sammelklage beruht das Verfahren auf dem Einverständnis der betroffenen Finanzdienstleister.

Zur aussergerichtlichen Einigung sieht das Gesetz zusätzliche Ombudsstellen vor: Für sämtliche privatrechtlichen Streitigkeiten zwischen Finanzdienstleistern und ihren Kunden sollen Ombudsstellen zur Verfügung stehen. Diese sollen jedoch ausschliesslich als Schlichtungsstelle auftreten.

Bewilligung für Vermögensverwalter
Mit einem weiteren Gesetz – dem Finanzinstitutsgesetz (FINIG) – soll die Aufsicht über die Finanzdienstleister in einem einzigen Erlass geregelt und für manche Akteure verschärft werden. Neu sollen auch Vermögensverwalter von individuellen Kundenvermögen sowie von Vermögenswerten schweizerischer Vorsorgeeinrichtungen einer Bewilligungspflicht unterstellt werden, wobei für letztere strengere Anforderungen gelten. Beaufsichtigt würden diese durch die FINMA.

Für die Aufsicht über die einfachen Vermögensverwalter werden in der Vernehmlassung zwei Varianten zur Diskussion gestellt: eine Aufsicht durch die FINMA oder durch eine oder mehrere andere Aufsichtsorganisationen.

Die Regeln für jene Finanzinstitute, die bereits unter geltendem Recht beaufsichtigt sind, werden materiell nicht verändert. Bereits bestehende Vermögensverwalter unterstehen im Sinne einer Besitzstandwahrung keiner Aufsicht, wenn sie über genügend Erfahrung verfügen und sich auf die Weiterbetreuung bisheriger Kunden beschränken. Die Vernehmlassung dauert bis zum 17. Oktober.  (awp/mc/pg)

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