Bundesrat will keine neuen Atomkraftwerke

Bundesrat will keine neuen Atomkraftwerke

UVEK-Vorsteherin Doris Leuthard.

Bern – Der Bundesrat will aus der Atomenergie aussteigen: In der Schweiz sollen keine neuen Atomkraftwerke gebaut werden, die bestehenden fünf Reaktoren aber nicht vorzeitig abgeschaltet werden. Parteien, Wirtschaft und Stromkonzerne reagierten mit Lob und mit Kritik.

Energieministerin Doris Leuthard sprach von einem «historischen Tag». Der Bundesrat habe sich den Entscheid nicht leicht gemacht, sagte sie am Mittwoch vor den Medien in Bern. Er habe die Vor- und Nachteile der Atomenergie sorgfältig abgewogen. Ausschlaggebend für den Beschluss waren das Risiko der Atomenergie und auch deren Preis. Das Restrisiko habe sich in Fukushima manifestiert, sagte Leuthard. «Wir mussten überlegen, ob wir damit leben wollen in der dicht bevölkerten Schweiz».

Kernkraft immer teurer
Hinzu komme, dass die Kernkraft immer teurer werde, während die Preise für erneuerbare Energien sinken würden. Damit falle der komparative Vorteil der Atomenergie zunehmend weg. Einen konkreten Zeitpunkt für den Ausstieg strebt Leuthard nicht an. Ausschlaggebend sei die Sicherheit der bestehenden Reaktoren, sagte sie. Hypothetisch nehme der Bundesrat heute eine Lebensdauer der AKW von 50 Jahren an. Das würde bedeuten, dass das erste AKW 2019 und das letzte 2034 vom Netz ginge.

Konsumenten müssen mehr bezahlen
«Es geht nicht zum Nulltarif», sagte Leuthard zu den Auswirkungen auf die Gesellschaft und Wirtschaft. Der Weg des Bundesrats lohne sich langfristig für die Schweiz und ihren Arbeitsmarkt. Doch die Konsumenten müssten für den Strom mehr bezahlen, und der Umbau des Netzes würde Geld kosten. Die Reaktionen auf den Entscheid reichten von Aufatmen bis Zähneknirschen. Umweltverbände, SP, Grüne und andere AKW-Gegner jubelten, wenn teilweise auch verhalten. Grüne und SP kritisierten aber die langen Laufzeiten und forderten, vor allem das «gefährliche» AKW Mühleberg sofort abzuschalten.

Neue Chancen durch Investitionssicherheit
Nicht zufrieden waren die SVP und der Wirtschaftsdachverband economiesuisse. Dieser sprach von einem unseriösen, widersprüchlichen und unverantwortlichen Entscheid. Die FDP gab sich differenzierter. Sie begrüsste das Nein zum Ersatz der AKW mit der heutigen Generation von Reaktoren. Für neue Technologien dürfe die Türe aber nicht endgültig verschlossen werden. Die CVP lobte Leuthard. Dank ihr sei die Weichenstellung für die energiepolitische Zukunft der Schweiz erfolgt. Der Wirtschaftsverband swisscleantech sieht neue Chancen – unter anderem durch Investitionssicherheit. Die Glaubwürdigkeit der Schweiz «als internationale Cleantech-Vorreiterin» werde gestärkt.

Sorgen um Versorgungssicherheit
Die Stromkonzerne Axpo, BKW und Alpiq wiederum waren wenig erfreut. Der Entscheid führe zu einer problematischen Situation bezüglich der Versorgungssicherheit der Schweiz mit Strom, hiess es bei der Axpo. Alpiq will den Bau neuer AKW nicht mehr vorantreiben, bis sich das Volk zur Zukunft der Atomkraft geäussert hat. Auch der Vorstand der Konferenz der Kantonalen Energiedirektoren macht sich Sorgen um die Versorgungssicherheit. Als Miteigentümer von Kraftwerken wollen die Kantone bei der Konkretisierung der Strategie einbezogen werden. Eckpunkte für die nötigen Gesetzesänderungen will der Bundesrat noch im laufenden Jahr festlegen. Im Sommer 2012 will er eine Vernehmlassungsvorlage präsentieren. (awp/mc/upd/ss)

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