Coronavirus-Varianten nehmen exponentiell zu – weitere Variante aufgetaucht

Coronavirus-Varianten nehmen exponentiell zu – weitere Variante aufgetaucht
Martin Ackermann, Präsident der wissenschaftlichen Covid-19-Taskforce des Bundes. (Screenshot)

Bern – Die getroffenen Massnahmen zeigen zwar Wirkung, die Coronavirus-Fallzahlen gehen in der Schweiz weiter zurück. Doch das exponentielle Wachstum der neuen Varianten hat sich damit bisher nicht reduzieren lassen, und es ist noch eine weitere Variante aufgetaucht. Trotzdem fordert der Schweizerische Gewerbeverband ein baldiges Ende des Lockdowns.

«Die Varianten wachsen exponentiell», sagte der Präsident der wissenschaftlichen Taskforce des Bundes, Martin Ackermann, am Dienstag in Bern vor den Medien. Man schätze, dass bereits etwa ein Fünftel der heute bestätigten Fälle auf die britische Mutation B.1.1.7. zurückzuführen seien. Und es sei damit zu rechnen, dass sich das Wachstum auch in den nächsten Wochen fortsetze.

Gemäss Ackermann halbieren sich die Ansteckungen mit den bekannten Virenstämmen etwa alle vier Wochen. Insgesamt wurden dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) bis am Dienstag innerhalb von 24 Stunden 1363 neue Coronavirus-Fälle gemeldet. Der Sieben-Tages-Schnitt sank damit im Vergleich zur Vorwoche um rund 13 Prozent.

Zunahme um 60 Prozent
Seit Anfang Februar liegen die Fallzahlen der alten Virenstämme sogar unter den Prognosen. Für Ackermann ist das ein Hinweis darauf, dass die am 18. Januar getroffenen Massnahmen wirken.

Doch gleichzeitig meldete das BAG ein Total von 4411 Fällen mit mutierten Coronavirus-Varianten, rund 60 Prozent mehr als noch vor einer Woche. Der Berner Epidemiologe Christian Althaus schätzt ihren Anteil an allen bestätigten Ansteckungen mittlerweile landesweit auf 30 bis 40 Prozent, wie er gegenüber Schweizer Radio und Fernsehen SRF sagte.

Neue Variante aufgetaucht
Dazu kommt, dass am Montag eine neue Variante in der Schweiz aufgetaucht ist, nämlich die brasilianische. Diese sei ähnlich einzuschätzen wie die britische und die südafrikanische, sagte Ackermann.

Doch nach Angaben von Virginie Masserey, Leiterin der Sektion Infektionskontrolle beim BAG, kann diese Variante auch Menschen anstecken, die bereits eine Infektion mit dem Coronavirus hinter sich haben. Ihr Amt kläre derzeit ab, wie die brasilianische Mutation in die Schweiz gelangt sei.

Ackermann betonte deshalb, dass die Bemühungen eher noch verstärkt als reduziert werden müssten. Ziel sei es, zu verhindern, dass ab März wieder ein schnelles exponentielles Wachstum auftrete. «Sonst kommen wir schnell wieder an die Kapazitätsgrenzen», sagte Ackermann.

Potential sieht er bei der Reduktion der Mobilität der Bevölkerung. Denn die durchschnittlich zurückgelegte Distanz sei in den letzten Wochen um weniger als 10 Prozent auf durchschnittlich 30 Kilometer zurückgegangen. Während des Lockdowns im vergangenen Jahr seien es weniger als 20 Kilometer gewesen.

SGV fordert Ende des Lockdowns
Für den Schweizerischen Gewerbeverband hingegen ist die Schmerzgrenze erreicht: Die Strategie, Lockdowns einzuleiten, bis die Pandemie beendet sei, sei gescheitert, sagte SGV-Präsident Fabio Regazzi an einer Online-Medienkonferenz.

Jeder Tag mehr im Lockdown verursache immense Kosten und Leid. Deshalb forderten die KMU und der SGV die Beendigung auf den 1. März.

Mit einem gezielten Schutz und Massnahmen wie Impfungen, Testen und Contact Tracing könne die Wirtschaftsfreiheit wieder gewährleistet werden. Auch der gesellschaftliche Austausch könnte sich so wieder schrittweise normalisieren. Der SGV erwartet zudem laut Regazzi, dass das Impfprogramm bis Ende Juni abgeschlossen ist.

Insgesamt wurden bis Sonntag 413’698 Impfungen durchgeführt. Aktuell haben damit 4,8 Prozent der Einwohnerinnen und Einwohner der Schweiz mindestens eine Impfung erhalten.

Stockende Impfaktion
Doch wegen der Lieferengpässe gerät die Impfaktion ins Stocken: Der Kanton St. Gallen rechnet damit, dass es bis Mitte März dauern wird, bis alle Personen in Alters- und Pflegeheimen gegen das Coronavirus geimpft werden können. Im Februar müssen die Erstimpfungen ausgesetzt werden.

Auch in Appenzell Innerrhoden verlangsamt sich die Impfaktion: Für einen ganzen Monat ist kein Impfstoff-Lieferung mehr für den Halbkanton geplant. Die Westschweizer Kantone hingegen könnten ihren bereits geimpften verletzlichen Personen die zweite Impfdosis garantieren, sagte Karim Boubaker, Waadtländer Kantonsarzt und Präsident der Kommission der Westschweizer Kantonsärztinnen und -ärzte, in Bern vor den Medien.

Bröckelnde Impfbereitschaft?
Ob sich jedoch auch genügend viele Menschen impfen lassen, ist nicht sicher: Laut Umfragen seien nur rund 40 Prozent des Pflege- und Betreuungspersonals in Alters- und Pflegeheimen dazu bereit, schreibt der Seniorenrat in einer Mitteilung vom Dienstag. Bei den Bewohnerinnen und Bewohnern seien es rund 60 Prozent.

Dies sei äusserst erschreckend, stellte der Seniorenrat fest. Das Pflege- und Betreuungspersonal, das im direkten Kontakt zu den Bewohnerinnen und Bewohnern stehe, brauche zum Selbst- und Fremdschutz unbedingt diese Impfung. (awp/mc/ps)

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