Schweiz und EU wollen zusammenarbeiten – wie, das ist unklar

Schweiz und EU wollen zusammenarbeiten – wie, das ist unklar
Maros Sefcovic, Vize-Präsident der EU-Kommission. (Foto: EU)

Brüssel – Bundesrat Ignazio Cassis und Maros Sefcovic, Vizepräsident der EU-Kommission, haben nach einem Treffen am Montag in Brüssel ihren Willen zur Zusammenarbeit bekräftigt. Unklar bleibt jedoch, ob die beiden das Gleiche darunter verstehen.

So sprach der Schweizer Aussenminister von einer Agenda, die man nun bis zum World Economic Forum (WEF) in Davos Mitte Januar 2022 gemeinsam entwickeln wolle.

Beide Seiten hätten Vorstellungen, die analysiert werden müssten, im Hinblick darauf, was davon «gemeinsam machbar ist und was nicht». Das sei sehr wichtig, «sonst macht man wieder die gleichen Fehler wie in der Vergangenheit», sagte Cassis.

Sefcovic hingegen sprach von einer Roadmap, einem Fahrplan, mit Inhalten und klaren zeitlichen Vorgaben. Im Januar wolle man eine Zwischenbilanz ziehen. Bis dahin werde man sehen, ob es seitens der Schweiz «eine echte politische Zusage gibt».

Der EU-Kommissar lies keine Zweifel offen, dass dies auch die institutionellen Fragen wie etwa die Übernahme von EU-Recht und Streitbeilegung miteinschliesst. Das gleiche gelte «für eine in Zukunft regelmässige Schweizer Beteiligung an der EU-Kohäsionspolitik.»

Ausserdem machte der EU-Vizekommissar deutlich, dass die Zeit drängt, und die EU nicht bereit sei, bis 2024 zu warten. «2024 ist zu spät», sagte Sefcovic auf eine Journalistenfrage. Denn in der Schweiz heisst es immer wieder, europapolitisch werde es erst nach den eidgenössischen Wahlen im Herbst 2023 weiter gehen.

Grundsatzerklärung auf gutem Weg
Während des Gesprächs mit Sefcovic wies Cassis auf den guten Willen hin, den die Schweiz gezeigt habe, um die angespannte Situation zu entschärfen.

Dazu gehöre das Ende der Einschränkung der Personenfreizügigkeit für Kroatien ab 2022, aber auch die bedingungslose Freigabe der zweiten Kohäsionsmilliarde, was das Parlament in der Herbstsession getan habe. Das sei «ein starkes positives Zeichen».

Zur Umsetzung des Kohäsionsbeitrages muss nun aber noch eine Grundsatzerklärung, ein Memorandum of Understanding (MoU), zwischen der Schweiz und der EU unterzeichnet werden. Beide Politiker bestätigten am Montag, dass hierzu die technischen Arbeiten abgeschlossen sind und das MoU auf gutem Weg ist.

Gerüchten zufolge hatten einige EU-Staaten das MoU zu blockieren versucht und verlangen, dass darin eine Verstetigung der Schweizer Kohäsionszahlungen festgeschrieben wird.

EU braucht Zeit bei Forschung
Auch über die EU-Programme «Horizon Europe» und «Erasmus plus» sprachen die beiden Politiker. Cassis hatte gegenüber Sefcovic betont, dass die Verknüpfung dieser Kooperationsabkommen durch Brüssel mit Fragen des Marktzugangs in der Schweiz Irritation ausgelöst habe.

Denn ursprünglich hatte die EU-Kommission den Beginn von Verhandlungen über eine Assoziierung der Schweiz an das EU-Forschungsprogramm «Horizon Europe» «lediglich» an die Freigabe der Kohäsionsmilliarde geknüpft. Daher bekundet man nun in der Schweiz Mühe zu verstehen, warum andere Drittstaaten mit weniger starken Beziehungen zur EU problemlos an das EU-Forschungsprogramm assoziiert werden und die Schweiz nicht.

Dazu meinte der EU-Kommissar, die EU brauche nun Zeit, um zu evaluieren, wie es weitergehen soll. Bei ihrer Beurteilung werde sie jedoch die ganze Situation zwischen der Schweiz und der EU berücksichtigen.

Zweistündiges Gespräch
Cassis war nach Brüssel gereist, um nach dem Scheitern der Verhandlungen über ein institutionelles Rahmenabkommen mit Sefcovic eine Standortbestimmung vorzunehmen. Am 26. Mai hatte der Bundesrat die Verhandlungen einseitig beendet.

Die beiden Politiker sprachen insgesamt zwei Stunden miteinander, «eine davon unter vier Augen», wie Cassis sagte. Man habe offen miteinander gesprochen und gemeinsam die letzten Jahre Revue passieren lassen.

«Wir haben dabei festgestellt, dass wir die letzten Monate unterschiedlich wahrgenommen haben», sagte Cassis. Der EU-Kommissar ist gemäss dem Aussenminister hart aber offen und pragmatisch gewesen. (awp/mc/pg)

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