Krankenkassen immer noch am Draht

Krankenkassen immer noch am Draht

Zürich – Krankenkassen setzen immer noch in einem hohen Mass auf Telefonwerbung für die Kundengewinnung. Dies zeigt eine repräsentative Umfrage des Internet-Vergleichsdienstes comparis.ch. 57 Prozent der Befragten haben angegeben, dass sie im ersten Halbjahr von einer Krankenkasse oder einer Telefonmarketing-Firma wegen eines Krankenkassenwechsels in der Grundversicherung kontaktiert worden sind, ohne dass sie vorher bereits Kontakt mit der entsprechenden Krankenkasse gehabt hätten.

Bereits Ende letzten Jahres hat comparis.ch erhoben, wie viele Personen im 2011 einen Werbeanruf für einen Wechsel der Grundversicherung bekommen hatten. Damals haben 70 Prozent der Befragten angegeben, per Telefon von einer Kasse oder einer Maklerfirma kontaktiert worden zu sein. Auch wenn die Resultate aufgrund der unterschiedlich langen Zeitperioden nicht eins zu eins vergleichbar sind, zeichnet sich bereits ab, dass in diesem Jahr die Marketing-Aktivitäten der Krankenkassen und Makler im Vergleich zum Vorjahr nicht wesentlich abnehmen. «Denn die Grundversicherung kann man in der Regel nur im Herbst wechseln, dann dürfte die Telefonwerbung noch zunehmen», prognostiziert Felix Schneuwly, Krankenkassen-Experte von comparis.ch.

Branche schadet sich selber
Erhält man einen Werbeanruf, bleibt es oft nicht bei einem einzigen Telefonat. Von den Befragten, die per Telefon von einer Kasse oder einem Makler kontaktiert worden sind, gibt jeder Zweite an, drei oder mehr Anrufe erhalten zu haben. comparis.ch hat auch untersucht, wer für die Werbeanrufe verantwortlich ist. 31 Prozent der Befragten, die ein Werbeanruf zur Grundversicherung erhalten haben, geben an, dass eine Krankenkasse sie kontaktiert hat. 42 Prozent sind von jemand anderem wie zum Beispiel einem Makler angerufen worden und 37 Prozent wissen nicht, wer sie in wessen Auftrag angerufen hat. Bei der Frage, welche Krankenkasse sie angerufen hat, nennen die Befragten vor allem zwei Kassen: 18 Prozent der Nennungen entfallen auf eine Kasse der Groupe Mutuel und 16 Prozent auf eine Krankenkasse der Helsana-Gruppe. Diese beiden Kassengruppen sind bereits Ende 2011 am häufigsten genannt worden.

Die Anrufer wollen in der Regel einen Beratungstermin vereinbaren. Die Umfrage zeigt, dass bei nur 3 Prozent der Befragten, die einen Werbeanruf erhalten haben, am Ende so ein Beratungstreffen stattgefunden hat. «Der Ärger der Versicherten und der Ertrag der Krankenkassen stehen in keinem Verhältnis. Damit schadet sich die Branche selber», sagt Schneuwly.

Auch Weinhändler telefonieren gern
Die Krankenkassen sind nicht die einzige Branche, die im ersten Halbjahr intensiv Telefonwer-bung betrieben hat. 59 Prozent aller Befragten haben Werbeanrufe anderer Branchen erhalten. Die meisten Werbeanrufe (19 Prozent) stammen von Wein- oder Lebensmittelverkäufern. 14 Prozent aller Befragten haben einen Anruf einer Telekommunikationsfirma erhalten, 12 Prozent von jemandem, der Zeitschriften- und Zeitungsabonnements verkauft. Für gleich viele Werbeanrufe sind Verkäufer von Gesundheitsprodukten verantwortlich.

Für besseren UWG-Vollzug ist der Bundesrat gefordert
Per 1. April ist eine schärfere Regelung zur Telefonwerbung im Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb in Kraft getreten. Mit der UWG-Verschärfung soll auch der Sterneintrag im Telefonbuch einen besseren Schutz vor unerwünschten Werbeanrufen bieten. Bisher hat diese neue Regelung noch nicht zu einem Rückgang der Werbeanrufe geführt. Jeder, der einen Sterneintrag im Telefonbuch hat und trotzdem Werbeanrufe erhält, kann seit dem 1. April den Rechtsweg beschreiten.

«Die gesetzlichen Mittel gegen Telefonbelästigung existieren heute, zentral sind deren konsequente Anwendung. Hier ist auch der Bundesrat in der Pflicht: Wird der Sterneintrag im grossen Stil missachtet, ist er aufgefordert einzuschreiten», fordert Schneuwly.

Santésuisse: 125 Verstösse nach Einschränkung der Telefonwerbung
Der Dachverband der Krankenkassen santésuisse hat im ersten Jahr mit der Beschränkung 125 Verstösse registriert. Zwi von drei Verstössen gingen auf so genannte wilde Makler zurück, wie santésuisse auf Anfrage der Nachrichtenagentur sda mitteilte. Neun der zwischen Juni 2011 und Ende Mai 2012 gezählten Verstösse stammen von verschiedenen identifizierten Kassen. Diese werden von santésuisse auf den Verstoss hingewiesen, wie Sprecherin Silvia Schütz sagte. Als ultima ratio nach mehreren Verstössen würde der Name der Kasse im Internet veröffentlicht.

Laut santésuisse wirkt die Vereinbarung: Die Ombudsstelle der Krankenversicherung habe gegenüber früher deutlich weniger Beschwerden von verärgerten Versicherten verzeichnet. Die Einschränkungen bei der Telefonwerbung sollen zu Gunsten der Versicherten Einsparungen von 60 bis 100 Mio CHF im Jahr bringen, wie es bei der Ankündigung Anfang 2011 hiess. In der vorläufigen Bilanz seien dazu noch keine Aussagen. (comparis.ch/awp/mc/pg)

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