Marc Rich ist tot

Marc Rich ist tot

Marc Rich (1934-2013)

Luzern – Marc Rich ist tot. Der legendäre und umstrittene Rohstoffhändler, der sich jahrelang auf der Fahndungsliste der meistgesuchten Personen der USA befunden hatte, starb mit 78 Jahren in einem Spital in Luzern. Rich verschied am Mittwochmorgen an einem Hirnschlag, wie der Sprecher der Marc Rich Group, Christian König, auf Anfrage der Nachrichtenagentur sda zu einem entsprechenden Bericht von Radio 1 sagte: «Sein Tod kam für alle überraschend.» Rich sei nicht krank gewesen.

Rich habe noch am nächsten Dienstag an einem Konzert des auch von ihm gesponserten Luzerner Symphonieorchesters in Jerusalem teilnehmen wollen. Nun werde der spanisch-israelische Staatsbürger am Donnerstag in Israel, wahrscheinlich in Tel Aviv, beerdigt, sagte König.

Pionier des Rohstoffhandels
Marc Rich wurde unter dem Namen Marcell David Reich am 18. Dezember 1934 als Sohn polnisch-deutscher Juden in Antwerpen geboren. Nach dem Einmarsch der Nazis in Belgien floh die Familie 1941 in die USA, wo sie sich zunächst in New York niederliess. Dort amerikanisierte die Familie ihren Namen in Rich. Marcell wurde künftig Marc genannt. 1954 begann Marc Rich eine Lehre beim Handelshaus Philipp Brothers, wo er später zum Verantwortlichen für den Rohstoffhandel aufstieg.

Gründung der heutigen Glencore in einer Vierzimmerwohnung in Zug
Legendär wurde Rich, nachdem er zusammen mit seinem Compagnon Pincus Green das Unternehmen Philipp Brothers wegen Streitigkeiten über die Höhe ihrer Boni verlassen hatte. 1974 gründeten sie in einer Vier-Zimmer-Wohnung in Zug die Rohstoffhandelsfirma Marc Rich + Co AG (heute Glencore). Das in beengten Verhältnissen gegründete Unternehmen erlebte einen steilen Aufstieg und wuchs zu einem Rohstoffimperium an.

Rich und seine Weggefährten verkauften Rohstoffe wie Öl, Aluminium oder Zink von heiklen Verkäufern an heikle Käufer. Dafür gerieten sie heftig in die Kritik, die ihnen Intransparenz, Ausbeutung und Verelendung der lokalen Bevölkerung vorwarf.

Steiler Aufstieg
Rich profitierte vom Ölschock nach dem Jom-Kippur-Krieg zwischen Israel und seinen arabischen Nachbarn, wie Rich-Biograph Daniel Ammann in seinem Buch «King of Oil» schreibt. Ihm und seinen Händlern gelang es, das Oligopol der sieben grossen Ölkonzerne BP, Chevron, Esso, Gulf, Mobil, Shell und Texaco zu knacken, die den globalen Ölhandel dominierten.

Rich lieferte iranisches Öl über Israel auf dem freien Markt nach Europa und die USA. Damit wurde der Boykott der Araber nach den Kriegen gegen Israel ausgehebelt. Rich handelte unter anderem mit Fidel Castros Kuba, dem Apartheid-Regime in Südafrika und dem Iran, auch nach dem Sturz des Schahs durch Ayatollah Chomeini.

Anklage als grösster Steuerbetrüger
Dadurch geriet Rich ins Visier der US-Justiz. 1983 wurden er und Pincus Green des «grössten Steuerbetrugs der Geschichte», der organisierten Kriminalität und des «Handels mit dem Feind» Iran angeklagt. Trotz des US-Embargos habe Rich mit iranischem Erdöl gehandelt, während Amerikaner in der US-Botschaft in Teheran als Geiseln gehalten worden seien, lautete der Vorwurf. Rich floh mit seiner Familie Hals über Kopf in die Schweiz.

Auf die US-Staatsbürgerschaft verzichtete er, nachdem er Spanier geworden war. Rich war während fast zwei Jahrzehnten auf der Fahndungsliste des FBI der meistgesuchten Personen. Die Affäre vergiftete jahrelang die Beziehungen der Schweiz zu den USA, welche die Auslieferung Richs verlangt hatten.

Begnadigung durch Bill Clinton
Doch im Gegensatz zu heute blieben die Schweizer Behörden gegen die amerikanischen Druckversuche hart: «Rechtshilfe und fremde Beugungsaktionen schliessen sich gegenseitig aus», schrieb der Bundesrat 1984 an die USA. Erst 2001 wurde Rich von US-Präsident Bill Clinton am letzten Tag von dessen Amtszeit begnadigt.

Verzockt
Marc Richs Stern begann Anfang der 1990er Jahre zu sinken. Ein Spekulationsgeschäft auf Zink verursachte einen Verlust von 172 Mio. Dollar, was die Firma an Rand des Ruins brachte. Nach einem verlorenen Machtkampf gegen seine rechte Hand Willy Strothotte, den er 1992 aus der Firma geworfen hatte, musste Rich sein Unternehmen verlassen. «Ich war schwach», sagte Rich dazu.

Seine Anteile verkaufte er bis 1994 ans Management und leitende Mitarbeiter. Die neuen Besitzer tauften die Firma in Glencore um. Glencore fusionierte vor einem Monat mit dem Bergbaukonzern Xstrata zu einem der grössten Rohstoffgiganten der Welt.

Nach seinem Ausstieg bei Glencore versuchte Rich, erneut im Rohstoffhandel Fuss zu fassen – allerdings ohne Erfolg. Zuletzt verlor er in der Immobilienkrise in Spanien sehr viel Geld.

Grosszügiger Mäzen
Neben seinen Geschäften widmete Rich sich auch philanthropischen Aktivitäten, wo er als grosszügiger Mäzen auftrat. So gründete er drei wohltätige Stiftungen, die viele Projekte in den USA, Spanien, der Schweiz und Israel unterstützten.

Rich heiratete zweimal. Schlagzeilen machte vor allem die millionenschwere Scheidung von seiner ersten Frau Denise, von der er 1996 nach einem Rosenkrieg geschieden wurde. Rich, der bis zuletzt in der luzernischen Gemeinde Meggen als Einwohner gemeldet war, hinterlässt die beiden Töchter Ilona Schachter-Rich und Danielle Kilstock-Rich. Die dritte Tochter Gabrielle starb an Krebs. (awp/mc/pg)

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