Nationalrat will Folgen der Teuerung abfedern

Nationalrat will Folgen der Teuerung abfedern
(Foto: Pixabay)

Bern – Ja zu einem vollen Teuerungsausgleich bei den AHV-Renten im Jahr 2023, Ja zu einem 30 Prozent höheren Bundesbeitrag an die Prämienverbilligungen: In der ausserordentlichen Debatte des Nationalrats zur Kaufkraft hat sich am Mittwoch eine Mitte-links-Allianz durchgesetzt. Zwei Motionen von Mitte-Partei und SP fanden eine Mehrheit. Mitte und SP hatten sich im Vorfeld abgestimmt. Mit beiden Vorstössen muss sich nun der Ständerat befassen.

Die Mitte-Fraktion fordert in einer Motion die Anpassung der AHV- und IV-Renten sowie der Ergänzungsleistungen gemäss dem Landesindex der Konsumentenpreise spätestens bis Anfang 2023. Zudem soll der Bundesrat dem Parlament ein Konzept dazu vorlegen, wie die Renten bei einer Teuerung von mehr als zwei Prozent künftig regelmässig angepasst werden können. Der Rat hiess den Vorstoss mit 99 zu 92 Stimmen bei einer Enthaltung gut.

Die SP will den Bundesrat beauftragen, in einem zeitlich auf ein Jahr befristeten dringlichen Bundesbeschluss den Bundesbeitrag an die individuelle Prämienverbilligung um 30 Prozent zu erhöhen. Die zusätzlichen Gelder sollen die Kantone erhalten, sofern sie ihren eigenen Beitrag nicht reduzieren.

Der Motion der Sozialdemokraten nahm der Nationalrat mit 97 zu 95 Stimmen bei zwei Enthaltungen an.

Maurer sieht Wahlkampfgetöse
Die Kaufkraft von Rentenbezügerinnen und -bezügern nehme aktuell fast täglich ab, sagte Christian Lohr (Mitte/TG). Betroffene reagierten verängstigt. Denn sie wüssten nicht mehr, wie sie ihre täglichen Ausgaben bestreiten sollten. Es gehe insbesondere um Empathie mit den Schwächsten, die wenig Möglichkeiten hätten, auf die gegenwärtige Situation zu reagieren.

Der Bundesrat lehnt beide Motionen ab. Die Teuerung sei im Vergleich zu anderen europäischen Staaten relativ moderat. Bei den Renten sei es sinnvoll, am Schwellenwert von vier Prozent Inflation für ausserordentliche Massnahmen festzuhalten. Und die soziale Absicherung im Zusammenhang mit den Krankenkassenprämien sei in erster Linie Aufgabe der Kantone.

«Grosse Ereignisse werfen ihre Schatten voraus», sagte Finanzminister Ueli Maurer. In der Debatte sei sehr viel Parteipolitik im Hinblick auf die Wahlen im kommenden Jahr zu spüren gewesen.

Für eine Umsetzung der geforderten Massnahmen fehle dem Bund aber «schlicht und einfach das Geld». Und rasch eingeführt werden könnten sie ohnehin nicht. Denn Notrecht komme hier nicht infrage.

«Nichtstun ist keine Option»
Im Rat stiess die Haltung des Bundesrates auf Kritik. Mitte-Präsident Gerhard Pfister (ZG) verwies auf die Hilfen für Unternehmen in der Pandemie und die bereits erfolgten Hilfen für den Stromkonzern Axpo. Nun gelte es, dies auch für Familien, Rentnerinnen und Rentner und kleine und mittlere Unternehmen zu tun.

Es sei nicht nachvollziehbar, dass der Bundesrat nur handeln wolle, wenn es um Grossunternehmen gebe, so Pfister. «Nichtstun ist definitiv keine Option».

Das Problem sei gravierend, sagte Christian Dandrès (SP/GE) namens seiner Fraktion. Zahlreiche Menschen drohten unter die Armutsgrenze zu fallen. Unterstützung erhielten Mitte und SP von den Grünen.

Von einem «Lamento» von SP und Mitte sprach dagegen Regine Sauter (FDP/ZH). Die Schweiz sei keineswegs mit einer historisch hohen Inflation konfrontiert. Ihre Partei stellte sich gegen sämtliche zur Debatte stehenden Vorstösse, ebenso wie die Mehrheit der Fraktion der Grünliberalen.

SVP-Gegenanträge ohne Erfolg
Die SVP bekämpfte die Vorschläge von SP und Mitte mit eigenen Motionen. Magdalena Martullo-Blocher (SVP/GR) nutze die Debatte für Grundsatzkritik an Innenminster Alain Berset. Dieser habe es während Jahren nicht geschafft, das Wachstum der Gesundheitskosten zu bremsen.

Ins Visier nahm Martullo-Blocher auch die frühere CVP-Bundesrätin Doris Leuthard und die unter ihr beschlossene Energiestrategie. Die Verknappung und Verteuerung von Energie sei politisch gewollt.

«Unsere Probleme sind hausgemacht», sagte Martullo-Blocher. Ideologische Fantasien seien offensichtlich wichtiger als das Wohlergehen des Landes.

Alfred Heer (ZH) verlangte, sich bei der Anpassung der AHV-Renten wie bisher am sogenannten Mischindex zu orientieren. Dieser basiert zur Hälfte auf der Teuerung und zur Hälfte auf der Lohnentwicklung. Heer forderte zudem, allfällige Mehrausgaben für den Teuerungsausgleich seien durch eine Plafonierung der Ausgaben bei der Entwicklungszusammenarbeit, im Forschungs- und Bildungsbereich, bei den Kulturausgaben und beim Eigenaufwand des Bundes zu kompensieren. Nur so liessen sich Steuererhöhungen und eine Belastung der Jüngeren vermeiden.

Keine Energiezulage für Geringverdiener
Weitere SVP-Vorstösse verlangten den Verzicht auf einen Teil der Einnahmen aus der Mineralölsteuer durch den Bund, die Abschaffung des Eigenmietwerts für Rentnerinnen und Rentner sowie, dass Ausgaben für Krankenkassenprämien bei der direkten Bundessteuer voll abgezogen werden können.

Die Motion Heers scheiterte mit 143 zu 53 Stimmen. Auch die anderen Vorstösse aus der SVP fanden keine Mehrheit und sind damit vom Tisch.

Zu befinden hatte der Rat ausserdem über einen Vorstoss aus den Reihen der Grünen. Die St. Galler Nationalrätin Franziska Ryser forderte eine Energiezulage bei bestehenden Prämienverbilligungen, um Haushalte mit geringen Einkommen gezielt zu entlasten.

Der Nationalrat verwarf die Motion Rysers mit 127 zu 67 Stimmen bei einer Enthaltung. Auch sie ist vom Tisch. (awp/mc/pg)

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