NR will Geschichte der nachrichtenlosen Vermögen beenden

NR will Geschichte der nachrichtenlosen Vermögen beenden

Nationalratssaal im Bundeshaus.

Bern – Die scheinbar unendliche Geschichte um die nachrichtenlosen Vermögen soll ein Ende finden. Der Nationalrat hat am Mittwoch einer Änderung des Bankengesetzes zugestimmt, welche eine Liquidation solcher Vermögen erlaubt. Die Vermögenswerte fliessen nach der Liquidation an den Bund. Bei der Diskussion ging es nicht nur um eine gute Lösung für ein politisch heikles Problem, sondern auch um das Image der Schweiz und die Glaubwürdigkeit ihres Banken- und Finanzplatzes. Deshalb gaben vor allem die Fristen zu reden.

Es gehe für die Reputation der Banken und der Schweiz darum, möglichst lange Fristen zu haben, gab Susanne Leutenegger Oberholzer (SP/BL) zu bedenken. Louis Schelbert (Grüne/LU) stellte die Rechte der Gläubiger, also der Kontoinhaberinnen und -inhaber ins Zentrum. Es gehe immerhin um rund 650 Mio CHF und rund 120’000 Kundenbeziehungen, die derzeit als nachrichtenlos gälten.

30 oder 50 Jahre
Zur Debatte stand der Vorschlag des Bundesrates mit einer Frist von 30 Jahren bis zur Liquidation nachrichtenloser Vermögen. Dies sei effizient und zielführend, erklärte Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf. Der Nationalrat folgte jedoch seiner Kommission und befürwortete eine Frist von 50 Jahren bis mit der Liquidation begonnen werden kann. Gegen den Willen des Bundesrates und Teile der bürgerlichen Parteien sprach sich der Nationalrat mit 88 zu 86 Stimmen dafür aus, dass nach der Liquidation der nachrichtenlosen Vermögenswerte die Berechtigten für weitere 50 Jahre einen Rechtsanspruch auf das Geld erheben können.

Rechtsanspruch erlischt nach 112 Jahren

Damit entstehe eine «Win-win-Situation», sagte Leutenegger Oberholzer, denn die Banken würden vom Vorwurf der Bereicherung befreit und «der Anspruch der Berechtigten geht nicht unter». Hans Kaufmann (SVP/ZH) zeigte anhand eines konkreten Beispiels, dass der Rechtsanspruch seiner Ansicht nach unbedingt notwendig ist: Er betreue slowakische Unternehmer, die nach 45 Jahren eisernem Vorhang und 27 Jahren vergeblichen Versuchen, an Gelder auf einer «namhaften Schweizer Bank» zu kommen, noch immer nicht am Ziel seien – und dies nach nun 67 Jahren.

Beweisführung nach so vielen Jahren schwierig
Die Gegner eines Rechtsanspruchs argumentierten, dass der administrative Aufwand für den Bund zu gross werde. «Es müsste sozusagen eine Bundesbank geschaffen werden», sagte Fulvio Pelli (FDP/TI). Die Vermögen müssten 112 Jahre lang verwaltet werden, kritisierte Thomas Maier (GLP/ZH) die Idee. Auch die Finanzministerin wehrte sich vehement gegen einen Rechtsanspruch. Das Problem der Banken werde auf den Bund verschoben. Da dieser Partei werde, trage er das Prozessrisiko und das Risiko von Schadenersatzklagen. Die Beweisführung werde nach so vielen Jahren schwierig. «Es ist eine Illusion zu meinen, dass man nach 50 Jahren wirklich noch Rechtsansprüche nachweisen kann.»

Lange Geschichte, gutes Ende
Trotz der Einwände hat sich die grosse Kammer also für eine Verwirkungsfrist von 112 Jahren entschieden. Diese setzt sich im beschlossenen zweistufigen Verfahren wie folgt zusammen: Eine Bank hat 10 Jahre Zeit, die Nachrichtenlosigkeit eines Vermögenswertes festzustellen. Nach weiteren 50 Jahren darf die Liquidation des Vermögens eingeleitet werden. Das Verfahren soll höchstens 2 Jahre dauern. Nach dem Verfahren fliessen die Vermögenswerte an den Bund. Der Inhaber, die Inhaberin oder ihre Erben können danach noch während 50 Jahren Rechtsanspruch beim Bund erheben.

Vorlage nun beim Ständerat
Für diese Lösung müsse sie den Mitgliedern der Subkommission, die diesen Vorschlag ausgearbeitet hat, ein Kränzchen winden, sagte Hildegard Fässler (SP/SG). «Sie haben die Quadratur des Kreises gefunden». Mit der Vorlage könne eine über 10 Jahre alte Geschichte zu einem guten Ende gebracht werden. Einen Antrag der SP, die Vermögenswerte statt an den Bund in den Ausgleichsfonds der AHV fliessen zu lassen, lehnte der Nationalrat mit 120 zu 56 Stimmen ab. Die Befürworter wollten mit dem Vorschlag verhindern, dass der Eindruck entsteht, die Schweiz verfolge mit der Vorlage rein fiskalische Ziele zugunsten der Bundeskasse. Die Vorlage geht nun an den Ständerat. (awp/mc/ps)

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