Personenfreizügigkeit: Löhne nicht stärker unter Druck

Personenfreizügigkeit: Löhne nicht stärker unter Druck

Bern – In den Grenzregionen sind die Löhne wegen der Personenfreizügigkeit nicht stärker unter Druck geraten als in anderen Regionen. Dies steht in einem Bericht, den der Bundesrat am Freitag genehmigt hat. Insgesamt liessen die analysierten Daten in Grenzgängerkantonen keinen besonderen Lohndruck erkennen, heisst es im Bericht. Dies schliesse nicht aus, dass sich das bei einer weiterhin starken Zunahme der Grenzgänger noch ändern könnte.

Gemäss dem Bericht hat sich die Lohnentwicklung der ansässigen Erwerbsbevölkerung in den Grenzgängerkantonen in den Jahren 2002 bis 2008 nicht systematisch unterschieden von jener in anderen Regionen. Dies, obwohl Grenzgänger in der Regel tiefer entlöhnt wurden als ansässige Arbeitskräfte.

In den städtisch geprägten Grenzgängerkantonen Genf, Basel-Landschaft und Basel-Stadt lagen die Löhne deutlich über dem Durchschnitt, im Tessin deutlich darunter. Unterschiedliche Strukturen bezüglich Alter, Qualifikation und Branchen wurden dabei berücksichtigt.

Teilweise höhere Arbeitslosigkeit
Auswirkungen hatte die Personenfreizügikeit auf die Arbeitslosigkeit in manchen Grenzregionen. Drei der fünf Regionen waren zwischen 2003 und 2010 davon stärker betroffen als die übrige Schweiz. Es handelt sich um die Genferseeregion, die Nordwestschweiz und den Jurabogen.

In der Ostschweiz und der Südschweiz dagegen verringerte sich die Arbeitslosenquote relativ gesehen. Damit zeige sich auch hier kein einheitliches Muster, welches auf eine Verdrängung ansässiger Erwerbstätiger durch Grenzgänger hindeuten würde, heisst es im Bericht.

5 Prozent Grenzgänger
Seit der schrittweisen Öffnung des Arbeitsmarktes hat die Zahl der Grenzgänger in den Grenzregionen stark zugenommen. Zwischen 2004 und 2010 stieg der Anteil von Grenzgängern am Total der Erwerbstätigen von 4,2 auf 5%. Gut ein Viertel der Grenzgänger ist in der Genferseeregion tätig. Ihr Anteil an allen Erwerbstätigen macht hier mehr als 16 Prozent aus.

In den Jahren unmittelbar nach Inkrafttreten des Freizügigkeitsabkommens wuchs die Grenzgängerbeschäftigung schwächer als in den drei Jahre davor. Dies sei eine Folge der schwächeren konjunkturellen Entwicklung gewesen, heisst es im Bericht.

Positive Auswirkungen
Der Bundesrat kommt – wie bereits früher – zum Schluss, dass die Personenfreizügigkeit zu einem stabilen Wirtschafts- und Beschäftigungswachstum beigetragen hat, selbst in der Rezession von 2009. Sieben Jahre Erfahrung mit den flankierenden Massnahmen zeigten, dass diese einen wirksamen Schutz gewährleisteten.

Er sei sich bewusst, dass in einzelnen Bereichen Verbesserungspotenzial bestehe, räumt der Bundesrat ein. Deshalb habe er im Sommer Massnahmen in die Vernehmlassung geschickt. Damit sollen in erster Linie die Scheinselbständigkeit verstärkt bekämpft sowie zwingende Mindestlöhne in Normalarbeitsverträgen durchgesetzt werden.

Kein weiterer Handlungsbedarf
Angesichts der geplanten Revisionen sehe er keinen weiteren Handlungsbedarf, hält der Bundesrat fest. Mit dem Bericht erfüllt er ein Postulat von FDP-Nationalrat Philipp Müller (AG), das ihn beauftragte, die Auswirkungen der Personenfreizügigkeit auf die Grenzregionen zu untersuchen.

Zu einem anderen Schluss als der Bundesrat war die Geschäftsprüfungskommission (GPK) des Nationalrates gekommen. Von ihr in Auftrag gegebene Untersuchungen zeigten, dass Grenzregionen den Lohndruck besonders zu spüren bekämen, schrieb sie in einem Bericht vom Oktober.

Mangeldne Datengrundlage
Den Bundesrat bezichtigte sie der Schönfärberei. Er halte immer wieder fest, der freie Personenverkehr habe zu keinem Lohndruck geführt und die flankierenden Massnahmen zeigten Wirkung. Für solche Äusserungen fehle aber die Datengrundlage, befand die parlamentarische Aufsicht.

«Der Bund verfügt über keinerlei Informationen, die es ihm erlauben würden, die Wirksamkeit der flankierenden Massnahmen oder das (Nicht-)Vorhandensein von Lohnunterbietungen festzustellen», schrieb die GPK. (awp/mc/pg)

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